Wenn nicht existierende Sau durchs Dorf getrieben

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Libuda:

Wenn nicht existierende Sau durchs Dorf getrieben

 
28.06.08 18:50
wird, muss man sich mit dem Kaufen beeilen. Denn wie schnell kann dann ein kleines Mädchen wie in Andersen berühmtem Märchen rufen, dass der König gar keine Kleider habe bzw. die Sau nur in den Hirngespinsten des vereinigten Weltuntergangs existiert. Es ist schon erstaunlich, wie verbreitet Blödheit und Dummheit auch unter scheinbar gestandenen Ökonomoen verbreitet ist, die einen der simpelsten ökonomischen Zusammenhänge vergessen haben bzw. ihn nie kannten: Die Veränderung des Produktionspotenzial hängt im wesentlichen von der Veränderungen der Produktivität ab - und bei den Produktivitätssteigerungen ist kein Abflauen erkennbar, eher sogar das Gegenteil.

Ein guter Artikel zu der nicht vorhandenen Sau, die durchs Dorf getrieben wird:

Thomas Frickes Tagebuch aus der Welt der Wirtschaftswunder - über wunderbare Wachstumstrends, wundersame ökonomische Klischees und wundervolle wie verwunderliche Theorien

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Keine Angst vor Stagflation
25. Juni 2008 09:32 Uhr
Sebastian Dullien
Die Pessimisten warnen immer lauter, dass eine hohe Kreditvergabe die Inflation anheizt, während zugleich das Wachstum einbricht. Aber dieses Horroszenario ist in sich nicht schlüssig
Ein Gespenst geht um in der wirtschaftspolitischen Debatte: die Stagflation. Seit die Ängste um die Zukunft der amerikanischen Wirtschaft von kräftig steigenden Ölpreisen und einem Anziehen der Verbraucherpreise begleitet werden, verweisen Schwarzmaler auf die 70er-Jahre. Damals war die Inflation weltweit in die Höhe geschossen, während sich gleichzeitig das Wachstum massiv verlangsamte. Trotz der steigenden Arbeitslosigkeit blieb die Inflation damals fast ein Jahrzehnt lang inakzeptabel hoch.

Das, so kann man nun immer wieder lesen, drohe sich nun zu wiederholen – in den USA wie in Europa. Den kommenden prognostizierten Anstieg der Inflation erklären die Pessimisten mit dem starken Anstieg der Kreditvergabe in den vergangenen Jahren, sowohl in den USA als auch in Europa. Die Folge: ein Anstieg geldartiger Finanzprodukte, etwa kurzfristiger Geldmarktfonds. Lange Zeit habe sich das wiederum in steigenden Preisen von Immobilien- und Aktien niedergeschlagen. Jetzt, wo die Immobilienpreise fielen, werde sich diese Liquidität in einen Anstieg der Preise von Gütern und Dienstleistungen umsetzen.

Gleichzeitig sehen die Schwarzmaler aber eine schwache gesamtwirtschaftliche Nachfrage: Die Privathaushalte in den USA konsumierten weniger, weil sie nach der Hypothekenkrise und dem Verfall der Hauspreise überschuldet sind, zudem die Arbeitslosigkeit steigt und deshalb die Einkommen nicht mehr wachsen. In Europa, wo die Haushaltsverschuldung niedriger ist, sei der Mechanismus ein etwas anderer: Auf dieser Seite des Atlantiks würden die niedrigen Lohnzuwächse von der Inflation aufgefressen, sodass auch hier die Konsumnachfrage schwach bleiben werde.

Das Ergebnis dieser beiden Trends sei eine Stagflation wie in den 70er-Jahren. Implizit scheinen auch einige in der Europäischen Zentralbank (EZB) ein solches Szenario zu fürchten, wenn die Notenbank zwar „Risiken für die Konjunktur“ einräumt, gleichzeitig aber eine Zinserhöhung im Juli in Aussicht stellt, weil die Inflationsgefahren hoch seien.

Tatsächlich fehlt dieser Argumentation aber jedes wirtschaftstheoretische Fundament. Bei genauerer Betrachtung ist das oben beschriebene Szenario sogar logisch höchst inkonsistent.

Die Kassandrarufer vergessen nämlich zu erklären, wie genau sich die starke Kreditausweitung der vergangenen Jahre in künftiger Inflation niederschlagen soll. Zwar wird gern darauf verwiesen, dass nun „zu viel Geld zu wenige Güter jagen“ werde. Allerdings widerspricht dies ja gerade dem Stagnationsteil des oben dargestellten Szenarios. Wenn die Menschen ihren Konsum zurückfahren und es auch keinen erkennbaren Grund gibt, warum Firmen mehr investieren, woher soll dann bitte schön die zusätzliche Nachfrage kommen, die die Preise in die Höhe treibt? Das Geld aus der früheren Kreditvergabe jagt nämlich nur dann Güter, wenn jemand sie kaufen möchte. Wenn die Weltwirtschaft aber unter einer Nachfrageschwäche leidet, dann ist gerade dies per Definition nicht der Fall – egal wie stark die Kredite in den vergangenen fünf Jahren auch gestiegen sein mögen.

Das war in den 70er-Jahren ganz anders: Die Kapazitäten in der Wirtschaft waren damals weitgehend ausgereizt, es hatte keinen Schock wie die Subprime-Krise gegeben, der die globale Nachfrage nach Gütern gebremst hätte. Als die Ölpreise stiegen, konnten deshalb die Gewerkschaften anders als heute einen satten Ausgleich durchsetzen. Die Arbeitgeber bezahlten. Gleichzeitig ließen die Notenbanken zu, dass die nominale Kreditmenge beschleunigt ausgeweitet wurde. Die Nominaleinkommen legten so kräftig zu, dass die Haushalte – zumindest in Dollar oder D-Mark gerechnet – deutlich mehr ausgaben. Die höhere nominale Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen erlaubte es den Unternehmen, höhere Preise durchzusetzen. Eine Lohn-Preis-Spirale war losgetreten.

Dies ist übrigens auch genau der Mechanismus, den die Monetaristen um Milton Friedman beschrieben: Die Ausweitung der Geldmenge führte zu einer zu hohen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, was wiederum die Preise trieb.

Doch woher kam dann die Stagnation der 70er-Jahre? Die Antwort ist, dass damals das Produktivitätswachstum in den Industrieländern jäh abbrach. Ein Grund mag gewesen sein, dass mit dem damaligen Ölboykott die Wirtschaft tatsächlich quasi über Nacht physisch weniger Öl zur Verfügung hatte und es Zeit brauchte, sich umzustellen.

Damit unterscheiden sich aber die 70er-Jahre noch einmal fundamental von heute: Nirgends gibt es ein Anzeichen dafür, dass die Produktivität einbricht. Im Gegenteil: Jenseits von zyklischen Faktoren rechnen viele Experten damit, dass die Produktivität sogar anziehen könnte, wenn weniger Menschen in der Bauwirtschaft beschäftigt sind, die nur ein geringes Produktivitätswachstum aufweist. Die Wirtschaft heute hat auch keinen physischen Mangel an Öl zu beklagen, einzig der Preis ist wegen der starken Nachfrage aus Asien gestiegen.

Auch eine moderne Volkswirtschaft funktioniert immer noch nach den Grundprinzipien von Angebot und Nachfrage: Steigt die Nachfrage oder fällt das Angebot, führt das zu höheren Preisen. Die Stagflationspropheten ignorieren dieses Prinzip und proklamieren stattdessen eine magische Direktverbindung von einem gestiegenen Volumen an Finanzaktiva zu den Preisen von Gütern und Dienstleistungen. Eine solche Argumentation ist einfach nur schlampige Ökonomie. Die Voraussagen werden deshalb an der Empirie scheitern.



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