Analyse Cinemedia von "Performaxx"
Produktion/Koproduktion
Besser als ihr Ruf
Trotz aller Ähnlichkeiten legen beide Unternehmen großen Wert darauf, nicht in einen Topf geworfen zu werden. Einen Vergleich müssen Cinemedia und Das Werk dennoch über sich ergehen lassen, schließlich handelt es sich bei den beiden um die einzigen großen, börsennotierten Postproduktionsunternehmen am Neuen Markt. Cinemedia ist in der TV- und Fernsehfilmnachbearbeitung führend, während Das Werk bei Werbefilmen die Nummer eins ist. Es gibt freilich auch im Postproduktionsbereich Konkurrenten, die aber entweder nicht an der Börse notiert sind wie ARRI oder ihre Hauptgeschäftsbereiche in anderen Feldern haben wie Splendid Medien. In der Postproduktion stehen die beiden Unternehmen in direktem Wettbewerb, in der Filmproduktion und im Lizenzhandel gibt es zusätzlich jede Menge anderer Konkurrenten. Um nur einige zu nennen, seien Advanced Medien, Constantin, Kinowelt, Senator oder Splendid Medien angeführt.
Cinemedia
Das in Grünwald bei München ansässige Unternehmen ging ursprünglich aus den 1911 gegründeten und für filmtechnische Dienstleistungen bekannten Geyer-Werken hervor und im Februar 1999 an den Neuen Markt. Der erste Kurs wurde bei 75 Euro fixiert, nachdem die Bookbuildingspanne 21 bis 25 Euro betragen hatte. Im Zuge des Börsengangs flossen dem Unternehmen 44 Mio. DM zu. Das Kapital verteilt sich aktuell zu 43% auf den Streubesitz, 17% hält Bavaria Film, 7% die Tele-München-Gruppe, die restlichen 33% werden von Mitgliedern der Gründerfamilie, des Vorstandes, des Aufsichtsrates, des Managements und institutionellen Investoren gehalten.
Die strategische Ausrichtung von Cinemedia erstreckt sich auf die Bereiche Postproduktion, Filmproduktion und Lizenzhandel sowie Media Solutions und Internet. Ende des 3. Quartals 2000 erwirtschaftete Cinemedia 65% ihrer Umsätze in der Postproduktion, 28% im Bereich Filmproduktion und die restlichen 7% in den neuen Geschäftsfeldern. Insgesamt wurde in den ersten neun Monaten 2000 ein Umsatz von 75 Mio. Euro erzielt, das entspricht einem Plus von 69% gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahres. Die Gesamtumsätze des Vorjahres wurden somit bereits leicht übertroffen.
Unter dem Begriff Postproduktion subsumiert man die Nachbearbeitung von Film- und Videomaterial. Dabei kann es sich um verschiedenste Arten von Film- und Videomaterial, wie z.B. Kinofilme, Werbefilme, Fernsehspielfilme oder Musikvideos handeln. In der Postproduktion besitzt Cinemedia in Deutschland im Bereich Kinokopien einen Marktanteil von 70%, bei Fernsehspielfilmen rund 50%. In diesem Segment der Postproduktion ist das Münchener Unternehmen damit die Nummer eins im deutschen Raum. Die Erstellung von Filmkopien, auf die derzeit noch ein Drittel der Postproduktionsumsätze von Cinemedia entfällt, verliert aufgrund der zunehmenden Digitalisierung rasch an Bedeutung. Auch die Nachbearbeitung von Werbeproduktionen ist ein wichtiger Umsatzträger. Cinemedia ist in der digitalen Postproduktion wie auch in der Bild- und Tonnachbearbeitung tätig. Die digitale Postproduktion trägt knapp 15%, die Bild- und Tonnachbearbeitung über 20% zu den Erlösen bei.
In der Postproduktion erwirtschaftet Cinemedia laut Unternehmensangaben deutlich zweistellige Renditen vor Steuern. Das organische Umsatzwachstum in der Postproduktion erwarten wir aufgrund der stetig steigenden Nachfrage durch das Zusammenwachsen der alten und der neuen Medien künftig bei rund 15% per anno.
Filmproduktion und Lizenzhandel sollen bis 2002 bereits rund 45% zum Gesamtumsatz des Unternehmens beisteuern. Neben der Eigenproduktion soll vor allem durch internationale, englischsprachige Koproduktionen die vorhandene Programmbibliothek ausgebaut werden. Cinemedia produziert hauptsächlich Nachrichtenmagazine, Game Shows und Non-Fiction-TV-Serien. Guten Abend RTL, Motobike oder Motor Vision sind einige der produzierten TV-Formate. Eine weitere Spezialisierung im Bereich der TV-Produktion ist die Konzeption und Kreation von Kinotrailern, Promotionspots für Fernsehsender und Industrieunternehmen oder Beiträge für das gemeinsame Business-TV zwischen der Deutschen Bank und Bankers Trust. Zusätzlich zur Filmproduktion folgte im Januar 2000 der Einstieg in den Lizenzhandel, wo Cinemedia vorerst die Rechte zur Verwertung von 16 Hollywood-Filmen mit einem Produktionsvolumen von 240 Mio. USD erwarb. Als Vermarktungspartner konnte Buena Vista, ein zu Disney gehörender Filmverleiher, gewonnen werden. Cinemedia besitzt die Filmrechte für den deutschen Sprachraum, Buena Vista bringt die Produktionen ins Kino. Mit Own2feet, einem britischen Kino- und Fernsehfilmproduzenten, wurde ein Vertrag zur Produktion von drei Kinofilmen mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 7,5 Mio. Euro abgeschlossen.
Die Internetpräsenz von Cinemedia wird wesentlich durch eine Mehrheitsbeteiligung von 95% an Film.de geprägt. Dort findet sich ein umfassendes Consumer-Portal mit Informationen, Unterhaltung, Kommunikation und Shopping rund um das Thema Film. Film.de profitiert durch eine Kooperation mit Filmbazaar.com. Im Rahmen der Vereinbarung hat Film.de die exklusiven Rechte an allen Inhalten von Filmbazaar.com für den deutschsprachigen Raum. Im Gegenzug erhält das US-Unternehmen Zugriff auf Marktinformationen und Filmbesprechungen der deutschen Filmbranche. Monatlich erzielt die Webpage mehr als 2 Mio. Page-Impressions. Mittelfristig soll das Angebot in Richtung Pay-per-View ausgebaut werden, der Kunde wird für die angebotenen Kurzfilme oder Videos zahlen müssen. Der Aufbau von Informations-, Reservierungs- und Ticketingaktivitäten über Mobiltelefone steht im Zentrum des Geschäftes der Cinemedia WAP GmbH.
Ende Oktober dieses Jahres erwarb die Tele-München-Gruppe eine Minderheitsbeteiligung im Ausmaß von 7% an Cinemedia. Die beiden Unternehmen pflegten bereits seit längerem Geschäftsbeziehungen im Bereich der Postproduktion. Durch die Beteiligung wird die bisherige Zusammenarbeit verstärkt. Das gemeinsame Arbeitsziel ist von der weiteren Digitalisierung der Filmbranche und dem Aufbau eines Electronic Cinema geprägt. Um ein führendes Systemhaus im Electronic Cinema zu werden, investiert Cinemedia in den nächsten fünf Jahren einen dreistelligen DM-Millionenbetrag in diesen neuen Geschäftsbereich. Auch der Erwerb des auf Medienlösungen spezialisierten Betriebes Gahrens + Battermann zielt darauf ab, dem Kunden Electronic Cinema als wirtschaftliche Gesamtlösung von der Aufnahme, über die Postproduktion, Übertragung, Projektion und Speicherung anbieten zu können.
Die Zahlen
In den ersten neun Monaten 2000 verzeichnete Cinemedia einen Anstieg der Konzernumsätze um 69% auf 75 Mio. Euro. Im Bereich der Postproduktion war der Umsatzanstieg durch das vorwiegend organische Wachstum der Geyer-Werke bedingt. Filmproduktion und Lizenzhandel wuchsen hauptsächlich aufgrund von Akquisitionen. Das EBIT lag nach den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres bei 4,7 Mio. Euro, was beinahe eine Vervierfachung gegenüber dem Vergleichszeitraum bedeutet. In diesem EBIT sind bereits Firmenwertabschreibungen in Höhe von 2,1 Mio. Euro inkludiert. Der Jahresüberschuß betrug 1,5 Mio. Euro, ein prozentualer Anstieg von 278% gegenüber den ersten neun Monaten des Vorjahres. Damit ist auch der Jahresüberschuß des Gesamtjahres 1999 bereits um knapp 30% übertroffen.
Bis September dieses Jahres konnte Cinemedia den Anteil der Personalkosten gemessen an den Gesamterlösen von 42% auf 37% und die sonstigen Aufwendungen von 16% auf 14% des Umsatzes reduzieren. Zugleich nahmen die Aufwendungen für Material von 30% auf 32% zu. Personal- und Materialkosten sind prozentual gesehen die beiden größten Kostenträger. Wir beurteilen den Versuch der Verbesserung der Kostenstruktur positiv. Negativ sehen wir hingegen die Abnahme der liquiden Mittelbestände, die sich gegenüber der Vergleichsperiode beinah halbiert haben und 10,2 Mio. Euro betragen. Zugleich stiegen die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten in den ersten neun Monaten von 6,6 Mio. Euro auf 30,2 Mio. Euro an. Der Großteil dieser Summe wird mittelfristig fällig. Daraus resultiert im laufenden Geschäftsjahr bislang eine Abnahme der liquiden Mittel um 8,7 Mio. Euro bzw. 46%. Die Verringerung der liquiden Mittel steht in ursächlichem Zusammenhang mit den im Jahresablauf getätigten Investitionen bzw. Akquisitionen. Immerhin hat Cinemedia verstanden, ihr Geld gewinnbringend zu investieren. Der Cash-flow aus dem operativen Geschäft stieg in den ersten neun Monaten des Jahres um knapp 75% auf 13,8 Mio. Euro. Die Fähigkeit, Cash zu generieren, ermöglicht dem Unternehmen laufende Investitionen in das Sachanlage- oder Umlaufvermögen durchzuführen, ohne die Verschuldung weiter zu erhöhen. Das Unternehmen weist eine ausreichende Eigenkapitalquote von 33% aus, die Eigenkapitalrendite ist mit 8% als gut zu bezeichnen. Der ROI (Return on Investment) betrug 2,5% und gibt unabhängig von der Finanzierung Aufschluß über die Effizienz des eingesetzten Kapitals. Dieser Wert ist nicht besorgniserregend, könnte allerdings höher sein. Eine Gesamtbetrachtung von Cinemedia zeigt ein finanziell stabiles Unternehmen, das auf der Ertragsseite stärker werden muß. 1999 erwirtschaftete die Mediengruppe einen Umsatz von 96.000 Euro je Mitarbeiter.
Bedeutsam für den weiteren wirtschaftlichen Erfolg von Cinemedia wird vor allem das Anfang 2000 gekaufte Paket von 16 Hollywoodfilmen sein, das sich aus sieben Kino- und neun TV-Filmen zusammensetzt. Für die Rechte am deutschsprachigen Markt hatte Cinemedia zwischen 12% und 14% der Produktionskosten in Höhe von 240 Mio. USD zu bezahlen, das waren zwischen 28 und 35 Mio. Euro. Das ist somit rund ein Viertel des Umsatzes in diesem Geschäftsjahr. Ob die Refinanzierung der hohen Investitionskosten erfolgreich sein wird, läßt sich derzeit aber nicht abschätzen, da momentan erst der erste und mit Kosten von 85 Mio. USD auch teuerste Film des Pakets gerade erst in den amerikanischen Kinos angelaufen ist. Der Erfolg von What Women Want, mit den Stars Mel Gibson und Helen Hunt, in den amerikanischen Kinos wirkt sich aber beträchtlich auf die erzielbaren Erlöse auf dem deutschen Markt aus. Die Qualität der Filme ist unserer Einschätzung nach gut, doch hohe Produktionskosten bedeuten nicht immer auch hohe Einspielerlöse.
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Ewige Rente
Umsatz (in Mio.) 120,0 150,0 187,5 234,4 281,3 337,5 388,1 426,9
Rendite 2,0% 2,0% 2,5% 3,0% 3,5% 4,0% 4,0% 4,0%
EpS 0,56 0,70 1,09 1,64 2,29 3,14 3,61 3,97 36,83
Fairer Wert bei Abzinsung der Gewinne mit 13%: 22,43 Euro
Der Ertragswert von Cinemedia. Angaben in Euro.
Bei der Berechnung des Ertragswertes betrachten wir bei Cinemedia und bei Das Werk lediglich die Zahlenreihe 2000 bis 2007, da bislang noch zu keinem der beiden Unternehmen Vorabergebnisse des Geschäftsjahres 2000 vorliegen. Bei Cinemedia gehen wir von Umsatzzuwächsen aus, die von 25% in den nächsten drei Jahren kontinuierlich auf 10% in 2007 sinken sollen. Das Wachstum soll also in erster Linie organisch erfolgen, mögliche Akquisitionen werden in unserer Modellrechnung nicht berücksichtigt. Die Nettoumsatzrendite wird unserer Ansicht nach mittelfristig ansteigen, da die hohen Investitionskosten, die derzeit für den Einstieg in die Filmproduktion und in den Lizenzhandel sowie in die neuen Medien erforderlich sind, wegfallen werden. Somit wird das Unternehmen höhere Margen erzielen. Der hohe Diskontierungssatz der künftigen Gewinne von 13% begründet sich in der nicht vorhandenen Erfahrung Cinemedias im Handel und der Produktion von Filmen, die einen beträchtlichen Risikofaktor darstellt.
Das Ergebnis des Ertragswerts zeigt, daß Cinemedia derzeit sehr günstig bewertet ist. Der unter den obigen Annahmen errechnete faire Wert von 27,50 Euro liegt um das fast dreifache über dem derzeitigen Börsenkurs. Wir erachten bei Cinemedia aufgrund der beschriebenen Unsicherheiten im Produktionsbereich und der keinesfalls überragenden Kennzahlen einen Abschlag als gerechtfertigt, aber nicht in dieser Höhe. Auch das KGV 01 von 15 und das KGV 02 von 12 sowie das KUV 01 von 0,30 und das KUV 02 von 0,24 sprechen für eine klare Unterbewertung des Unternehmens. Die PEG-Ratio besagt, daß ein Unternehmen bei einem Wert von 1 fair bewertet ist, wenn das erwartete zukünftige, mittelfristige Gewinnwachstum dem KGV entspricht. Bei Cinemedia beträgt die PEG-Ratio jedoch nur mehr 0,25. Der Titel ist somit chancenreich.