Das Krokodil
Als ich den Amazonas hinabfuhr, gesellte sich ein Krokodil zu mir ins Ruderboot und erbot sich, an Hundes Statt mit mir zu kommen. Obwohl es schauerlich grün war und schlechte Zähne hatte, die zu einem penetranten Mundgeruch führten, ging ich auf seinen Wunsch ein und nahm es mit in meine Heimat.
Es zeigte sich zwar schon nach kurzer Zeit, daß ich allgemein beneidet wurde – denn wer geht schon zweimal täglich mit einem Krokodil Gassi –, daß aber die Unterhaltskosten für das Krokodil beträchtlich über denen eines Hundes oder gar einer Frau lagen. Schuld daran war nicht so sehr der unmäßige Verzehr von Hornochsen, wie sie zuhauf auf unseren Straßen verkehren, als vielmehr die Neigung des Krokodils zu Plauderstündchen im Marktcafé, wo es literweise Erdbeermilchshakes aussaugte und Apfelpfannekuchen vertilgte und überdies in wohlgesetzten Worten über stadtbekannte Personen wie den Kritiker I. oder den Politiker P. herzog, was jene unverzeihlich fanden, weshalb ihnen mein Krokodil schon bald einem roten Tuch glich, gegen das sie heftig anschnaubten.
Ich tat alles, um den lieben Frieden zu wahren oder wenigstens wiederherzustellen, gab das Krokodil gar einem rüstigen Schuhplattler in die Lehre, der sich allerdings bereits nach wenigen Tagen über die Unlust des Krokodils auf fachmännisches Platteln mokierte und es nicht mehr sehen wollte, bemühte mich sodann, ihm die englische Literatur des 19. Jahrhunderts schmackhaft zu machen, durch die es sich jedoch nur mühsam und unter großer Selbstaufopferung hindurchkaute; als dann auch noch ruchbar wurde, daß die Schneiderin S., ein hübsches, aber unerfahrenes Ding, Grünlinge zur Welt gebracht hatte, halfen weder mein Ansehen noch meine Petitionen an den Stadtrat weiter: das Krokodil mußte weg.
So verkaufte ich es denn zu einem guten Preis an den Bauunternehmer B., welcher aus dem Krokodil eine Handtasche für seine Frau anfertigen ließ, die ihr nicht einmal schlecht steht.