90 % Ihrer Realität ist Illusion

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Pantani:

90 % Ihrer Realität ist Illusion

 
16.02.06 19:56

Donnerstag, 16. Februar 2006

90 % Ihrer Realität ist Illusion!

von Jochen Steffens

Göttlich, einfach göttlich. Einer der mächtigsten Männer dieser Welt hat gestern seine Stimme erhoben und zwar vor dem Finanzausschuss des Kongress. Was gestern und insbesondere heute folgt ist ein Festfressen.

Ein Festfressen für die Bullen und Bären. Jeder, so scheint mir, versucht aus der Rede etwas zu machen, was in seinen ganz persönlichen Kram passt. Da zeigte sich zum Beispiel Ben Bernanke besorgt über das amerikanische Haushaltsdefizit und warnte davor, dass Freddy Mac und Fannie Mae Portfolios eine Gefahr für die US-Finanzstabilität sein könnten. Herrlicher Stoff für die Bärenträume.

Auf der anderen Seite sieht Ben Bernake in der inversen Zinsstruktur kein Signal für einen Abschwung in den USA, ganz im Gegenteil, er befürchtet sogar eine Überhitzung der US-Konjunktur: Ich höre schon den einen Bullen aufgeregt in die Seite des anderen knuffen: "Siehste, siehste – hab ich's doch gesagt!" – Bullenträume.

Ein Non Event?

Geht man ein wenig auf Distanz zu der Rede, dann muss man leider feststellen, dass Ben Bernanke eigentlich das gemacht hat, was zu erwarten war: Nichts! Er hat einfach die Politik, sogar die Aussagen von Alan Greenspan übernommen. Alles andere wäre auch wahnsinnig gewesen. Mit anderen Worten, es gibt gar keinen neuen Stoff für Bären wie Bullen – fast keinen.

Das veranlasste dann einige dazu, entweder zu behaupten, Bernanke wisse gar nicht wovon er da rede, bis hin zur Überleitung auf "Nebenkriegsschauplätze" – die Rede wird kaum erwähnt, aber das und dieses und jenes, das wird die Weltwirtschaft in die Knie zwingen.

Das Eigentliche liegt gewohnt versteckt

Ich bin ganz froh, denn nicht der Inhalt, sondern das, was Ben Bernanke gestern gemacht hat, war bullish: Er hat den Märkten das gegeben, was die Märkte lieben: Kontinuität und Verlässlichkeit, also das Gegenteil von Unsicherheit und Chaos, in dem er kaum von Alan Greenspans Vorgaben abgewichen ist.

Auch, dass er den kritischen Passus bezüglich des aktuellen US-Haushaltsdefizits von Alan Greenspan übernommen hat, ist einfach nur ein Hinweis darauf, dass auch er sich nicht der Politik beugen will und sich eben nicht zu einer Spielfigur der amerikanischen Regierung machen lassen wird (zumindest nicht mehr als Greenspan es vorher war).

Das Ende einer Unsicherheit

Für mich ist die Rede ein deutliches Zeichen, dass er entgegen einiger Befürchtungen sehr wohl auf die Reaktion der Märkte achten wird und die Gefahren richtig einzuschätzen weiß (etwas anderes hätte mich auch verwundert). Sie können also sein metaphorisches Gepolter, z.B. seine Aussagen über US-Dollars unters Volk werfende Hubschrauber, geflissentlich in die Vergangenheitsschachtel verpacken und diese dann verlegen. Wenn er überhaupt die US-Notenbankpolitik verändern will, dann ist seit gestern klar, dass er es sehr gefühlvoll und natürlich sehr langsam machen wird. Das ist die eigentliche Aussage, die hinter dieser Rede steht – nicht mehr und nicht weniger.

Immer wenn eine Unsicherheit aus dem Markt genommen wird, ist das bullish. Aus diesem Grund ist die Rede leicht bullish zu werten, das hat der US-Markt auch durch seine zum Schluss hin ansteigenden Kurse umgesetzt. Das war es, damit ist das Thema gegessen, und wie immer an den Börsen gilt: Keine Rede ist älter, als die von gestern.

Zu den Zinsen hat sich Ben Bernanke ebenfalls ähnlich wie Greenspan geäußert, es wird noch eine Zinserhöhung geben, angesichts der Gefahren durch die Inflation hat er aber auch auf der anderen Seite keine weiteren Zinserhöhungen ausgeschlossen.

Die große Gefahr der Bullen- oder Bären-Selektion

Wenn Sie an den Börsen Erfolg haben wollen, müssen Sie bei sich und besonders bei all den anderen Börsianern ein psychologisches Manko des menschlichen Verstandes erkennen lernen: Die selektive Wahrnehmung.

Leider neigen wir alle dazu, uns unsere Welt so zu gestalten, wie sie unseren Geschichten, die wir über uns und die Welt erzählen, entsprechen.

So wird ein Perma-Bär in allem was er liest, sieht und hört im schlimmsten Falle ausschließlich nur das Negative herauslesen, das Positive wird er einfach ausblenden, tatsächlich nicht wahrnehmen (siehe zum Beispiel Bill Bonner und Co).

Der eingefleischte Bulle wird hingegen alle Gefahren, alles Negative und Belastende überlesen und ignorieren. Er wird nur den Menschen zuhören, die ihn in seiner Meinung bestätigen, alle anderen wird er höhnisch belächeln.

90 % Ihrer Realität ist Illusion!

Es ist unglaublich, wie weit diese selektive Wahrnehmung die Realitäten verändern kann. Wenn Sie sich damit beschäftigen (zum Beispiel mit den Theorien zum radikalen Konstruktivismus etc.) werden Sie erkennen, wie wenig Realität in unseren Gehirnen tatsächlich stattfinden. Ca 90 % sind reine Phantasie, Illusion, nichts mehr! Die restlichen 10 % sind die Reize der Realität, welche diese Phantasien anregen.

Das führt zu den seltsamsten Auswüchsen.

Bullen und Bären mögen sich nicht

Ganz unbewusst werden Menschen, die eine ähnliche Einstellung haben, als sympathisch eingestuft, als intelligenter, als "bewandert". Menschen, die eine andere Meinung vertreten, als unsympathisch, wenig helle, etc. Das führt jedoch an den Börsen dazu, dass Bullen lieber mit Bullen reden und sich damit von der Realität zunehmend ausgrenzen. Das gleiche gilt für die Bären.

Die meisten von uns wissen das sogar, wer aber ist in der Lage sich davon zu befreien?

Sie müssen sich davon befreien, wenn Sie an der Börse Erfolg haben wollen, aber nicht nur das. Sie müssen die bearishen Analysten als "gefärbt" erkennen, ebenso wie die bullishen Kollegen. Dann müssen Sie darüber hinaus noch in der Lage sein, sich aus all den netten Angeboten sich eine Meinung zu bilden, die Meinung heraus zu suchen, die am wahrscheinlichsten ist.

Der Verstand liebt "Probleme"

Theoretisch – Praktisch ist das totaler Quatsch. Denn das Börse/Wirtschaft/Politik-Geflecht ist viel zu komplex für die kleinen, bescheidenen Fähigkeiten unseres Gehirns. Und das allerschlimmste ist: Gerade die Theorien, die Ihren Intellekt am meisten reizen, die mit anderen Worten am überzeugensten erscheinen, sind oft die falschen! Der Intellekt liebt geradezu Verzwickungen, Verschwörungen, das Spiel mit der Macht und der Intrige, nicht umsonst lieben wir Krimis, Thriller, etc.

Aber die Wirklichkeit sieht oft viel einfacher aus. Meistens ist sie wesentlich simpler. Auch die Börse ist vergleichsweise simpel – aber dazu müssen Sie lernen durch das Rauschen dieser ganzen Bullen- und Bärenargumente hindurchzusehen und das ist wiederum viel schwieriger, als man sich vorstellt.

Und selbst wenn Sie das alles wissen, glauben Sie mir, es ist wahnsinnig schwer, nicht auf die ein oder andere Einladung zu einer netten überzeugenden Theorie reinzufallen. Ich weiß von mir, dass ich das nicht kann und oft genug in die Fallen des Intellekts tapse.

Der Markt ist der einzige, der Recht hat!

Deswegen bilde ich mir zwar Meinungen, erstelle Thesen, entwerfe Konzepte aber schlussendlich achte ich darauf, was der Markt macht und bin immer wieder gerne bereit, meine "ach so genialen Theorien" von heute auf morgen über Bord zu werfen, wenn der Markt mir einfach zeigt: Junge, du hast einfach Unrecht!

Ich würde mir wünschen, dass so manch einer der Analysten mal ein wenig über seinen Bären- wie Bullenhorizont hinausschaut, seine eigene Meinung etwas weniger ernst nehmen würde und mit einem Lächeln zu der eigentlichen Erkenntnis der Börsen kommen würde:

Ich weiß, dass ich nichts weiß, aber ich mache entschlossen mit!

In diesem Sinne

Ihr

Jochen Steffens

P.S. Der Dow ist gerade dabei, nachhaltig die 11.000 Punkte Marke zu überwinden. Heute werden sich die größeren Adressen positionieren, schauen wir, ob der Dow sich dort halten kann.

Pantani:

US-Konjunkturdaten

 
16.02.06 20:07

Donnerstag, 16. Februar 2006

US-Konjunkturdaten

von Jochen Steffens

Die Zahl der Wohnbaubeginne liegt bei 2,276 Mio ... Erwartet wurden 2,023 bis 2,040 Mio. Baubeginne.

Die Zahl der Wohnbaugenehmigungen liegt bei 2,217 Mio ... Erwartet wurden 2,060 bis 2,068 Mio. Baubeginne nach zuvor 2,068 Mio. (revidiert von 2,075 Mio.).

So platzt keine Immobilienblase, wirklich nicht ...

Die Exportpreise sind insgesamt um 0,7 % gestiegen nach zuvor +0,1 %

Die Importpreise sind um 1,3 % gestiegen nach zuletzt -0,1 % (revidiert von -0,2 %).

Letzteres heizt die Inflationssorgen wieder etwas an und damit die Zinserhöhungssorgen.

Ohne Öl sind die Einfuhrpreise um 0,2 % geklettert nach zuvor +0,1 % (revidiert von +/-0,0 %).

Aber hauptsächlich ist der Ölpreis dafür verantwortlich!

Die Zahl der Erstanträge ist auf 297.000 gestiegen. Erwartet wurden 280.000 bis 285.000 neue Anträge nach zuvor 278.000 (revidiert von 277.000).

Immer noch unter 300.000 aber ein leichter Anstieg, das kann mit dem schlechten Wetter im Osten der USA zusammenhängen, darf also nicht überbewertet werden.

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