Der Crash-Prophet aus London
Dresdner-Bank-Chefstratege Edwards gilt als Paradiesvogel - Deutsche Kollegen entsetzt
Albert Edwards weiß, wie man Investoren auf sich aufmerksam macht. Mit seiner Warnung vor einem Crash für den gestrigen Dienstag sorgte der Chefstratege von Dresdner Kleinwort Wasserstein in London für Schlagzeilen. Auch wenn er mit seiner Prognose völlig danebenlag - die Märkte gaben bis zum späten Nachmittag nur leicht ab - eines hat Edwards geschafft: Selbst dem kleinen Mann auf der Straße ist er inzwischen ein Begriff. Vorher kannten ihn fast ausschließlich Fondsmanager und Banker in der Londoner City.
Dabei zählt Edwards dort schon länger zu den Paradiesvögeln im Finanzgewerbe, wenngleich er bisher eher im Hintergrund agierte. Die Profis in der europäischen Finanzhauptstadt lieben den Stil des 1,90 Meter großen, schlanken Typen mit der markanten Brille aber umso mehr. Denn Edwards spricht Klartext und riskiert dabei schon einmal krasse Fehlgriffe. So wie 1998, als er eine Krise zu einem Zeitpunkt voraussagte, als der Bullenmarkt richtig an Fahrt aufnahm.
Doch das haben ihm die Kunden längst verziehen. In den vergangenen beiden Jahren belegten Edwards und sein Strategieteam bei der legendären Reuters-Rennliste Spitzenplätze. Auch mit seinen Kassandrarufen seit 2000 behielt er Recht. Pünktlich vor dem Platzen der Blase ließ er Anleger wissen, dass die Investitionen in das US-Wirtschaftswunder später einmal "wie ein schlechter Witz" aussehen würden. In fast schon philosophischer Weise packte er den US-Bullen an den Hörnern. "Der US-Bullenmarkt gipfelte in Szenen der Trunkenheit und Promiskuität, wie wir sie aus Dantes Meisterwerk aus dem 14. Jahrhundert kennen." Wie beim italienischen Dichter sagte Edwards den Anlegern die Hölle und das Fegefeuer voraus. Ein Entrinnen sei nicht möglich, Anleger müssten für den Übermut büßen, ließ er wissen.
Die deutliche Sprache löst bei seinen deutschen Kollegen, zu denen Edwards durch den Dresdner-Bank-Kauf von Kleinwort Benson stieß, oftmals Kopfschütteln aus. Schließlich passt er mit seinen klaren Ansagen so gar nicht in die deutsche Bankkultur. "Wir wollen eine klare Linie, um uns daran entlangzubewegen. So schrille Äußerungen schrecken da nur ab", sagt ein deutscher Mitarbeiter. Die Frankfurter sehen in Edwards einen sehr schwierigen, schrulligen Einzelgänger. Er sei provokant, überziehe aber oftmals. So sah sich der Crash-Prophet zuletzt auch gezwungen, für die deutschen Kollegen ein Beschwichtigungsschreiben aufzusetzen. "Sicherlich ist das Wort Crash sehr emotional besetzt. Wer es nicht mag, kann gegenüber den Kunden auch den Begriff ‚Volatilität' gebrauchen."