Hauptversammlung der Nürnberger Consors AG verlief zeitweise turbulent
Anteilseigner fühlen sich von neuem Großaktionär an Wand gedrückt - Negative Bilanz
NÜRNBERG – Nach zwei, drei Sätzen war es mit der Beherrschung vorbei: „Es ist ungeheuerlich, wie sie unser Geld kaputt gemacht haben, eine Katastrophe“, brüllte der Aktionär aus Franken den Consors-Vorständen und -Aufsichtsräten seine ganze Wut, Enttäuschung und Verzweiflung über das Saalmikrofon auf‘s Podium.
Wie er, haben sie alle viel, viel Geld verloren, die gestern zur Hauptversammlung des Nürnberger Discountbrokers in die Meistersingerhalle gekommen waren. 150 Euro war die Aktie des einstigen Superstars am Neuen Markt in Hoch-Zeiten einmal wert. Dann folgte der jähe Absturz auf unter acht Euro . Seit der Übernahme durch die Französische Großbank BNP Paribas und ihrer Wertpapier-Tochter Cortal dümpelt das Consors-Papier um 12,40 Euro herum – etwa der Preis, den die Franzosen den Kleinaktionären für ihre Consors-Papiere anbieten. „Marktführer in Sachen Geldvernichtung sind sie“, klagt ein Aktionär in beißender Ironie.
Vergeblich versuchen an diesem Tag der Consors-Chef Karl Matthäus Schmidt und der Europa-Chef des jetzt vereinten Direktbrokers CortalConsors, Olivier Le Grand, den Aktionären Perspektiven aufzuzeigen und sie von der Zukunftsfähigkeit des Wertpapierhandels via Internet zu überzeugen. Schmidt spricht davon, dass mit der Übernahme durch die BNP Paribas „ein Online-Broker entsteht, der groß genug ist, um europaweit profitabel zu arbeiten“ und er versprach, „mit dem Consors-Spirit und dem Esprit der BNP werden wir die europäischen Anleger begeistern“. Und CortalCon sors-Chef Le Grand pries das neue Unternehmen als „weiteren Baustein für das gemeinsame Haus Europa“.
Doch das überzeugt die Aktionäre nicht. Wie sollte es auch? Die aktuellen Geschäftszahlen sind viel zu derprimierend, als dass sie Aufbruchstimmung vermitteln könnten. Die Verluste nach Steuern haben sich im ersten Halbjahr 2002 gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum unter anderem wegen der drastischen Verringerungen der angesetzten Firmenwerte mit 159 Mio. Euro mehr als vervierfacht. Die Zahl der Transaktionen brach angesichts der schwachen Börsen um 40 Prozent ein, die Summe der Depotwerte und Einlagen schwand von 7,1 auf 5,8 Mrd. Euro .
Herausgedrängt?
Doch diese Zahlen an sich hätte einige Aktionäre wahrscheinlich gar nicht so sehr aufgebracht – der Marktkonkurrenz geht es nicht viel besser. Viele von ihnen fühlten sich aber schlichtweg vom neuen Großaktionär BNP, der inzwischen 91,55 Prozent der Anteile in Händen hat, an die Wand gedrückt. Die Franzosen wollen über 95 Prozent der Consors-Aktien erwerben und dann vermutlich die Möglichkeit nutzen, auch die restlichen fünf Prozent der Anteilseigner ganz legal aus dem Unternehmen zu drängen, um Consors aus dem Börsenhandel zu nehmen. „Was nützen uns denn die schönsten Zukunftspläne, wenn wir bald nicht mehr Aktionäre dieses Unternehmens sind“, fragte einer derer, die Consors treu geblieben sind.
Doch neben den Aktionären hat noch einer verloren: Karl Matthäus Schmidt, der Consors gegründet und gemessen am Börsenwert zur fünfteuersten Bank Deutschlands gemacht hat. „Ich war Unternehmer und bleibe Unternehmer“, liest Vorstand Karl Matthäus Schmidt bei der gestrigen Hauptversammlung mit montoner Stimme und ohne den Blick zu heben von seinem Redemanuskript ab – und es gibt viele im Saal, die am Inhalt dieser Worte zweifeln. Pfiffe werden laut, als Schmidt seine Bilanz des letzten Geschäftsjahres beendet. Keine Spur mehr von Aufbruchstimmung, kein Feuer der Begeisterung, das auf die Aktionäre hätte überspringen können. Der ausgezeichnete Consors-Gründer ist unter der Regentschaft der Franzosen nur noch Angestellter. „Für Sie heute wohl der schlimmste Tag“, zeigte selbst der Vertreter der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre „Respekt“ und Verständnis für die Lage von Schmidt, der jetzt neben Olivier Le Grand als Manager für das Deutschlandgeschäft zuständig ist.
Bei all der Verbitterung und Enttäuschung über die eigenen herben Kapitalverluste, vergaßen die kleinen Anteilseigner aber auch diejenigen nicht, die am meisten von dem katastrophalen Geschäftsrückgang betroffen sind: die „zwangsausgeschiedenen“ Mitarbeiter, wie es ein Redner formulierte. „Wir haben 95 Prozent und mehr unserer Consors-Kapitals verloren, aber was ist das schon gemessen an dem Verlust des Arbeitsplatzes auf seiten der Consors-Mitarbeiter“, hob der Stuttgarter Kleinaktionär unter dem Beifall der anderen Anteilseigner hervor – und das Mitgefühl der „Sharholder“ klang sogar ehrlich.
KLAUS WONNEBERGER