Umfrage unter technischen Analysten:
Rückschlagsgefahr beim Dax nimmt zu
Das Chance-Risiko-Profil am Aktienmarkt hat sich aus charttechnischer Sicht verschlechtert. Zu diesem Ergebnis kommen von der Nachrichtenagentur Dow Jones Newswires befragte technische Analysten.
HB FRANKFURT. „Der Aufwärtstrend ist zwar noch intakt, doch der Markt ist deutlich überkauft“ stellt Thomas Amend von HSBC Trinkaus & Burkhard fest. Daher dürfte es dem Dax schwer fallen, signifikant über 4 000 Punkte zu steigen. Vielmehr habe die Gefahr von Rückschlägen zugenommen, gibt Heinz Stork von der Baader Wertpapierhandelsbank zu bedenken. Er konstatiert, dass der Dax „durch die Überkauftheit anfällig für Korrekturen bleibt“.
Auch wenn das Potenzial nach oben noch nicht völlig ausgereizt sei, sollten sich Anleger der wachsenden Gefahren bewusst sein und bestenfalls unter Trading-Gesichtspunkten an einer weiteren Aufwärtsbewegung teilnehmen, rät Manfred Wolter von der Landesbank Rheinland-Pfalz. Schon über den Widerstand bei 4 040/50 Punkten dürfte der Dax nur schwerlich vordringen, zumal die geringer werdenden Umsätze nicht gerade das Szenario eines dynamischen Ausbruchs nach oben unterstützten. Mittelfristig ergebe sich das Bild fallender Böden und Hochs, was nicht gerade das Kennzeichen eines Bullenmarktes sei.
Immer mehr setzt sich daher unter den technischen Analysten die Ansicht durch, dass die jüngste Aufwärtsbewegung am deutschen Aktienmarkt nicht mehr als eine Gegenreaktion auf den Rücksetzer im Juli und August war. Martin Siegert von der Landesbank Baden Württemberg misst den vorangegangen Gewinnen daher auch keine allzu große Bedeutung bei und erklärt diese primär mit Short-Eindeckungen. Er rechnet mit einer Topbildung des Dax im Bereich von 4 000 Punkten und verweist in diesem Zusammenhang auf die verschlechterte Indikatorenlage und besonders den auf Tagesbasis kurz vor einem Verkaufssignal stehenden Indikator RSI.
Seine skeptische Einstellung begründet Siegert auch mit einem Blick auf die US-Indizes. So sei dem S&P-500 der Ausbruch aus einer Flaggenformation nicht gelungen. Ein Fall unter die Unterstützung bei 1 021/19 Punkten sollte als eindringliches Warnsignal verstanden werden. Marcel Mußler, Herausgeber der Mußler-Briefe, richtet dagegen den Blick stärker auf den Dow-Jones-Index, hört jedoch ebenfalls die Alarmglocken läuten: „Die Lage beim Dow wird jetzt richtig brenzlig“, warnt Mußler. Sollte der US-Leitindex unter 10 204 Punkte fallen, sei „die Chance für die Bären da, einmal richtig Druck zu machen.“
Sollte im Sog nachgebender US-Börsen auch der Dax unter Druck kommen, liefere ein Fall unter die Unterstützung bei 3 928 und den Aufwärtstrend bei 3 932 Punkten wichtige prozyklische Verkaufssignale. Auch Mußlers Kollegen messen diesem Bereich erhöhte Bedeutung bei und sehen hier einen „dankbaren Stop“ für Longpositionen. Seine wachsende Nervosität begründet Mußler indes auch mit der Wiederkehr eines Gespenstes, das manch einer schon in die Gruft der Vergessenheit entschwunden wähnte: Klammheimlich hat sich nämlich das Rohöl in den vergangenen Tagen wieder aus der scheinbaren Versenkung erhoben und droht den Märkten einmal mehr mit Ungemach.
„Hauptverantwortlich für die plötzlich so heikle Situation beim Dow Jones mache ich erneut das Rohöl“, lautet denn auch der Hauptanklagepunkt Mußlers. Ein Anstieg über 45 USD und ein daran anschließender Angriff auf das alte Hoch bei 46,20 USD seien nicht auszuschließen. Allerdings hofft Mußler, dass an der oberen Begrenzung des Trendkanals bei 47,60 USD das Aufwärtspotenzial ausgereizt ist, so dass seine „mittelfristigen Sorgen für die Aktienmärkte“ begrenzt seien.
Ein Antidepressivum für die Bullen hat nur Wieland Staud von Staud Research parat. Zwar will auch er die Warnsignale nicht leugnen und erkennt im Kerzenchart einen zur Vorsicht mahnenden Hanging-Man, doch ist das Konsolidierungspotenzial seiner Ansicht nach auf 3 900 Zähler begrenzt. Eine anschließende Rückkehr über 4 000 Zähler und neue Jahreshochs über 4.175 stünden den kurzfristigen Risiken gegenüber. Mittelfristig rechnet Staud gar mit Ständen von 4.400 bis 4.500 Punkten.