Anleger, Manager und Bankiers sind entsetzt: Die betrügerischen Finanztricks der Enron-Manager wurden offenbar in vielen US-Firmen angewandt. Nun drohen die Schummeleien aufzufliegen, weitere Konzerne könnten in die Pleite rauschen. Die Börsianer sind in Alarmstimmung.
New York - An der Wall Street geht momentan die Kakerlaken-Theorie um. "Es wird niemals nur e i n Unternehmen sein, das wegen seiner Buchhaltungspraktiken oder wegen maßloser Schulden zum Problem wird", sagt Anthony Maramarco, Portfolio-Manager des Babson Value Fund. So wie Kakerlaken stets in Rudeln in den Küchenschränken der New Yorker herumkrabbeln, könnten auch der Enron-Pleite schnell weitere folgen.
Maramarco ist mit seiner Befürchtung nicht allein, das zeigte auch der Käuferstreik an der Wall Street. Bis zur Schlussglocke vom Montag verlor der Dow Jones 2,5 Prozent oder 248 Punkte auf 9618 Punkte - der größte Tagesverlust seit dem 29. Oktober vergangenen Jahres.
Am härtesten erwischte es die Williams Companies, deren Aktie um 22 Prozent einbrach. Wie Enron ist Williams aus dem Geschäft mit Gas-Pipelines hervorgegangen. Der Absturz der Aktie kam, nachdem das Unternehmen von rund 2,4 Milliarden Dollar an "unerwarteten" Kosten berichtete, die durch ein bereits abgespaltetes Unternehmen, Williams Communications, verursacht wurden. Auch an normalen Börsentagen hätte eine solche Meldung für große Unruhe gesorgt. Angesichts des Enron-Skandals und der Pleiten von Kmart und Global Crossing wirken Ungereimtheiten in der Bilanz derzeit wie Todesurteile für den jeweiligen Aktienkurs.
Robert Kuttner, Kommentator der "Business Week", kann gar nicht hoch genug greifen, um die Schrecken der Megapleite zu beschreiben: "Enron ist für Marktgläubige das, was der 11. September für Politiker war. Ein sehr teurer Weckruf", schreibt der Ökonom.
Und Paul Krugman, einer der angesehendsten Ökonomen des Landes, prophezeite gar, dass sich im historischen Rückblick das Enron-Desaster als viel schlimmer erweisen werde, als die Terroranschläge gegen das World Trade Center. Selten zuvor wurde das Vertrauen der Amerikaner in ihre Wirtschaft, ihre Konzerne, ihre Manager so enttäuscht. Hunderttausende sind schockiert, mit welchen Tricks in den Chefetagen gearbeitet wurde, wie Anleger hinters Licht geführt wurden. Noch vor zwei Jahren sahen viele in der Börse einen Rettungsmechanismus für die notleidende Altersversorgung, nun sind die kühnen Träume endgültig zerstoben.
Wirtschaftsprüfer und Buchhalter stehen momentan unter Generalverdacht, Geschäftsbeziehungen zu vermeintlichen Schandtätern werden reihenweise abgebrochen. Die Chefs von Arthur Andersen, einer der größten Beratungskonzerne weltweit und Buchprüfer von Enron, kämpfen ums Überleben. Treue Großkunden wie Delta Airlines, seit mehr als 50 Jahren bei Andersen unter Vertrag, haben laut "Wall Street Journal" das Vertrauen verloren.
Die Schockwelle, die der Zusammenbruch des einstigen Shootingstars Enron ausgelöst hat, wird aber auch Firmen erfassen, die nicht unmittelbar in die Machenschaften von Enron-Chef Kenneth Lay verwickelt waren.
JP Morgan Chase: Köpfe werden rollen
So müssen nun die Banker büßen, die sich zu Glanzzeiten kräftig für Enron-Chef Lay ins Zeug gelegt haben. Die Investmentbank JP Morgan Chase beispielsweise muss nach eigenen Angaben rund 2,6 Milliarden Dollar abschreiben. Erst kürzlich entdeckten die Banker ein Milliardengrab. Bei einer Offshore-Firma namens Mahonia, die JP Morgan zu 49 Prozent gehört, steht Enron noch mit knapp einer Milliarde Dollar in der Kreide. Peinlich ist, dass das Finanzloch zunächst gar nicht auffiel und den Aktionären per nachträglicher Korrektur mitgeteilt werden musste. Ein führender Mitarbeiter der Bank sagte dazu gegenüber der "Financial Times": "Bald werden im Vorstand Köpfe rollen". Auch an der Wall Street musste die Bank am Montag kräftig Federn lassen, der Kurs fiel um 6,6 Prozent zurück. Zweifel an Bilanzierungspraktiken rissen den gesamten Bankensektor in die Tiefe: Die Aktien von Merrill Lynch fielen 7,5 Prozent, Citigroup verloren 5,3 Prozent.
Unangenehme Zeiten stehen aber auch den Firmen bevor, die ähnlich wie Lay und sein Team in die Kiste der Finanztricks gegriffen haben. Ein beliebtes Spiel der Enron-Mannschaft war es, verlustbringende Geschäfte und Schulden in formal selbständigen Firmen zu verstecken. Nach den amerikanischen Buchhaltungsvorschriften aus dem Jahre 1959 gilt ein Unternehmen schon dann als selbstständig, wenn drei Prozent des Kapitals von außenstehenden Investoren eingezahlt wird. Die Folge: Die Verluste und Schulden der Firma verschwinden aus der Bilanz des Mutterunternehmens. Aktionäre haben somit keine Chance mehr, die wirkliche Finanzsituation des Unternehmens zu ergründen.
Die Enron-Finanzjongleure trieben es mit über 4000 solcher so genannter Special Purpose Entities wohl etwas weit, doch auch andere US-Firmen nutzen laut "Business Week" solche Finanz-Vehikel. So präsentierte beispielsweise UAL, die Konzernmutter von United Airlines, in ihrer Bilanz des Jahres 2000 einen Bestand langfristiger Schulden von rund fünf Milliarden Dollar. Nach Ansicht von Philip Baggaley von Standard & Poors kommen aber noch einmal 12,7 Millarden Dollar dazu, wenn man die Leasing-Verträge einbezieht, die für 26 Jahre auf 233 Flugzeuge abgeschlossen wurden. Diese sind in der Bilanz nur mit einer kleinen Fußnote erwähnt. "Jeder, der in dieser Industrie arbeitet, weiß, dass der wahre Schuldenstand höher ist", so Baggaley. Nach seinen Berechnungen hat auch AMR, die Holding von American Airlines, rund 7,9 Milliarden Dollar an Leasingraten zu zahlen, die nirgendwo in der Bilanz auftauchen.
New York - An der Wall Street geht momentan die Kakerlaken-Theorie um. "Es wird niemals nur e i n Unternehmen sein, das wegen seiner Buchhaltungspraktiken oder wegen maßloser Schulden zum Problem wird", sagt Anthony Maramarco, Portfolio-Manager des Babson Value Fund. So wie Kakerlaken stets in Rudeln in den Küchenschränken der New Yorker herumkrabbeln, könnten auch der Enron-Pleite schnell weitere folgen.
Maramarco ist mit seiner Befürchtung nicht allein, das zeigte auch der Käuferstreik an der Wall Street. Bis zur Schlussglocke vom Montag verlor der Dow Jones 2,5 Prozent oder 248 Punkte auf 9618 Punkte - der größte Tagesverlust seit dem 29. Oktober vergangenen Jahres.
Am härtesten erwischte es die Williams Companies, deren Aktie um 22 Prozent einbrach. Wie Enron ist Williams aus dem Geschäft mit Gas-Pipelines hervorgegangen. Der Absturz der Aktie kam, nachdem das Unternehmen von rund 2,4 Milliarden Dollar an "unerwarteten" Kosten berichtete, die durch ein bereits abgespaltetes Unternehmen, Williams Communications, verursacht wurden. Auch an normalen Börsentagen hätte eine solche Meldung für große Unruhe gesorgt. Angesichts des Enron-Skandals und der Pleiten von Kmart und Global Crossing wirken Ungereimtheiten in der Bilanz derzeit wie Todesurteile für den jeweiligen Aktienkurs.
Robert Kuttner, Kommentator der "Business Week", kann gar nicht hoch genug greifen, um die Schrecken der Megapleite zu beschreiben: "Enron ist für Marktgläubige das, was der 11. September für Politiker war. Ein sehr teurer Weckruf", schreibt der Ökonom.
Und Paul Krugman, einer der angesehendsten Ökonomen des Landes, prophezeite gar, dass sich im historischen Rückblick das Enron-Desaster als viel schlimmer erweisen werde, als die Terroranschläge gegen das World Trade Center. Selten zuvor wurde das Vertrauen der Amerikaner in ihre Wirtschaft, ihre Konzerne, ihre Manager so enttäuscht. Hunderttausende sind schockiert, mit welchen Tricks in den Chefetagen gearbeitet wurde, wie Anleger hinters Licht geführt wurden. Noch vor zwei Jahren sahen viele in der Börse einen Rettungsmechanismus für die notleidende Altersversorgung, nun sind die kühnen Träume endgültig zerstoben.
Wirtschaftsprüfer und Buchhalter stehen momentan unter Generalverdacht, Geschäftsbeziehungen zu vermeintlichen Schandtätern werden reihenweise abgebrochen. Die Chefs von Arthur Andersen, einer der größten Beratungskonzerne weltweit und Buchprüfer von Enron, kämpfen ums Überleben. Treue Großkunden wie Delta Airlines, seit mehr als 50 Jahren bei Andersen unter Vertrag, haben laut "Wall Street Journal" das Vertrauen verloren.
Die Schockwelle, die der Zusammenbruch des einstigen Shootingstars Enron ausgelöst hat, wird aber auch Firmen erfassen, die nicht unmittelbar in die Machenschaften von Enron-Chef Kenneth Lay verwickelt waren.
JP Morgan Chase: Köpfe werden rollen
So müssen nun die Banker büßen, die sich zu Glanzzeiten kräftig für Enron-Chef Lay ins Zeug gelegt haben. Die Investmentbank JP Morgan Chase beispielsweise muss nach eigenen Angaben rund 2,6 Milliarden Dollar abschreiben. Erst kürzlich entdeckten die Banker ein Milliardengrab. Bei einer Offshore-Firma namens Mahonia, die JP Morgan zu 49 Prozent gehört, steht Enron noch mit knapp einer Milliarde Dollar in der Kreide. Peinlich ist, dass das Finanzloch zunächst gar nicht auffiel und den Aktionären per nachträglicher Korrektur mitgeteilt werden musste. Ein führender Mitarbeiter der Bank sagte dazu gegenüber der "Financial Times": "Bald werden im Vorstand Köpfe rollen". Auch an der Wall Street musste die Bank am Montag kräftig Federn lassen, der Kurs fiel um 6,6 Prozent zurück. Zweifel an Bilanzierungspraktiken rissen den gesamten Bankensektor in die Tiefe: Die Aktien von Merrill Lynch fielen 7,5 Prozent, Citigroup verloren 5,3 Prozent.
Unangenehme Zeiten stehen aber auch den Firmen bevor, die ähnlich wie Lay und sein Team in die Kiste der Finanztricks gegriffen haben. Ein beliebtes Spiel der Enron-Mannschaft war es, verlustbringende Geschäfte und Schulden in formal selbständigen Firmen zu verstecken. Nach den amerikanischen Buchhaltungsvorschriften aus dem Jahre 1959 gilt ein Unternehmen schon dann als selbstständig, wenn drei Prozent des Kapitals von außenstehenden Investoren eingezahlt wird. Die Folge: Die Verluste und Schulden der Firma verschwinden aus der Bilanz des Mutterunternehmens. Aktionäre haben somit keine Chance mehr, die wirkliche Finanzsituation des Unternehmens zu ergründen.
Die Enron-Finanzjongleure trieben es mit über 4000 solcher so genannter Special Purpose Entities wohl etwas weit, doch auch andere US-Firmen nutzen laut "Business Week" solche Finanz-Vehikel. So präsentierte beispielsweise UAL, die Konzernmutter von United Airlines, in ihrer Bilanz des Jahres 2000 einen Bestand langfristiger Schulden von rund fünf Milliarden Dollar. Nach Ansicht von Philip Baggaley von Standard & Poors kommen aber noch einmal 12,7 Millarden Dollar dazu, wenn man die Leasing-Verträge einbezieht, die für 26 Jahre auf 233 Flugzeuge abgeschlossen wurden. Diese sind in der Bilanz nur mit einer kleinen Fußnote erwähnt. "Jeder, der in dieser Industrie arbeitet, weiß, dass der wahre Schuldenstand höher ist", so Baggaley. Nach seinen Berechnungen hat auch AMR, die Holding von American Airlines, rund 7,9 Milliarden Dollar an Leasingraten zu zahlen, die nirgendwo in der Bilanz auftauchen.