Die Geschichte klingt, als entstamme sie einem Spionage-Thriller. Ein Reporter hat in Afghanistan einen Computer erstanden, der offenbar engen Mitarbeitern Osama Bin Ladens gehörte. Auf der Festplatte finden sich Geheimnisse seiner Terror-Organisation: Pläne für Chemie-Waffen und die Ermordung politischer Gegner.
1100 Dollar für den bisher besten Einblick in die Mechanismen der al-Qaida? Sicher ein geringer Preis - und ein gefundenes Fressen für die US-Geheimdienste und das FBI.
Eben diese 1100 Dollar zahlte ein Reporter des "Wall Street Journal" einem Afghanen in Kabul, der brisantes Hi-Tech-Material von einem Plünderer abgegriffen hatte: Einen IBM-Computer und ein Compaq-Laptop. Wie sich später herausstellte, wurden die Geräte unter anderem von zwei der engsten Mitarbeiter Bin Ladens benutzt: Dem im November bei einem US-Bombenangriff getöteten Militärchef Mohammed Atef und Eiman el Zawahiri, vermutlich ebenfalls bei Bombenangriffen ums Leben gekommen. Er galt als Bin Ladens Chefstratege und rechte Hand.
Die Auswertung dieses und anderer Computer gibt Experten einen tiefen Einblick in die Organisation und Absichten der Terrororganisation al-Qaida. Geführt wurde die Terror-Gruppe offenbar wie ein Konzern: In verschiedenen Memos sprechen die Anhänger von "der Firma", nennen die Führung das "General Management".
Etliche Dateien dokumentieren das Alltagsgeschäft eines fast normalen Betriebes: Mitarbeiter bitten um Lohnvorschuss, andere bekommen Anweisungen, sich ein Haus für 30 Dollar Miete in Kabul zu besorgen oder sich auf ihren Reisen sparsamer zu verhalten. Auch die Vorlage für ein Türschild fand sich: "Dies ist ein Arbeitsplatz! Wer hier nicht arbeitet, soll bitte gar nicht erst eintreten. Dr. Eiman."
Andere Dokumente indes enthalten die kaltblütigen Anweisungen aus dem Innersten des Terror-Netzes: Anleitungen zum Bombenbau, Pläne zur Entwicklung von Chemiewaffen und die Vorbereitungen zur Ermordung des legendären Nordallianz-Führers Ahmed Schah Massud.
Massud war zwei Tage vor den Terroranschlägen in New York und Washington von einem Selbstmord-Attentäter ermordet worden, der sich als Journalist ausgegeben hatte. Nach Angaben der Zeitung wurde auf dem Rechner ein in höflichster Sprache geschriebener Brief an Massud mit der Bitte um ein Interview entdeckt. Kurz darauf tauchte der angebliche Journalist bei Massud auf und zündete seine Bombe.
Der Brief gehört den Angaben zufolge zu hunderten Dokumenten, die auf der Festplatte gefunden wurden. Der Computer sei offenbar über einen Zeitraum von vier Jahren von al-Qaida-Führern benutzt worden. Zu den Dokumenten auf dem Rechner gehören laut "Wall Street Journal" unter anderem:
- Dateien, die ein Projekt zur Entwicklung chemischer und biologischer Waffen beschreiben. Dieses Projekt trug den arabischen Codenamen "al Zabadi", "geronnene Milch". Mitgliedern der al-Qaida wurde empfohlen, ein "selbstgebrautes Nervengas" zu entwickeln. Offenbar wurde an die Terroristen eine umfangreiche Studie mit Leseliste verteilt, die den Titel "Gegenwärtige Konzepte: Napalm" trägt.
- Eine Video-Datei, die eine 23-minütige Ansprache Osama Bin Ladens zeigt, in der über den muslimischen Kreuzzug gegen Amerika spricht und die Angriffe des 11. September erwähnt. Auf einem weiteren Video scheint der Geistliche Scheich Abu Gaith im Namen von al-Qaida die Verantwortung für die Anschläge zu übernehmen, so das "Journal". Der Scheich sagt demzufolge: "Der allmächtige Allah hat unsere Brüder dazu ermächtigt, diese Angriffe auszuführen".
- Ein Memorandum, das als "juristische Studie" bezeichnet wird und sich mit dem "Töten von Zivilisten befasst". Der Autor gesteht ein, dass es sich hierbei um ein "vertracktes Problem" handelt und versucht Wege aufzuzeigen, Kinder und Frauen zu töten, ohne dass dies der Sache der al-Qaida schade.
- Ein Brief, in dem ein militantes al-Qaida-Mitglied mit dem Namen Abu Yasser betont, dass "Angriffe auf Amerikaner und Juden ein Ziel von hohem Wert" seien. Solcherart Anschläge würden von Gott in diesem Leben und im Jenseits belohnt, heißt es in dem Brief.
- Bau-Anleitungen für Bomben, die Tipps für die Konstruktion von Zeitzündern mithilfe von Weckern und Digitaluhren geben. Eine Tabelle gibt Hinweise darauf, welche Dosis Gift nötig ist, um Menschen verschiedenen Körpergewichts umzubringen.
© SPIEGEL ONLINE 2001
1100 Dollar für den bisher besten Einblick in die Mechanismen der al-Qaida? Sicher ein geringer Preis - und ein gefundenes Fressen für die US-Geheimdienste und das FBI.
Eben diese 1100 Dollar zahlte ein Reporter des "Wall Street Journal" einem Afghanen in Kabul, der brisantes Hi-Tech-Material von einem Plünderer abgegriffen hatte: Einen IBM-Computer und ein Compaq-Laptop. Wie sich später herausstellte, wurden die Geräte unter anderem von zwei der engsten Mitarbeiter Bin Ladens benutzt: Dem im November bei einem US-Bombenangriff getöteten Militärchef Mohammed Atef und Eiman el Zawahiri, vermutlich ebenfalls bei Bombenangriffen ums Leben gekommen. Er galt als Bin Ladens Chefstratege und rechte Hand.
Die Auswertung dieses und anderer Computer gibt Experten einen tiefen Einblick in die Organisation und Absichten der Terrororganisation al-Qaida. Geführt wurde die Terror-Gruppe offenbar wie ein Konzern: In verschiedenen Memos sprechen die Anhänger von "der Firma", nennen die Führung das "General Management".
Etliche Dateien dokumentieren das Alltagsgeschäft eines fast normalen Betriebes: Mitarbeiter bitten um Lohnvorschuss, andere bekommen Anweisungen, sich ein Haus für 30 Dollar Miete in Kabul zu besorgen oder sich auf ihren Reisen sparsamer zu verhalten. Auch die Vorlage für ein Türschild fand sich: "Dies ist ein Arbeitsplatz! Wer hier nicht arbeitet, soll bitte gar nicht erst eintreten. Dr. Eiman."
Andere Dokumente indes enthalten die kaltblütigen Anweisungen aus dem Innersten des Terror-Netzes: Anleitungen zum Bombenbau, Pläne zur Entwicklung von Chemiewaffen und die Vorbereitungen zur Ermordung des legendären Nordallianz-Führers Ahmed Schah Massud.
Massud war zwei Tage vor den Terroranschlägen in New York und Washington von einem Selbstmord-Attentäter ermordet worden, der sich als Journalist ausgegeben hatte. Nach Angaben der Zeitung wurde auf dem Rechner ein in höflichster Sprache geschriebener Brief an Massud mit der Bitte um ein Interview entdeckt. Kurz darauf tauchte der angebliche Journalist bei Massud auf und zündete seine Bombe.
Der Brief gehört den Angaben zufolge zu hunderten Dokumenten, die auf der Festplatte gefunden wurden. Der Computer sei offenbar über einen Zeitraum von vier Jahren von al-Qaida-Führern benutzt worden. Zu den Dokumenten auf dem Rechner gehören laut "Wall Street Journal" unter anderem:
- Dateien, die ein Projekt zur Entwicklung chemischer und biologischer Waffen beschreiben. Dieses Projekt trug den arabischen Codenamen "al Zabadi", "geronnene Milch". Mitgliedern der al-Qaida wurde empfohlen, ein "selbstgebrautes Nervengas" zu entwickeln. Offenbar wurde an die Terroristen eine umfangreiche Studie mit Leseliste verteilt, die den Titel "Gegenwärtige Konzepte: Napalm" trägt.
- Eine Video-Datei, die eine 23-minütige Ansprache Osama Bin Ladens zeigt, in der über den muslimischen Kreuzzug gegen Amerika spricht und die Angriffe des 11. September erwähnt. Auf einem weiteren Video scheint der Geistliche Scheich Abu Gaith im Namen von al-Qaida die Verantwortung für die Anschläge zu übernehmen, so das "Journal". Der Scheich sagt demzufolge: "Der allmächtige Allah hat unsere Brüder dazu ermächtigt, diese Angriffe auszuführen".
- Ein Memorandum, das als "juristische Studie" bezeichnet wird und sich mit dem "Töten von Zivilisten befasst". Der Autor gesteht ein, dass es sich hierbei um ein "vertracktes Problem" handelt und versucht Wege aufzuzeigen, Kinder und Frauen zu töten, ohne dass dies der Sache der al-Qaida schade.
- Ein Brief, in dem ein militantes al-Qaida-Mitglied mit dem Namen Abu Yasser betont, dass "Angriffe auf Amerikaner und Juden ein Ziel von hohem Wert" seien. Solcherart Anschläge würden von Gott in diesem Leben und im Jenseits belohnt, heißt es in dem Brief.
- Bau-Anleitungen für Bomben, die Tipps für die Konstruktion von Zeitzündern mithilfe von Weckern und Digitaluhren geben. Eine Tabelle gibt Hinweise darauf, welche Dosis Gift nötig ist, um Menschen verschiedenen Körpergewichts umzubringen.
© SPIEGEL ONLINE 2001