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IRAK-KRISE
Biblischer Reichtum
Von Lutz C. Kleveman
Öl-Milliarden für US-Konzerne oder Gotteswahn - was treibt die Amerikaner in den Irak? Die Wirklichkeit ist komplizierter: Die Machtpolitiker in Washington wollen die Vorherrschaft der radikalislamischen Saudis und der Opec brechen.
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Blut für Öl - der Fall scheint klar zu liegen und die Verbindungen der Bush-Minister zu den Ölkonzernen des Landes machen das Argument noch schlagender. Die Kriegsplaner in Washington wollen den schwarzen Stoff, um ihre Wähler zu beglücken und ihre Freunde zu bereichern. Soweit die gern bemühte Theorie.
Doch viele der Verfechter einer zu simplen "Blut-für-Öl"-Erklärung bellen bislang an den falschen Bäumen hoch: So nah die Bush-Regierung der amerikanischen Ölindustrie bekanntermaßen steht - sie würde kaum einen derart aufwändigen Krieg führen, nur um einigen befreundeten Ölbaronen zu guten Geschäften zu verhelfen. Wichtiger sind den Entscheidern in Washington - wie auch in Moskau oder Peking - strategische Überlegungen. Die Bush-Regierung will den Irak zu einem Verbündeten in der Region und Öl-Großversorger für die US-Wirtschaft machen - als Alternative zu Saudi-Arabien.
Tatsächlich haben die irakischen Ölfelder biblische Ausmaße. Investitionen von etwa 20 Milliarden Dollar würden genügen, um die Ölproduktion des Landes schon in wenigen Jahren von jetzt zwei Millionen auf bis zu sieben Millionen Barrel pro Tag zu steigern - etwa ein Zehntel des weltweiten Verbrauchs. Das satte Angebot würde den Ölpreis kräftig drücken, der nunmehr dauerhaft billige Rohstoff würde die lahmenden westlichen Volkswirtschaften wieder anfeuern.
Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit im Januar 2001 entwarf die Bush-Regierung eine neue nationale Energiepolitik für die USA, wo vier Prozent der Erdbevölkerung mehr als ein Viertel der weltweiten Energie verbrauchen. Anlass waren damals massive Engpässe in der Stromversorgung, die über Monate Hunderttausende Bürger Kaliforniens immer wieder ohne Licht und Wärme ließen. Vize-Präsident Richard Cheney, selbst jahrelang mächtiger Chef des Ölzulieferer-Konzerns Halliburton, traf sich daraufhin mehrfach hinter verschlossenen Türen mit amerikanischen Energie-Magnaten. Ihre Namen sowie die Protokolle der Gespräche hält die US-Regierung bis heute geheim, was sonst nur in Fragen der nationalen Sicherheit üblich ist. Offenbar wollen Cheney und Bush verbergen, was sie mit den "Big Oil"-Wirtschaftsbossen vereinbart haben.
Globale Öl-Allianzen
Im Mai 2001 legte Cheney dann einen wegweisenden Kommissions-Bericht vor mit dem Titel: "Wie ist der Erdölbedarf der USA in den nächsten 25 Jahren zu sichern?" Die Autoren des Berichts empfahlen, dass "der Präsident Energiesicherheit zu einer Priorität in unserer Handels- und Außenpolitik" mache.
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Die politischen Folgen sind brisant: Seit der Ölkrise von 1973 benutzt das arabisch dominierte Opec-Kartell das Öl als Faustpfand und Druckmittel gegenüber dem Westen. Um ihre Abhängigkeit von den Scheichs zu mindern, verfolgen die USA seit Jahren das Ziel, ihre Ölversorgung zu "diversifizieren". Dabei geht es darum, außerhalb der Opec liegende Ölressourcen wie die des Kaspischen Meers zu erschließen und zu kontrollieren.
Das Problem ist, dass viele Vorräte wie die der Nordsee inzwischen zur Neige gehen. Gleichzeitig lassen die Boomländer China und Indien den Weltölverbrauch nach Schätzungen der International Energy Agency von jetzt 73 Millionen Barrel pro Tag auf 90 Millionen im Jahr 2020 ansteigen. So baut die Opec ihre Marktführerschaft zwangsläufig weiter aus - und damit ihre politische Macht.
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Vielen in Washington behagt die saudische Macht nicht. Spätestens seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001, als fast alle der Todespiloten Saudis waren, erweist sich der Wüstenstaat zunehmend als peinlicher, vielleicht gar gefährlicher Verbündeter. Das Risiko wächst, dass radikalislamische Gruppen das korrupte Saud-Königshaus stürzen und dann den Ölhahn für "Ungläubige" im Westen zudrehen.
Aber auch ohne eine anti-westliche Revolution wie im Iran 1979 - als über Nacht 5,6 Millionen Barrel ausfielen - ist das saudische Petroleum schon heute sozusagen ideologisch vergiftet: In einer Art Ablasshandel finanziert das Regime in Riad nämlich die radikalsunnitische Sekte der Wahhabiten, die etwa die afghanischen Taliban unterstützt haben weltweit zu Terror gegen die USA aufrufen.
Sie sind eine Gefahr besonders für die Tausenden amerikanischen Soldaten, die seit dem ersten US-Feldzug gegen Hussein vor zwölf Jahren dauerhaft nahe den saudischen Ölquellen stationiert sind. Die militärische Präsenz auf dem für Muslime heiligen Boden, die die US-Steuerzahler jährlich etwa 50 Milliarden Dollar kostet, motiviert die Qaida von Terrorchef Osama Bin Laden maßgeblich zum fanatischen Kampf gegen die USA.
Solange die USA noch saudisches Öl und Unterstützung für den Irak-Feldzug brauchen, beteuert man in Washington offiziell sein Interesse an guten Beziehungen zum Königreich. Allerdings wächst die Zahl einflussreicher Politiker, die laut darüber nachdenken, den Kampf gegen den Terror gegen Riad auszuweiten und saudische Ölfelder zu besetzen.
Macht der Opec brechen
Mittelfristig sucht die US-Regierung einen neuen Verbündeten und Haupt-Öllieferanten im Mittleren Osten, und da kommt der Irak ins Spiel. Sein Anteil von zwölf Prozent an den Weltölreserven macht das Land zur einzigen Alternative als "Swing supplier". Eine von amerikanischen Streitkräften installierte Regierung in Bagdad müsste ohnehin versuchen, das abgewirtschaftete und womöglich von einem Krieg zerstörte Land mit Hilfe maximaler Petro-Einkünfte wieder aufzubauen. Auch die militärische Statthalterverwaltung durch US-Generäle, die das Pentagon für die Zeit nach einem Krieg vorsieht, will sich Washington nach Aussage von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld mit irakischem Öl bezahlen lassen.
Nicht unwahrscheinlich ist, dass der Irak unter einer neuen pro-amerikanischen Regierung gar aus der Opec austritt, um ausländische Investoren von ärgerlichen Förderlimits zu befreien. Der Block der Nicht-Mitglieder - zu dem auch Russland und die kaspischen Anrainerstaaten gehören - würde ausreichend Rohöl produzieren, so dass die Opec ihre Hochpreis-Absprachen nicht mehr durchsetzen könnte. Die Macht des Kartells und damit Saudi-Arabiens würde gebrochen, und das Öl könnte ungebremst und billig wie nie zuvor in den Westen fließen.
Ein von US-Militärs eingesetztes neues Regime in Bagdad würde Bohrrechte zweifelsohne bevorzugt an US-Firmen vergeben. Achmed Chalabi, der Führer der dubiosen irakischen Exil-Opposition, hat sich bereits mehrfach mit Managern von ExxonMobil and ChevronTexaco getroffen: "Amerikanische Unternehmen werden einen fetten Anteil am irakischen Öl bekommen", verhieß Chalabi danach. Allerdings ist es eher wahrscheinlich, dass die Ölfelder von internationalen Konsortien mehrerer Konzerne ausgebeutet werden. Diese Praxis, bei der Firmen ihre Investitionen streuen und so Risiken minimieren, setzt sich in der Branche weltweit zunehmend durch.
Auch ist es keineswegs sicher, dass eine auf Rückhalt im eigenen Volk bedachte Nachkriegsregierung in Bagdad die seit langem verstaatlichte Ölindustrie privatisieren würde. Aus ihrer Sicht könnte es sinnvoller erscheinen, die Ölerträge nicht mit Investoren teilen zu müssen, sondern schlicht westliche Technologie einzukaufen und selbst einzusetzen. So spielt der Wettstreit zwischen den Ölkonzernen der USA und ihren Widersachern in der Irak-Krise nur eine eher unbedeutende Rolle. Wichtiger ist den Polit-Strategen im großen Spiel um Öl und die Macht im Orient, dass das "schwarze Gold" ungehindert fließt.