Kieler Ökonom Alfred Boss: Abbau von Staatshilfen den Bürgern mit Steuersenkungen schmackhaft machen - Interview
Berlin - Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel beziffert die Staatshilfen in Deutschland auf zuletzt rund 156 Mrd. Euro im Jahr. Würden diese Subventionen gestrichen, könnten die Steuersätze deutlich sinken, rechnet IfW-Finanzexperte Alfred Boss vor. Die Verknüpfung von Subventionsabbau und Steuersenkungen könnte zugleich den politischen Widerstand gegen den Subventionsabbau entscheidend schwächen. Mit Boss sprach Stefan von Borstel.
DIE WELT: Herr Boss, der Abbau von Subventionen wird allenthalben gefordert, auch von Politikern. Aber den Absichtserklärungen folgen kaum Taten. Die Kürzung der Eigenheimzulage etwa ist jüngst im Bundesrat gescheitert. Warum ist der Subventionsabbau so schwierig?
Alfred Boss: Ein Politiker, der sich die Kürzung der Eigenheimzulage auf die Fahnen schreibt, muss damit rechnen, dass er dafür bei der nächsten Wahl abgestraft wird. Von der Kürzung sind bestimmte Gruppen hart und unmittelbar betroffen. Da geht es um das Einkommen, aber auch um Arbeitsplätze, etwa im Kohlenbergbau oder bei den Werften. Die kurzfristigen negativen Wirkungen sind unmittelbar ersichtlich, die langfristigen positiven Folgen des Subventionsabbaus in Form von niedrigeren Steuern dagegen nicht. Das wird von vielen Wählern nicht durchschaut, und die Politik nimmt darauf Rücksicht. Hinzu kommt, dass vergleichsweise kleine, gut organisierte Interessengruppen wie Werftarbeiter, Bergbaubeschäftigte oder Landwirte leichter Einfluss auf die Politik nehmen können, als die große Masse der Steuerzahler und Verbraucher. Schließlich haben Politiker ebenso wie Teile der Bürokratie ein Interesse an hohen Subventionen.
DIE WELT: Inwiefern hat die Bürokratie ein Interesse daran?
Boss: Subventionsprogramme müssen ausgearbeitet werden, die Vergabe muss koordiniert und die Verwendung der Subventionen kontrolliert werden. Dafür braucht man Personal im öffentlichen Dienst. Möglicherweise sind im Einzelfall die Personalausgaben und der sonstige Aufwand für ein Programm größer als der Nutzen, den man eigentlich damit erzielen wollte.
DIE WELT: Mit welcher Strategie ließen sich diese Probleme des Subventionsabbaus überwinden?
Boss: Man muss Subventionskürzungen mit Steuersenkungen verbinden. Dann gäbe es zwar politischen Widerstand durch jene, die bei Subventionskürzungen verlieren, es gäbe aber Unterstützung durch diejenigen, die von Steuersenkungen profitieren. Das ist die große Masse der Steuerzahler. Politisch gibt es dann eine Gegenkraft von Seiten der Begünstigten. Anders ist der Subventionsabbau wohl nicht zu machen.
DIE WELT: In welchen Größenordnungen könnten sich diese Steuersenkungen bei einem Subventionsabbau bewegen?
Boss: Die Einkommensteuersätze könnten bei einem konsequenten Subventionsabbau um zwei Drittel gesenkt werden. Das Institut für Weltwirtschaft hat dies einmal durchgerechnet. Schon bei einer 20prozentigen Subventionskürzung könnte der Eingangssteuersatz von heute 19,9 Prozent auf 17,3 Prozent gesenkt werden. Der Spitzensteuersatz würde von 48,5 auf 42,2 Prozent fallen. Werden die Subventionen komplett gestrichen, könnte der Eingangssatz auf 6,9 Prozent und der Spitzensteuersatz auf 16,9 Prozent fallen. Das wäre ein dramatischer Rückgang.
DIE WELT: Sind alle Subventionen schädlich? Oder gibt es auch nützliche Subventionen?
Boss: Alle Subventionen, ob für Landwirtschaft, Bergbau, Verkehr oder Wohnungsvermietung, ob als Steuervergünstigung oder als Finanzhilfe, sind ökonomisch nicht zu begründen. Es gibt keine "guten" oder "schlechten" Subventionen. Grundsätzlich verzerren sie die Marktpreise und damit die optimale Verwendung von Ressourcen. In aller Regel dienen sie der Umverteilung, ein Ziel, das mit anderen Instrumenten besser erreicht werden könnte. Bei den Empfängern verursachen sie eine Subventionsmentalität. Notwendige Anpassungsprozesse unterbleiben. Subventionen können wie eine Versicherung gegen Folgen des unternehmerischen Misserfolges wirken. Und bei denen, die keine Subventionen bekommen, wecken sie Begehrlichkeiten. Letztlich müssen die Subventionen auf Null gekürzt werden. Das selektive Kürzen funktioniert nicht. Politisch geht das nur per Rasenmäher, also gleichmäßig um einen bestimmten Prozentsatz Jahr für Jahr. Je nachdem, wie viel man sich vornimmt, ist der Subventionsabbau dann nach einigen Jahren abgeschlossen.
DIE WELT: In der Praxis dürfte dies aber schwierig werden. So kann der Bund Steuervergünstigungen nur mit Zustimmung der Länder streichen.
Boss: Tatsächlich müsste die Finanzverfassung grundlegend reformiert werden, wenn Subventionen umfassend gekürzt werden sollen. Die Finanzautonomie der Bundesländer ist durch die Mischfinanzierung stark beschnitten. Ein Bundesland hat an einer Reduktion der Finanzhilfen ja gar kein Interesse, wenn die EU oder der Bund diese Hilfen mitfinanzieren. Es ist teuer, Unterstützung von oben nicht zu beanspruchen. Wir brauchen mehr Steuerautonomie für Länder und Gemeinden. Ein Land könnte dann seine Subventionen streichen und seine Steuersätze senken. Ein Steuerwettbewerb zwischen den Ländern würde den Subventionsabbau erheblich erleichtern.
Berlin - Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel beziffert die Staatshilfen in Deutschland auf zuletzt rund 156 Mrd. Euro im Jahr. Würden diese Subventionen gestrichen, könnten die Steuersätze deutlich sinken, rechnet IfW-Finanzexperte Alfred Boss vor. Die Verknüpfung von Subventionsabbau und Steuersenkungen könnte zugleich den politischen Widerstand gegen den Subventionsabbau entscheidend schwächen. Mit Boss sprach Stefan von Borstel.
DIE WELT: Herr Boss, der Abbau von Subventionen wird allenthalben gefordert, auch von Politikern. Aber den Absichtserklärungen folgen kaum Taten. Die Kürzung der Eigenheimzulage etwa ist jüngst im Bundesrat gescheitert. Warum ist der Subventionsabbau so schwierig?
Alfred Boss: Ein Politiker, der sich die Kürzung der Eigenheimzulage auf die Fahnen schreibt, muss damit rechnen, dass er dafür bei der nächsten Wahl abgestraft wird. Von der Kürzung sind bestimmte Gruppen hart und unmittelbar betroffen. Da geht es um das Einkommen, aber auch um Arbeitsplätze, etwa im Kohlenbergbau oder bei den Werften. Die kurzfristigen negativen Wirkungen sind unmittelbar ersichtlich, die langfristigen positiven Folgen des Subventionsabbaus in Form von niedrigeren Steuern dagegen nicht. Das wird von vielen Wählern nicht durchschaut, und die Politik nimmt darauf Rücksicht. Hinzu kommt, dass vergleichsweise kleine, gut organisierte Interessengruppen wie Werftarbeiter, Bergbaubeschäftigte oder Landwirte leichter Einfluss auf die Politik nehmen können, als die große Masse der Steuerzahler und Verbraucher. Schließlich haben Politiker ebenso wie Teile der Bürokratie ein Interesse an hohen Subventionen.
DIE WELT: Inwiefern hat die Bürokratie ein Interesse daran?
Boss: Subventionsprogramme müssen ausgearbeitet werden, die Vergabe muss koordiniert und die Verwendung der Subventionen kontrolliert werden. Dafür braucht man Personal im öffentlichen Dienst. Möglicherweise sind im Einzelfall die Personalausgaben und der sonstige Aufwand für ein Programm größer als der Nutzen, den man eigentlich damit erzielen wollte.
DIE WELT: Mit welcher Strategie ließen sich diese Probleme des Subventionsabbaus überwinden?
Boss: Man muss Subventionskürzungen mit Steuersenkungen verbinden. Dann gäbe es zwar politischen Widerstand durch jene, die bei Subventionskürzungen verlieren, es gäbe aber Unterstützung durch diejenigen, die von Steuersenkungen profitieren. Das ist die große Masse der Steuerzahler. Politisch gibt es dann eine Gegenkraft von Seiten der Begünstigten. Anders ist der Subventionsabbau wohl nicht zu machen.
DIE WELT: In welchen Größenordnungen könnten sich diese Steuersenkungen bei einem Subventionsabbau bewegen?
Boss: Die Einkommensteuersätze könnten bei einem konsequenten Subventionsabbau um zwei Drittel gesenkt werden. Das Institut für Weltwirtschaft hat dies einmal durchgerechnet. Schon bei einer 20prozentigen Subventionskürzung könnte der Eingangssteuersatz von heute 19,9 Prozent auf 17,3 Prozent gesenkt werden. Der Spitzensteuersatz würde von 48,5 auf 42,2 Prozent fallen. Werden die Subventionen komplett gestrichen, könnte der Eingangssatz auf 6,9 Prozent und der Spitzensteuersatz auf 16,9 Prozent fallen. Das wäre ein dramatischer Rückgang.
DIE WELT: Sind alle Subventionen schädlich? Oder gibt es auch nützliche Subventionen?
Boss: Alle Subventionen, ob für Landwirtschaft, Bergbau, Verkehr oder Wohnungsvermietung, ob als Steuervergünstigung oder als Finanzhilfe, sind ökonomisch nicht zu begründen. Es gibt keine "guten" oder "schlechten" Subventionen. Grundsätzlich verzerren sie die Marktpreise und damit die optimale Verwendung von Ressourcen. In aller Regel dienen sie der Umverteilung, ein Ziel, das mit anderen Instrumenten besser erreicht werden könnte. Bei den Empfängern verursachen sie eine Subventionsmentalität. Notwendige Anpassungsprozesse unterbleiben. Subventionen können wie eine Versicherung gegen Folgen des unternehmerischen Misserfolges wirken. Und bei denen, die keine Subventionen bekommen, wecken sie Begehrlichkeiten. Letztlich müssen die Subventionen auf Null gekürzt werden. Das selektive Kürzen funktioniert nicht. Politisch geht das nur per Rasenmäher, also gleichmäßig um einen bestimmten Prozentsatz Jahr für Jahr. Je nachdem, wie viel man sich vornimmt, ist der Subventionsabbau dann nach einigen Jahren abgeschlossen.
DIE WELT: In der Praxis dürfte dies aber schwierig werden. So kann der Bund Steuervergünstigungen nur mit Zustimmung der Länder streichen.
Boss: Tatsächlich müsste die Finanzverfassung grundlegend reformiert werden, wenn Subventionen umfassend gekürzt werden sollen. Die Finanzautonomie der Bundesländer ist durch die Mischfinanzierung stark beschnitten. Ein Bundesland hat an einer Reduktion der Finanzhilfen ja gar kein Interesse, wenn die EU oder der Bund diese Hilfen mitfinanzieren. Es ist teuer, Unterstützung von oben nicht zu beanspruchen. Wir brauchen mehr Steuerautonomie für Länder und Gemeinden. Ein Land könnte dann seine Subventionen streichen und seine Steuersätze senken. Ein Steuerwettbewerb zwischen den Ländern würde den Subventionsabbau erheblich erleichtern.