Freitag, 28. September 2001
Gewinnwarnung?
DaimlerChrysler stellt Prognosen in Frage
DaimlerChrysler:710000
(Reuters) - Nach den Anschlägen in New York und Washington stellt der Autokonzern DaimlerChrysler seine Gewinnerwartungen für das Gesamtjahr in Frage, obwohl die Sanierung der angeschlagenen US-Tochter Chrysler schneller als geplant vorankommt.
Das Erreichen eines operativen Gewinns von 1,2 bis 1,7 Milliarden Euro sei "mit einem Risiko behaftet", teilte der Konzern am Freitag in Stuttgart mit. Derzeit sei es aber noch nicht möglich, die Höhe dieses Risikos einzuschätzen. Am späten Donnerstagabend hatte der Aufsichtsrat zudem den Vertrag von Vorstandschef Jürgen Schrempp vorzeitig verlängert. Der Aktienkurs reagierte in einem festen Marktumfeld zunächst mit starken Schwankungen, zog dann aber kräftig an.
Neben den Problemen bei Chrysler hat der drittgrößte Autohersteller der Welt derzeit mit Verlusten der US-Lkw-Tochter Freightliner und des japanischen Partners Mitsubishi Motors zu kämpfen. Wegen der erwarteten Folgen der Anschläge auf das World Trade Center und das US-Verteidigungsministerium waren zuletzt Spekulationen aufgekommen, Chrysler könne möglicherweise nicht so früh wie geplant die Gewinnschwelle erreichen. In den Tagen nach dem Anschlag war der Autoabsatz in den USA eingebrochen. Analysten rechnen damit, dass die Nachfrage im September um bis zu ein Fünftel gesunken ist. Einen Ausblick für die Entwicklung der Märkte für den Rest des Jahres wollte DaimlerChrysler am Freitag nicht geben. Insbesondere für die USA, aber auch für die anderen wichtigen Märkte von DaimlerChrysler, sei dies nun schwerer geworden. Nach Angaben des Unternehmens ist es noch zu früh, um bereits jetzt hinreichend genau den Einfluss der Anschläge auf den Absatztrend im Konzern sowie auf die finanzelle Entwicklung für das Gesamtjahr als auch das nächste Jahr zu beziffern.
Nach den Anschlägen haben viele Analysten ihre Prognose für den US-Markt für 2001 um rund 500.000 Fahrzeuge auf 16 Millionen Stück gesenkt. Für 2002 erwarten sie einen nochmaligen Rückgang auf 14,8 bis 16 Millionen Fahrzeuge. Als Rahmenbedingung für die Sanierung von Chrysler, zu der auch der Abbau von 26.000 Arbeitsplätzen zählt, hatte der Konzern ein Volumen des US-Automarkts 2001 und 2002 von je etwa 16 Millionen Fahrzeugen genannt. Zudem war für Chrysler 14 Prozent Marktanteil angepeilt worden. Analysten sagten, es sei tatsächlich noch zu früh für genauere Schätzungen. Die Auslieferungen von Chrysler im September würden voraussichtlich sinken. Es sei aber völlig unklar, ob dies nachhaltig sein werde oder nicht. Einige der Käufe, die in den vergangenen Wochen zurückgestellt worden seien, würden vermutlich bald nachgeholt.
Der Aktienkurs reagierte zunächst mit starken Schwankungen und lag zeitweise deutlich im Minus, notierte am Nachmittag aber mit 32,40 Euro 4,5 Prozent fester als am Donnerstag. Seit dem Tag der Anschläge am 11. September hat die Aktie aber immer noch rund 30 Prozent an Wert verloren. Damit seien nun die Folgen der Anschläge für die Zurückhaltung der Verbraucher eingepreist, sagten Analysten.
DaimlerChrysler gab zugleich bekannt, im dritten Quartal werde die bisherige Planung beim operativen Gewinn ohne Einmaleffekte übertroffen. Begründet wurde dies mit einer besser als erwarteten Entwicklung bei Chrysler. Darin schlügen sich die umfassenden Maßnahmen zur Verbesserung der Profitabilität und der Effizienz bei der Chrysler nieder, mit denen Absatzrückgänge insbesondere gegen Ende des Quartals mehr als ausgeglichen worden seien. Schon Ende Juli habe DaimlerChrysler anlässlich des Berichts zum zweiten Quartal darauf hingewiesen, dass auf Grund der saisonalen Schwankungen in der Autoindustrie für das dritte Quartal mit niedrigeren Ergebnissen gerechnet werde als für das zweite Quartal (725 Millionen Euro). Dennoch werde DaimlerChrysler auch im dritten Quartal einen positiven Operating Profit ohne Einmaleffekte erzielen, der die bisherige Planung sogar übertreffen werde. Der bereinigte operative Gewinn für das dritte Quartal 2000 hatte 540 Millionen Euro betragen.
Der Aufsichtsrat von DaimlerChrysler hatte am Donnerstag den Vertrag mit Vorstandschef Jürgen Schrempp und dem für das Pkw-Geschäft der Marken Mercedes/Smart zuständigen Vorstand Jürgen Hubbert bis zur Hauptversammlung im April 2005 verlängert. Der 57-jährige Schrempp steht seit 1995 an der Spitze des Stuttgarter Konzerns und hat die Fusion mit dem US-Autohersteller Chrysler eingeleitet, die 1998 vollzogen wurde. Gleichzeitig gab der Aufsichtsrat in seiner Sitzung in Auburn Hills in den USA dem DaimlerChrysler-Vorstand volle Rückendeckung für seine Strategie. Nachdem Chrysler im vergangenen Jahr in eine tiefe Krise geraten war, war auch Kritik an Schrempp laut geworden. Ebenfalls am Freitag richtete DaimlerChrysler ein "Chairman's Council" ein, die Elemente der amerikanischen und europäischen Unternehmensführung kombinieren soll. Das Gremium soll von Schrempp geleitet werden.