vwd Extra/Wie Doppellistings Nasdaq- und Nemax-Kriterien genügen
- Von vwd Redakteur Olaf Ridder -
Frankfurt (vwd) - Bei einem Aktiengeschäft nicht rechtzeitig zum Zug zu
kommen, weil Informationen fehlen, gehört für einen Anleger zu den
ärgerlichsten Momenten. Auch deshalb erfreuen sich Ad-hoc-Mitteilungen des
besonderen Interesses der Marktteilnehmer. Sie sind per gesetzlicher
Definition erster Vorbote kursbewegender Veränderungen im Geschäft eines
Unternehmens. Doch die Ad-hoc-Publizität ist eine deutsche Spezialität, und
sie soll vorrangig Insidergeschäften vorbeugen. An der Nasdaq dagegen gilt
die Fair-Disclosure-Rule, nach der etwa Analysten nicht früher als Anleger
mit kurssensitiven Informationen versorgt werden dürfen.
Unternehmen, die in beiden Handelssegmenten gelistet sind, haben es nicht
leicht, den Transparenzwünschen der Anleger auf beiden Seiten des Atlantiks
zu genügen. Laut Deutscher Börse sind es 15, und nicht immer werden die
Bereichsöffentlichkeiten vergleichbar bedient. So konnten US-Anleger auf die
aktuellen Drittquartalszahlen der BroadVision Inc Ende Oktober schon
reagieren, während in Deutschland die Ad-hoc-Mitteilung erst kurz nach
Mitternacht auf den Draht ging. Die Pressemitteilung für die USA war bereits
nach Nasdaq-Handelsschluss auf dem Markt. Zeitgleich mit der Erstinformation
der deutschen Investoren lief in Kalifornien schon der öffentliche
telefonische Conference Call des BroadVision-Managements.
Rofin-Sinar Technologies Inc, ebenfalls ein Unternehmen mit
Doppellisting, veröffentlichte jüngst ihre Viertquartalsresultate zwar
zeitgleich, aber mit unterschiedlicher Informationstiefe. Während es am
Hudson River komplette Tabellen gab, verschwieg der Hersteller von
Laserstrahlquellen in seiner Ad-hoc schamhaft, das dem aktuellen Verlust im
Vorjahr ein Gewinn in dreifacher Höhe gegenüber stand.
Thorsten Frauenpreiss, bei der in Hamburg gegründeten Rofin-Sinar für
Investor Relations zuständig, räumt zwar ein, dass einige Vergleichszahlen
in der deutschen Veröffentlichung gefehlt haben. Er verweist zugleich
darauf, dass die Längenbegrenzung einer Ad-hoc-Mitteilung zur Beschränkung
auf das Wesentliche zwinge. Ohnehin gibt er der US-Veröffentlichungspraxis
für das Ergebnis den Vorrang. Es orientiert sich stark am 10Q-/10K-Filing,
das die US-Börsenaufsicht SEC von Rofin-Sinar als strukturiertes Format für
den Quartalsbericht verlangt und das auch von der Deutschen Börse akzeptiert
wird.
Der Geschäftsausweis nach US-GAAP stellt deutsche und US-Anteilseigner
des Unternehmens also komplett gleich. Nur bei der marktsensitiven
Erstveröffentlichung gibt es die beschriebenen Unterschiede. Das
Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BaWe), dem die Aufsicht für die
Ad-hoc-Publizität obliegt, hat damit kein prinzipielles Problem: "Wir
schauen zunächst, dass die deutschen Ad-hoc-Vorschriften erfüllt werden",
sagt BaWe-Sprecherin Regina Nößner. Und da gehe es um eine möglichst knappe
Darstellung, den Kern einer wahrscheinlich kursbewegenden Angelegenheit. Die
Information der Anleger am deutschen und am US-Markt sollte nach den
Vorstellungen des BaWe allerdings zeitgleich erfolgen.
Bei etwa 5.000 Ad-hoc-Mitteilungen im Jahr lasse sich das allerdings kaum
nachvollziehen, sagt sie. Für das BaWe ist das Hauptproblem generell aber
eher, dass Ad-hoc-Mitteilungen nicht so klar ausfallen, wie die Fakten
eigentlich sind. Allerdings biete das Wertpapierhandelsgesetz keine
Sanktionsmöglichkeiten, sagt Regina Nößner. Sie erwartet eine Verbesserung
durch das in Arbeit befindliche vierte Finanzmarktförderungsgesetz, nach dem
Ad-hoc-Mitteilungen künftig klar und widerspruchsfrei sein und Kennzahlen
vergleichbar ausgewiesen werden müssen. An der Forderung nach "kurz und
knackig" wird das aber nichts ändern. US-Presseinformationen zu
Quartalsberichten werden also weiterhin ausführlicher ausfallen als die
deutschen.
Ist es daher ein Problem des kurzatmigen Marktes selbst, dass er die
Geschäftsentwicklung der Aktiengesellschaften vorrangig über die
Ad-hoc-Veröffentlichungen wahrnimmt? Es scheint so. Rofin-Sinar-IR-Manager
Frauenpreiss weiß zwar 70 Prozent seiner Aktionäre in Deutschland, obwohl
das Unternehmen seinen Sitz in Plymouth im US-Bundesstaat Michigan hat und
zunächst nur an der Nasdaq gelistet war. Doch die Nachfrage nach den
Quartals-Filings tendiere trotz der knappen Ad-hoc-Berichterstattung aber
gegen Null, sagt er.
Auch BaWe-Sprecherin Nößner weiß um die Bedeutung der Ad-hoc-Publizität
für den Markt. Dass sie die Bedeutung der ausführlichen Geschäftsausweise
quasi aushebele, dürfe aber nicht dem Instrument der Ad-hoc-Mitteilungen
selbst angelastet werden, sagt sie. Empfehlenswert ist die Nutzung möglichst
vieler zugänglicher Quellen ohnehin. Beispiele dafür gibt es immer wieder:
So verzichtete die E-M-S New Media AG am letzten Novembertag auf die
Ad-hoc-Veröffentlichung ihrer Quartalszahlen und gab statt dessen die
Abwertung ihrer Advanced-Medien-Beteiligung bekannt. Tatsächlich dominierte
diese die Gewinnsituation des Unternehmens in der Periode Juli bis September
total, wie ein Blick auf die Ergebniszahlen auf der Homepage ergab.
Allerdings zeigte sich dort auch ein Umsatzeinbruch von 40 Prozent im
dritten Quartal zum Vorjahr. Und der ist nur schwerlich mit einer
Abschreibung zu erklären.
vwd/17.12.2001/rio/nas/zwi