HARTZ ZU 100-EURO-PFLICHTABGABE
"Das ist eines dieser Missverständnisse"
Seit heute Vormittag berät die Hartz-Kommission vermutlich zum letzten Mal. Fraglich ist, ob sich die 15 Mitglieder auf ein gemeinsames Konzept einigen können. Der Vorsitzende, Peter Hartz, dementierte inzwischen Meldungen, wonach jeder deutsche Haushalt 100 Euro für eine Jugendstiftung zahlen soll.
Berlin - "Das ist auch eines dieser Missverständnisse", sagte Hartz am Freitag vor der letzten Sitzung der Kommission in Berlin. "Das ist auch wieder etwas, was verpetzt wurde, bevor es richtig ausgearbeitet ist." Die "Frankfurter Rundschau" hatte heute von einem Vorschlag Hartz' berichtet, demzufolge jeder Haushalt in Deutschland 100 Euro zahlen solle, um eine neue Ausbildungsstiftung für Jugendliche zu finanzieren.
Hartz sagte dagegen, er habe ein Jugendförderprogramm vorgeschlagen, für dessen Finanzierung eine Ausfallbürgschaft gebraucht werde. Die Bevölkerung solle das aber nicht bezahlen. Nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeigers" strebt die Kommission auch eine Entlastung der kommunalen Haushalte an. Arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger sollen in die Verantwortung der Bundesanstalt für Arbeit übergeben werden. Für sie sollen die gleichen Zumutbarkeitskriterien gelten wie für die Empfänger von Arbeitslosenhilfe. Die Hartz-Kommission verspreche sich davon eine finanzielle Entlastung der Kommunen in Milliardenhöhe, schreibt das Blatt unter Berufung auf Kommissionskreise.
Kritik vor allem an den Vorschlägen der Hartz-Kommission zur Schaffung von einer Million Arbeitsplätze in Ostdeutschland übte Bundesbankpräsident Ernst Welteke. Es werde eine Art Nebenhaushalt geschaffen, wenn die Kreditanstalt für Wiederaufbau durch Ausgabe eines so genannten Job-Floaters bis zu 150 Milliarden Euro am privaten Kapitalmarkt einsammele, sagte Welteke der "Berliner Zeitung".
Nach Informationen des Berliner "Tagesspiegels" könnten sich die Bedenken des Bundesbankpräsidenten jedoch von selbst erledigen. Kommissionsmitglieder hätten angekündigt, die Höhe des Job-Floaters bei den Abschlussberatungen reduzieren zu wollen. "Wir werden eine Debatte über die Größenordnung führen", sagte ein Kommissionsmitglied der Zeitung. Vorstellbar sei auch eine kleinere Summe, "zum Beispiel 20 Milliarden Euro für drei Jahre".
Der Wirtschaftsexperte Meinhard Miegel bezeichnete im Kölner "Express" den Vorschlag einer 150-Milliarden-Anleihe als "so wenig durchdacht, dass ich mich frage, warum ein so reputierlicher Mann wie Peter Hartz sich dazu hergibt". Insgesamt seien die neuen Pläne der Kommission wenig Erfolg versprechend. "Alle früheren Vorschläge, die zu Leistungseinschnitten bei den Arbeitslosen geführt hätten, sind gestrichen. (...) Das Ganze wird unter dem Strich teurer, als es gegenwärtig ist", sagte Miegel.
Ebenfalls heftige Kritik kam vom Arbeitsmarktexperten der Universität Köln, Johannes Eekhoff. Die geplante Anleihe mache für den Osten alles noch schlimmer, sagte er dem "Tagesspiegel". Wenn Anlegern Investitionen in die Anleihe durch Steuergutschriften und Renditesicherung schmackhaft gemacht würden, dann zögen sie Geld aus rentablen Unternehmen ab.
Umstritten ist auch der Vorstoß für mehr Billigjobs. Die Arbeitgeber pochen weiter auf pauschale Einschnitte für Arbeitslose. Der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Hanns-Eberhard Schleyer, forderte als Mitglied der Kommission am Donnerstag, das Gremium müsse zu den ursprünglichen Überlegungen zurückfinden, also zu generellen Einschnitten bei der Arbeitslosenunterstützung. Die Verdi-Gewerkschafterin Isolde Kunkel-Weber verlangte dagegen, dass das gesamte Konzept in allen Details noch einmal überarbeitet werden müsse.
Die Hartz-Kommission tagt seit gestern in abschließender Klausur über ihr Reformkonzept. Mehrere Kommissionsmitglieder zeigten sich heute Morgen zuversichtlich, am Ende ein überzeugendes Konzept präsentieren zu können. Gerhard Schröder soll den Bericht am 16. September in Empfang nehmen. Der Kanzler hatte die Kommission unter Leitung des Volkswagen-Personalvorstands einberufen, um Vorschläge zur Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit zu entwickeln.
Spiegel