Windenergie: "Investitionsvolumen von 70 Milliarden Mark"
Für den Branchenexperte Klaus Övermöhle von Övermöhle-Consult werden manche Risiken überschätzt - Geschäft wird optimistisch eingeschätzt
Bei den Windenergie-Aktien am Neuen Markt hat sich Unsicherheit breit gemacht. Waren vorher vor allem die Chancen im Fokus, warnen Analysten nun vor höheren Risiken. Ein Interview mit dem Experten Klaus Övermöhle von Övermöhle-Consult über eine Branche, die im Umbruch steht.
?: Sie sind in Ihrer jüngsten Studie optimistisch für die Windkraft-Projektierer. Worauf begründen Sie diese Einschätzung, nachdem Umweltkontor & Co. am Neuen Markt deutlich unter Druck gekommen sind?
Övermöhle: Die Projektpipeline bei den Projektierern ist relativ gut gefüllt. In den nächsten zwei Jahren werden in Deutschland jährlich mehr als 2.000 Megawatt Leistung neu installiert. Bei vielen Unternehmen ist auch die europäische Expansion weit vorangeschritten. Hohe Aufstellungszahlen werden auch im europäischen Ausland erreicht werden können. Gemäß einer BTM-Consult-Studie werden in Europa in den nächsten 5 Jahren 28.000 MW an Windleistung neu installiert. Das entspricht einem Investitionsvolumen von etwa 70 Mrd. Mark.
?: Stichwort Europa: Ist das Risiko, im europäischen Ausland auf zu große Konkurrenz zu treffen, so groß, wie es derzeit gesehen wird?
Övermöhle: Das Risiko sehe ich bei einigen Unternehmen nicht so stark, da sie teilweise schon seit fünf Jahren vor Ort aktiv sind. Sie arbeiten im Ausland sozusagen als "Inländer" mit selbständigen Niederlassungen bzw. mit Vor-Ort-Partnern. Allerdings sind die Vorlaufzeiten bis zur Projektrealisierung im Ausland relativ lang. Es muss mit Zeiten von Minimum zwei bis fünf Jahren gerechnet werden, ein Fakt, der von vielen Unternehmen unterschätzt wird.
?: Wie unterscheiden sich die ausländischen Projekte denn von denen in Deutschland?
Övermöhle: Das ist natürlich in jedem Land unterschiedlich. Eine wesentliche Voraussetzung ist, dass die Energieversorger verpflichtet sind, die produzierte Energiemenge abzunehmen und einen kostendeckenden Mindestpreis zu zahlen. In den südeuropäischen Ländern Italien, Spanien, Griechenland, Portugal und ganz neu auch in Frankreich gibt es Stromeinspeisegesetze. Das sind also ähnlich Verhältnisse wie bei uns in Deutschland mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).
?: Wie sehen die Finanzierungsverhältnisse im Ausland aus?
Övermöhle: Das ist wiederum länderabhängig. Dort gibt es teilweise Investitionszuschüsse von bis zu 40 Prozent, ich denke hier nur an Griechenland oder Portugal. Ansonsten werden unterschiedliche Finanzierungsmodelle getestet. Auch Fondsmodelle wie hier in Deutschland sind möglich. Im europäischen Ausland, wo es Stromeinspeisegesetze gibt, stellt die Finanzierung kein Problem dar. Durch die Einführung des Euros hat sich die Situation nochmals verbessert, da das Wechselkursrisiko entfällt.
?: Zum Thema Offshore: In der Branche munkelt man, dass sich der Zeitplan mancher Projekte verschieben kann. Haben Sie dafür Anzeichen?
Övermöhle: Ich vermute, dass der Zeithorizont sich etwas nach hinten verschieben wird. Das bedeutet: Große Windparkprojekte Offshore sind vor 2005/2006 nicht realistisch, Pilotprojekte werden voraussichtlich schon vorher realisiert werden können. Wenn die großen Projekte dann aber kommen - und davon gehe ich aus - werden sie eine Dimension erreichen, die Onshore nicht möglich ist. Nach meiner Einschätzung werden die Mindestgrößen eines Offshore-Windparks 200 MW installierte Leistung aufwärts betragen. Das bedeutet Investitionsvolumen von mindestens 700 Mio.DM. Die Projektierer werden sich dann in ganz andere Umsatzdimensionen hineinentwickeln.
?: Sind die Projektierer bei ihrer jetzigen Kapitalisierung in der Lage, solche Projekte zu stemmen oder wird es Zusammenschlüsse geben?
Övermöhle: Dort wird es auf alle Fälle einige Zusammenarbeiten geben. Ich gehe sogar soweit, dass traditionelle Energieversorger in solche Partnerschaften eingebunden werden müssen. Die Größe dieser Windparks ist mit konventionellen Kraftwerken vergleichbar. Diese können nur sinnvoll betrieben werden, wenn sie in die Gesamtplanung der Stromversorgung eingepasst sind.
?: Mit anderen Worten: Dass sich eine kapitalkräftige WestLB an einer Nordex beteiligt, könnte woanders mit anderen Unternehmen seine Fortsetzung finden?
Övermöhle: Bei der Finanzierung der Offshore-Projekte halte ich das für sehr wahrscheinlich.
?: Zu der Technologie: Sie sprechen in Ihrer Studie davon, dass vor allem die neueren Windturbinen der größeren MW-Klassen technisch noch nicht ausgereift sind. Welche Risken gehen die Projektierer da ein?
Övermöhle: Das Risiko ist weitgehendst auf die Investoren bzw. Kommanditisten verlagert. Dort sehe ich für die Projektierer ein gewisses Imageproblem, da unzufriedene Kunden unangenehm werden können und dadurch für das Unternehmen als Wiederanleger verloren sind. Eine direkte Bedrohung ist jedoch nicht gegeben. Teilweise werden auch längere Garantiefristen mit den Herstellern vereinbart. Entsprechende Verträge über fünf oder zehn Jahre werden mittlerweile angeboten.
?: Über kurz oder lang will zum Beispiel Plambeck selbst Windparks betreiben. Wie schätzen Sie dies ein?
Övermöhle: Das halte ich für etwas problematisch, da es sich negativ auf die Gewinnmargen der Projektierer auswirkt. Es sind sehr hohe Investitionen und entsprechende Kapitalerhöhungen erforderlich. Die Abschreibungen in den ersten Jahren sind ebenfalls sehr hoch. Das bedeutet, es werden anfangs keine großartigen Überschüsse erzielt. Insofern wäre das ein ganz anderes Geschäftsmodell. Die Idee ist allerdings nicht neu, zum Beispiel verfolgt die Windwelt AG dieses Modell. Ich kann allerdings nicht erkennen, wie hier ein großer Mehrwert für die Aktionäre geschaffen wird.
Autor: Michael Barck, 11:15 15.10.01