Freitag, 3. Juni 2005
Woher kommen all die Millionäre?
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
"Die Zahl der Millionäre erreicht einen neuen Höchstwert", schreibt das Wall Street Journal. Seit 1998 – als die Dotcom Blase fast den Höhepunkt erreicht hatte – sind nicht mehr so viele Leute reich geworden.
"Die Anzahl der amerikanischen Haushalte, die netto eine Million oder mehr wert sind, ist 2004 um 21 Prozent gestiegen, ergab eine Untersuchung der Spectrem Group, einer Firma aus Chicago, die sich mit der Erforschung des Reichtums beschäftigt", fährt der Artikel fort.
"Es gibt heutzutage 7,5 Millionen Millionärshaushalte in den Vereinigten Staaten, das bricht den Rekord von 1999, als es 7,1 Millionen solcher Haushalte gab. Die Studie schloss den Wert des ersten Wohnsitzes aus, zweite Häuser und andere Immobilien wurden erfasst.
"Eine weitere Studie von der Boston Consulting Group, auch Mitte der Woche veröffentlicht, fand heraus, dass Amerika weltweit immer noch die Spitzenposition besetzt, wenn es um die Schaffung neuer Millionäre geht. Die Anzahl der Haushalte, die mehr als 20 Millionen Dollar in verfügbaren Vermögenswerten haben, steigt im Jahr um 3.000 Haushalte."
Wieder einmal sehe ich mich mit Widersprüchen, einem Paradox oder einer schlichten Lüge konfrontiert.
Alles in allem ist die amerikanische Wirtschaft auf dem Abstieg. Sie "wächst". Aber dieses Wachstum ist ein Fortschritt am Abhang. Es ist wie ein Mann, der auf seinem Totenbett Richtung Grab fortschreitet. Mit jedem Tag kommt es näher – mit einer Geschwindigkeit von zwei Milliarden Dollar am Tag. Die Einkünfte stagnieren. Die Leute geben mehr aus, als sie verdienen. Gleichzeitig steigt der größte Posten auf der Liste der Lebenshaltungskosten – die Kosten für das Wohnen – in den Himmel.
Wie können sie dabei gleichzeitig reicher werden?
Ich ziehe einen seltsamen Schluss. Es muss sich irgendwann der Zeitgeist, der vorherrschende Geist dieser Vereinigten Staaten in Richtung eines Imperiums gewendet haben und alle Einrichtungen, die Verfassung, die neuen Medien, die Philosophien und die Folklore, die Theorien und die allgemeinen Hysterien und sogar die Statistiken mussten sich diesem Wandel beugen. Nach 1989 waren die Vereinigten Staaten deutlich Herren der Welt. Wenn man Herr der Welt ist, dann muss man ihr auch überlegen sein. Alles daran muss ihr überlegen sein, die Intellektuellen und die öffentlichen Plaudertaschen mussten nur noch erklären, warum.
Warum ist die amerikanische Wirtschaft so überlegen? Weil sie ein Inbegriff der "technologischen Dynamik, einer Offenheit gegenüber dem Handel und der Flexibilität" sei, erklärten sich David H. Levey und Stuart S. Brown bereit, im Foreign Affairs Magazine zu schreiben. "Möchtegern-Kassandras haben den drohenden Untergang des amerikanischen Imperiums seit seiner Installation beschworen", beginnt das Paar. Aber machen Sie sich keine Sorgen: "die amerikanische Macht ist fest in einer wirtschaftlichen Überlegenheit und in einer finanziellen Stabilität verankert, die nicht so bald enden werden."
Sie machen sich jedoch nicht die Mühe zu erklären, wie sie wissen können, was in den Zeitungen von morgen stehen wird. Auch erklären sie nicht, wie es einem Land, das sich eigenhändig im Wettbewerb in eine benachteiligte Position manövriert hat, helfen kann, sich dem Handel zu öffnen, oder warum, wenn die amerikanische Wirtschaft doch so dynamisch und flexibel ist, sie sich dennoch nicht leisten kann, die Löhne anzuheben oder für das zu bezahlen, was man gegenwärtig ausgibt.
Wenn jedoch die Tatsachen der imperialen Theorie widersprechen, dann werden die Tatsachen gebeugt. Hier gehen die Herren Levey und Brown mit der Brechstange zu Werke.
"Kapitalgewinne auf Aktien und die Immobilien sind bei der Berechnung der persönlichen Ersparnisse nicht berücksichtigt. Wenn man sie hinzufügen würde, dann lägen die gesamten heimischen Ersparnisse Amerikas bei ungefähr 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – ungefähr auf dem gleichen Niveau wie in anderen entwickelten Ökonomien. Die nationale Berechnung schließt außerdem immaterielle Anlagewerte aus: Die Ausgaben für Aktivitäten wie Weiterbildungen, die Entwicklung neuer Produkte und deren Prüfung, Design und Blaupausenexperimente oder die Zeit, die gebraucht wird, den Arbeitsplatz zu organisieren."
Immaterielle Anlagen? Warum bin ich da nicht früher drauf gekommen! Das Problem an dem Konzept ist nur, dass es immaterielle Produkte erzeugt, immaterielle Gewinne und immaterielle Löhne. Vielleicht werden die Angestellten dann irgendwann auch in den Genuss von immateriellen Butterbroten kommen.
Die einzige Möglichkeit, die den Amerikanern noch bleibt, den Lebensstil aufrecht zu halten, an den sie sich gewöhnt haben, ist, den inflationären Wert ihrer eigenen, materiellen Häuser mit Hypotheken zu belegen und im öffentlichen Bereich Defizite anzusammeln. In beiden Fällen wird von der Zukunft gestohlen. Nur ein alter Mann, der sonst nichts zu beweisen hat, würde es zugeben: Amerika ist zu dem geworden, was Warren Buffet "Squanderville" (Stadt der Prasser) nannte. Die Amerikaner, sagt er, sind zu "Teilpächtern" einer Gesellschaft des "Eigentums" geworden.
Aber woher kommen diese 7,5 Millionen Millionäre?
Sie werden mit dem gleichen Windstoß des Betrugs hereingeweht, der auch den Rest von Amerika verbogen hat. Selbst wenn die ersten Wohnsitze nicht in die Rechnung mit eingerechnet waren, hebt doch die brausende Verschuldung alle Vermögenswerte. Das Eigenkapital der Besitzenden geht vollständig in den Kreditaufnahmen auf ... und andere Vermögenswerte, darunter auch die zweiten Häuser und die Anlagen in Eigentum – steigen damit. Und das verringert die Notwendigkeit, andere Vermögenswerte zu verkaufen, weil das Eigenkapital "abgehoben" werden kann und fast so einfach ausgegeben ist, als würde man eine Pizza bestellen. Das treibt die Preise der Vermögenswerte grundsätzlich in die Höhe, und viele Leute mit einer normalen Finanzsituation finden sich auf der Liste der Millionäre wieder.
Es ist alles Täuschung und Betrug. Aber wenigstens haben die Leute ihren Spaß
Quelle: Investors Daily
Woher kommen all die Millionäre?
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
"Die Zahl der Millionäre erreicht einen neuen Höchstwert", schreibt das Wall Street Journal. Seit 1998 – als die Dotcom Blase fast den Höhepunkt erreicht hatte – sind nicht mehr so viele Leute reich geworden.
"Die Anzahl der amerikanischen Haushalte, die netto eine Million oder mehr wert sind, ist 2004 um 21 Prozent gestiegen, ergab eine Untersuchung der Spectrem Group, einer Firma aus Chicago, die sich mit der Erforschung des Reichtums beschäftigt", fährt der Artikel fort.
"Es gibt heutzutage 7,5 Millionen Millionärshaushalte in den Vereinigten Staaten, das bricht den Rekord von 1999, als es 7,1 Millionen solcher Haushalte gab. Die Studie schloss den Wert des ersten Wohnsitzes aus, zweite Häuser und andere Immobilien wurden erfasst.
"Eine weitere Studie von der Boston Consulting Group, auch Mitte der Woche veröffentlicht, fand heraus, dass Amerika weltweit immer noch die Spitzenposition besetzt, wenn es um die Schaffung neuer Millionäre geht. Die Anzahl der Haushalte, die mehr als 20 Millionen Dollar in verfügbaren Vermögenswerten haben, steigt im Jahr um 3.000 Haushalte."
Wieder einmal sehe ich mich mit Widersprüchen, einem Paradox oder einer schlichten Lüge konfrontiert.
Alles in allem ist die amerikanische Wirtschaft auf dem Abstieg. Sie "wächst". Aber dieses Wachstum ist ein Fortschritt am Abhang. Es ist wie ein Mann, der auf seinem Totenbett Richtung Grab fortschreitet. Mit jedem Tag kommt es näher – mit einer Geschwindigkeit von zwei Milliarden Dollar am Tag. Die Einkünfte stagnieren. Die Leute geben mehr aus, als sie verdienen. Gleichzeitig steigt der größte Posten auf der Liste der Lebenshaltungskosten – die Kosten für das Wohnen – in den Himmel.
Wie können sie dabei gleichzeitig reicher werden?
Ich ziehe einen seltsamen Schluss. Es muss sich irgendwann der Zeitgeist, der vorherrschende Geist dieser Vereinigten Staaten in Richtung eines Imperiums gewendet haben und alle Einrichtungen, die Verfassung, die neuen Medien, die Philosophien und die Folklore, die Theorien und die allgemeinen Hysterien und sogar die Statistiken mussten sich diesem Wandel beugen. Nach 1989 waren die Vereinigten Staaten deutlich Herren der Welt. Wenn man Herr der Welt ist, dann muss man ihr auch überlegen sein. Alles daran muss ihr überlegen sein, die Intellektuellen und die öffentlichen Plaudertaschen mussten nur noch erklären, warum.
Warum ist die amerikanische Wirtschaft so überlegen? Weil sie ein Inbegriff der "technologischen Dynamik, einer Offenheit gegenüber dem Handel und der Flexibilität" sei, erklärten sich David H. Levey und Stuart S. Brown bereit, im Foreign Affairs Magazine zu schreiben. "Möchtegern-Kassandras haben den drohenden Untergang des amerikanischen Imperiums seit seiner Installation beschworen", beginnt das Paar. Aber machen Sie sich keine Sorgen: "die amerikanische Macht ist fest in einer wirtschaftlichen Überlegenheit und in einer finanziellen Stabilität verankert, die nicht so bald enden werden."
Sie machen sich jedoch nicht die Mühe zu erklären, wie sie wissen können, was in den Zeitungen von morgen stehen wird. Auch erklären sie nicht, wie es einem Land, das sich eigenhändig im Wettbewerb in eine benachteiligte Position manövriert hat, helfen kann, sich dem Handel zu öffnen, oder warum, wenn die amerikanische Wirtschaft doch so dynamisch und flexibel ist, sie sich dennoch nicht leisten kann, die Löhne anzuheben oder für das zu bezahlen, was man gegenwärtig ausgibt.
Wenn jedoch die Tatsachen der imperialen Theorie widersprechen, dann werden die Tatsachen gebeugt. Hier gehen die Herren Levey und Brown mit der Brechstange zu Werke.
"Kapitalgewinne auf Aktien und die Immobilien sind bei der Berechnung der persönlichen Ersparnisse nicht berücksichtigt. Wenn man sie hinzufügen würde, dann lägen die gesamten heimischen Ersparnisse Amerikas bei ungefähr 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – ungefähr auf dem gleichen Niveau wie in anderen entwickelten Ökonomien. Die nationale Berechnung schließt außerdem immaterielle Anlagewerte aus: Die Ausgaben für Aktivitäten wie Weiterbildungen, die Entwicklung neuer Produkte und deren Prüfung, Design und Blaupausenexperimente oder die Zeit, die gebraucht wird, den Arbeitsplatz zu organisieren."
Immaterielle Anlagen? Warum bin ich da nicht früher drauf gekommen! Das Problem an dem Konzept ist nur, dass es immaterielle Produkte erzeugt, immaterielle Gewinne und immaterielle Löhne. Vielleicht werden die Angestellten dann irgendwann auch in den Genuss von immateriellen Butterbroten kommen.
Die einzige Möglichkeit, die den Amerikanern noch bleibt, den Lebensstil aufrecht zu halten, an den sie sich gewöhnt haben, ist, den inflationären Wert ihrer eigenen, materiellen Häuser mit Hypotheken zu belegen und im öffentlichen Bereich Defizite anzusammeln. In beiden Fällen wird von der Zukunft gestohlen. Nur ein alter Mann, der sonst nichts zu beweisen hat, würde es zugeben: Amerika ist zu dem geworden, was Warren Buffet "Squanderville" (Stadt der Prasser) nannte. Die Amerikaner, sagt er, sind zu "Teilpächtern" einer Gesellschaft des "Eigentums" geworden.
Aber woher kommen diese 7,5 Millionen Millionäre?
Sie werden mit dem gleichen Windstoß des Betrugs hereingeweht, der auch den Rest von Amerika verbogen hat. Selbst wenn die ersten Wohnsitze nicht in die Rechnung mit eingerechnet waren, hebt doch die brausende Verschuldung alle Vermögenswerte. Das Eigenkapital der Besitzenden geht vollständig in den Kreditaufnahmen auf ... und andere Vermögenswerte, darunter auch die zweiten Häuser und die Anlagen in Eigentum – steigen damit. Und das verringert die Notwendigkeit, andere Vermögenswerte zu verkaufen, weil das Eigenkapital "abgehoben" werden kann und fast so einfach ausgegeben ist, als würde man eine Pizza bestellen. Das treibt die Preise der Vermögenswerte grundsätzlich in die Höhe, und viele Leute mit einer normalen Finanzsituation finden sich auf der Liste der Millionäre wieder.
Es ist alles Täuschung und Betrug. Aber wenigstens haben die Leute ihren Spaß
Quelle: Investors Daily