Kursturbulenzen nach Spekulationen über höhere Verluste als erwartet
T-Online will Anleger nicht enttäuschen
Der Internet-Provider T-Online hat im Geschäftsjahr 2000 einen Verlust von rund 130 Millionen Euro erwirtschaftet. Das liegt im Rahmen der Erwartungen. Gerüchte über höhere Verluste schickten den Kurs in den Keller
hz/tnt FRANKFURT/M. Spekulationen über höhere Verluste als erwartet haben wenige Tage vor der Bekanntgabe der T-Online-Zahlen für das Geschäftsahr 2000 für Aufregung gesorgt. Anleger befürchteten, dass die Darmstädter T-Online International AG am Mittwoch ein deutlich schlechteres Ergebnis vorlegen wird als das erwartete Minus von etwa 130 Mill. Euro. Daraufhin sackte der Aktienkurs der Telekom-Internettochter zeitweise um mehr als 10 % ab.
T-Online wird jedoch nach Angaben aus Unternehmenskreisen die bisherigen Gewinn- und Umsatzerwartungen erfüllen. Der Korridor dieser Erwartungen liegt danach bei einem Jahresumsatz zwischen 750 Mill. und 780 Mill. Euro. Der Verlust vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) beträgt den Angaben zufolge etwa 130 Mill. Euro – die Sondererlöse aus dem Börsengang der Online-Bank Comdirect, an der T-Online mit 21,3 % beteiligt ist, sind darin nicht berücksichtigt. Die Zahl der Kunden von T-Online liege bei 7,4 Millionen. Allerdings sei die Ergebnisentwicklung des Unternehmens im vierten Quartal hinter den ursprünglichen Prognosen zurückgeblieben, wie ein Analyst unter Verweis auf T-Online berichtet. Ein Telekom-Sprecher wollte diese Angaben weder bestätigen noch dementieren.
Europas größter Internetdienst will am Mittwoch vorläufige Zahlen zu Umsatz und Ergebnis vor Steuern und Abschreibung (Ebitda) des Geschäftsjahres 2000 bekannt geben – einen Tag nach der Bonner Konzernmutter Deutsche Telekom AG. 1999 hatte der Internet-Zugangsanbieter noch ein positives Ebitda von 17,6 Mill. Euro erzielt. Durch den Erwerb des französischen Online-Dienstes Club-Internet sowie die Einführung eines Pauschalangebots für die zeitlich unbegrenzte Internetnutzung – der so genannten Flatrate – rutschte T-Online im vergangenen Jahr in die roten Zahlen.
Die meisten Analysten hatten ihre Prognosen bereits nach den enttäuschenden Neun-Monats-Zahlen nach unten revidiert. „Die revidierten Geschäftsprognosen für T-Online spiegeln eine gute Portion Pessimismus über die weitere Entwicklung des Unternehmens wider“, sagte Analyst Theo Kitz von Merck & Finck.
Selbst wenn die Zahlen am Mittwoch die Erwartungen erfüllen sollten, lassen sich die Zweifel vieler Experten an der Geschäftsstrategie des Internet-Providers so schnell nicht wegwischen. Die Analysten der Investmentbank Credit Suisse First Boston schätzen, dass T-Online im dritten Quartal für jeden Flatrate-Kunden, der sich über die herkömmliche Telefonleitung einwählt, monatlich zwischen 35 und 60 Euro draufgezahlt habe. Derzeit nutzen mehr als 500 000 Kunden dieses Angebot, das die Entwicklung des Ebitda auch weiterhin negativ beeinflussen werde. Die Bank stufte das Neue-Markt-Schwergewicht jüngst von „Kaufen“ auf „Halten“ zurück. Auch andere Bankhäuser sind skeptisch. „Über den künftigen Kurs besteht Unklarheit“, sagt Schroder Salomon Smith Barney-Analystin Nadja Schäufele. „Wir hatten bisher noch keine Gelegenheit, mit dem neuen T-Online-Chef zu sprechen.“
Seit dem 1. Januar lenkt der Ex-Marketing-Vorstand der Deutschen Bank 24, Thomas Holtrop, die Geschicke des Online-Anbieters. Auf erfahrene Vorstandskollegen muss Holtrop weitgehend verzichten: Fast der gesamte Vorstand wurde nach monatelangen Querelen von Telekom-Chef Ron Sommer ausgetauscht. Nur wenig länger als Holtrop stehen Burkhard Grassmann (Produkt und Marketing), Rainer Beaujean (Finanzen) und Veronica Altmeyer (Personal) an der Spitze des Konzerns. Allein Eric Danke (Technik) ist länger als ein Jahr im Führungsgremium. Bis Ende März soll das Management seine Pläne zur Umstrukturierung vorlegen.
HANDELSBLATT, Sonntag, 21. Januar 2001