Die Goldfinger haben ausgespielt
Im Januar sei für Wassili Papas die Börsenwelt noch in Ordnung gewesen, so die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrer Ausgabe vom vergangenen Samstag. „Die Aussichten“, sagt der 31-jährige Fondsmanager bei der Union Investment, „waren damals fantastisch“. Alle ökonomischen Kennzahlen, die der Betriebswirt in rasender Geschwindigkeit herunterbetet, hätten auf steigende Kurse bei den Technologieaktien hingedeutet. Doch dann sei alles anders gekommen. Der Schnellredner habe in den vergangenen Monaten Tage erlebt, an denen es ihm ziemlich mulmig geworden sei. „Es gab Momente, da habe ich wacklige Knie bekommen“, sagt Papas. Selbst einen Mann, der ein Vermögen von sieben Milliarden DM in sieben verschiedenen Fonds verwalte und es gewohnt sei, täglich ein paar Millionen hin- und her zu schaufeln, lasse es eben nicht kalt, wenn die Aktienkurse fast täglich ein paar Prozent tiefer fallen würden.
Wer sich in diesen Tagen bei den Stars der deutschen Fondsgesellschaften umhöre, habe es nicht leicht, solche offenen Gesprächspartner wie Papas zu finden. Um die „Goldfinger“, die deutsche Finanzmagazine in der Blütezeit der Aktieneuphorie hochgejubelt hätten, sei es ruhiger geworden, seit die Kurse am Neuen Markt nach einem fulminanten Anstieg bis zum 10. März 2000 um durchschnittlich gut 80 Prozent abgesackt seien. Manche – wie Kurt Ochner, der „Guru des Neuen Marktes“ (Spiegel ) – würden in der Öffentlichkeit gar nichts mehr sagen. Andere seien vorsichtig mit Prognosen geworden. Zu häufig hätten sie damit in den vergangenen zwölf Monaten daneben gelegen. Zu oft hätten sie über den Boden fabuliert, den die High-Tech-Werte jetzt endlich erreicht hätten – und am nächsten Tag sei es mit den Kursen wieder bergab gegangen. „Ich gebe keine konkreten Prognosen mehr ab. Dafür bin ich in meiner eigenen Prognosefähigkeit zu oft getäuscht worden“, sagt ein Fondsmanager eines großen Anbieters in München.
Noch nie sei die Unsicherheit unter Fondsmanagern so groß gewesen, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Noch nie hätten Fondsanleger in Deutschland in so kurzer Zeit so viel Geld verloren. Wer sein sauer Erspartes im vergangenen Jahr zu Höchstkursen in die damals rasant wachsende Zahl von Fonds gesteckt habe, die in den Neuen Markt, amerikanische oder asiatische Technologie- und Internetwerte investieren würden, habe ein Desaster erlebt, nachdem der Anstieg der Ölpreise, eine Welle von Gewinnwarnungen und die Angst vor einer Rezession in den USA auf die Stimmung an den Börsen gedrückt hätten. Die Stars der Branche, die noch 1999 als „Reichmacher“ gefeiert worden seien, würden sich – zumindest im Moment – als Armmacher entpuppen.
Bei keinem dürfte das Auf und Ab so atemberaubend gewesen sein wie bei Volker Kuhnwaldt. Der 39-jährige Fondsmanager der Vereins- und Westbank- Tochter Nordinvest habe den ersten deutschen Fonds gemanagt, der sich auf Internet- Werte spezialisiert habe: den Anfang 1998 aufgelegten Nordinternet. In der Hochphase sei es Kuhnwaldt gelungen, bei dem auf amerikanische Aktien spezialisierten Fonds ein Plus von knapp 900 Prozent herauszuholen. Das asiatische Pendant, der nordasia.com, den die Nordinvest Anfang Januar 2000 auf den Markt gebracht habe, sei Kuhnwaldts Arbeitgeber deshalb schier aus den Händen gerissen worden. Viele Anleger hätten offenbar jetzt an eine große Gewinnchance geglaubt, die sie sich keinesfalls entgehen lassen wollten. Sechs Wochen nach Auflage des Fonds hatte die Fondsgesellschaft zwei Milliarden DM eingesammelt. Zeitweise sei das Fondsvermögen bei knapp fünf Milliarden DM gelegen, inzwischen sei es auf etwa 1,5 Milliarden DM geschrumpft. Binnen 15 Monaten habe der Fonds über 70 Prozent seines Wertes verloren. „Der Zeitpunkt für die Auflage des Fonds war offensichtlich nicht gut gewählt. Ein Jahr später wäre natürlich besser gewesen“, sagt Kuhnwaldt jetzt.
Schon im Oktober habe der Fondsmanager zugegeben, manchmal schlecht schlafen zu können, „wenn etwas am Markt passiert, was er nicht versteht“. Damals habe ein Anteil des nordasia.com 44,14 Euro gekostet. Am Donnerstag sei er nurmehr 27,97 Euro wert gewesen. Aber über seine Schlafprobleme wolle der Hamburger nichts mehr in den Medien lesen. Er spricht von einer „emotionalen Belastung“, mit der man als Fondsmanager nun einmal zurecht kommen müsse. Kuhnwaldt wolle nicht jammern, sondern Nervenstärke zeigen. Und er verbreite vorsichtigen Optimismus. „Wenn die Konjunktur in den USA wieder Tritt fasst und die Notenbanken die Zinsen weiter senken, könnte sich dies auf die Kurse positiv auswirken.“
Eine Prognose, wann die Erstkäufer des nordasia.com zumindest aus der Verlustzone kommen könnten, will der Fondsmanager nicht geben. Dafür sei die Enttäuschung über den Salami-Crash zu groß. „Es war nicht vorherzusehen, dass die US-Technologiebörse NASDAQ den größten Absturz ihrer Geschichte erlebt. Vor einem Jahr hätte ich die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert, auf fünf Prozent geschätzt“, sagt Kuhnwaldt.
Er ist nicht der einzige, der sich geirrt hat. Das Ende der Internet- Euphorie und der Niedergang von NASDAQ und Neuem Markt hätten auch Deutschlands bekannteste Fondsmanagerin, Elisabeth Weisenhorn, hart getroffen. Die 44- jährige Volkswirtin habe laut der „Süddeutschen Zeitung“ früher ein Milliarden-Vermögen für die Deutsche- Bank-Tochter DWS gemanagt. Im roten Kostüm habe Weisenhorn im Herbst 1999 von einer Werbebroschüre des Geldinstituts gestrahlt, daneben der Titel: „Diese Frau macht Sie zum Millionär.“ Derzeit müsste der Slogan eher heißen: „Diese Frau kann sie ein ganz schönes Stück ärmer machen.“
Auch wenn sich Weisenhorn der DWS-Werbung nicht verweigert habe, halte die Aktienexpertin nichts davon, Fondsmanager zu Stars hochzustilisieren, die angeblich geniale Entscheidungen treffen würden. Die Frau wolle sich an ihren Erfolgen messen lassen, und dafür stehe sie, seit sie sich im Sommer 2000 selbstständig gemacht habe, mit ihrem Namen ein. „Managed by Weisenhorn“ steht auf ihren Präsentationsmappen und in der Selbstdarstellung im Internet. Kunden, die sich von dem bekannten Namen, der bei der DWS für überdurchschnittliche Renditen gestanden habe, anlocken ließen, hätten davon bislang allerdings nicht profitieren können: Die Fonds Weisenhorn Europa und Amerika hätten seit der Auflage im September 2000 weit mehr als ihre Vergleichsindizes eingebüßt. Der von Weisenhorn beratene DWS-Fonds Neuer Markt Deutschland habe seit seiner Gründung am 7. August 2000 etwa 70 Prozent verloren. Die Frankfurter Fondsmanagerin habe genauso wie ihre Kollegen Länge und Ausmaß des Einbruchs am Neuen Markt unterschätzt. Anfang Oktober habe sie sich noch überzeugt gezeigt, dass man bald „bessere Märkte“ sehen werde. Ende Dezember habe sie dann einräumen müssen: „Auch wir sind nicht vor Enttäuschungen gefeit.“
Kaum besser sei es ihrem Rivalen Kurt Ochner ergangen, der als „Mr. Neuer Markt“ gelte und mit ihr und Papas zu den bekanntesten Fondsmanagern in Deutschland zähle. Dem ehemaligen Fallschirmjäger der Bundeswehr habe der Tagesspiegel im April 2000 nachgesagt, er vermehre als „Großmeister des Geldes“ seit 20 Jahren das Kapital „mit der Präzision einer Maschine“. Zuletzt sei diese Maschine allerdings ziemlich ins Stottern geraten. Der von Ochner gemanagte Fonds Julius Bär Multistock Special German Stock Fund habe binnen eines Jahres knapp 70 Prozent verloren. Das Fondsvermögen sei von 1,63 Milliarden DM auf etwa eine Milliarde DM abgesackt.
Die von seiner Fangemeinde viel beachteten Fernsehauftritte, in denen er für seine Börsenlieblinge getrommelt habe, scheine er vorerst abgeblasen zu haben. Auch für Fragen der SZ stehe er nicht zur Verfügung. „Herr Ochner hat derzeit genug damit zu tun, sich um das Portfolio zu kümmern. Es ist nicht seine Aufgabe, Interviews zu geben“, sagt ein Sprecher von Julius Bär Deutschland in Frankfurt.
Ochners Zurückhaltung komme nicht ganz überraschend: In einem Artikel des Spiegel habe er massive Kritik einstecken müssen. Dort habe man ihm vorgeworfen, gezielt in marktenge, also wenig gehandelte Werte zu investieren. Sobald er diese in schlechten Börsenzeiten, in denen Anleger Fondsanteile einlösen wollen, verkaufen müsse, drohe sein Fonds zusammenzubrechen. Vielleicht lasse sich Ochner derzeit auch nicht gerne an seine früheren Prognosen erinnern. So hatte der 48-jährige Volkswirt im Oktober 2000 orakelt, die Talsohle am Neuen Markt sei erreicht. Im Mai hatte er sich allerdings bereits ähnlich geäußert: „Das Schlimmste liegt hinter uns“, tröstete der passionierte Schnapsbrenner damals die Anleger.
Ochner, Kuhnwaldt, Weisenhorn, Papas – die Beispiele würden zeigen, dass auch die besten Fondsmanager schnell vom Himmel fallen könnten, wenn der Markt nicht mitspiele. Nach Ansicht von Iris Albrecht, Vorstand bei der Vermögensverwaltung FondsKapital, gelte dies vor allem für Fonds, die in bestimmte Branchen oder enge Marktsegmente investieren würden. „Die Fondsmanager sind hier in ihrer Anlagepolitik weitgehend festgelegt. Rutschen die Kurse kräftig ab, fällt der entsprechende Fonds ebenfalls kräftig nach unten.“ Die Münchner Fondsexpertin rät deshalb, solche spekulativen Fonds innerhalb eines Depots nur beizumischen und kritisch nachzufragen, wenn Bankberater neue Fondsprodukte anpreisen würden, die womöglich viel zu spät auf den Markt gebracht worden seien und mit Volumen gefüllt werden müssten. Nach den Erfahrungen von Albrecht würden Anleger, die sich zu sehr von ihrer Geldgier treiben lassen und bei der Auswahl von Fonds ausschließlich an Performance-Hitlisten aus dem Vorjahr orientieren würden, häufig daneben greifen. „Oft gehören die Fonds, die auf den ersten Plätzen stehen, ein Jahr später zu den großen Verlierern“, sagt die Fondsexpertin. Albrecht halte nichts von dem Starkult, den manche Medien bei Fondsmanagern pflegen würden. „Die meisten Fondsmanager sind auf ein Team angewiesen, das ihnen bei der Auswahl der Aktien hilft“, sagt die Expertin.
Die Vermarktung ihrer Fondsmanager sei für die Fondsgesellschaften deshalb eine Gratwanderung. „Einerseits wollen die Anleger natürlich wissen, welchen Menschen sie ihr Geld anvertrauen. Dieses Bedürfnis müssen wir befriedigen. Andererseits ist es gefährlich, eine Millionen- Kampagne auf eine Person aufzubauen. Wenn der entsprechende Fondsmanager dann zur Konkurrenz wechselt oder der Fonds eine schlechte Performance bekommt, wird die Kampagne zum Rohrkrepierer“, sagt Rolf Drees, oberster PR-Mann der Union Investment.
Der bekannteste Fondsmanager der Gesellschaft, Wassili Papas, sieht den Starkult ebenfalls mit Skepsis. „Wenn man richtig liegt, wird man zum Helden gemacht, wenn nicht, ist man der Buhmann.“ In den vergangenen Monaten habe der Wertpapierexperte, der von morgens um 7 bis spät in den Abend arbeite, immer wieder darüber nachgedacht, ob er irgendetwas falsch gemacht habe. Was die Auswahl der Aktien angehe, sagt Papas, habe er sich nichts vorzuwerfen. Nur bei der ostdeutschen Softwarefirma Intershop, die mit einer Serie von negativen Unternehmensmeldungen die Investoren überrascht habe, habe er in seiner Einschätzung wirklich daneben gelegen.
Trotzdem seien ihm zum ersten Mal Zweifel an seinen eigenen Fähigkeiten gekommen. Der junge Mann, der nebenbei Philosophie studiert habe, könne die hohen Kursverluste seiner Fonds nicht einfach so wegstecken. Am meisten störe Papas, dass manche Anleger jetzt denken könnten, „dass ich Schrott in meinen Fonds habe. Dabei hätten wir rechtzeitig die Blasenbildung bei Internet-Werten erkannt und nur noch auf hochprofitable Marktführer im Technologie-Sektor gesetzt. Aber diese Unternehmen wurden zu Unrecht an der Börse mit verprügelt. Wenn man dann mit einem so hohen Volumen, wie wir es haben, engagiert ist, können wir praktisch nichts mehr machen.“
Papas wolle sich von den jüngsten Misserfolgen jedoch nicht beirren lassen. „Ich hoffe, dass sich die von uns ausgewählten Qualitätswerte wieder erholen.“ Zugleich warne er vor übertriebenem Optimismus: „In fünf Jahren“, sagt er, „könnten wir vielleicht wieder die alten Höchstkurse erreichen.“ Und dann wäre die Börsenwelt ja wieder in Ordnung.
Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 02.04.2001
Im Januar sei für Wassili Papas die Börsenwelt noch in Ordnung gewesen, so die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrer Ausgabe vom vergangenen Samstag. „Die Aussichten“, sagt der 31-jährige Fondsmanager bei der Union Investment, „waren damals fantastisch“. Alle ökonomischen Kennzahlen, die der Betriebswirt in rasender Geschwindigkeit herunterbetet, hätten auf steigende Kurse bei den Technologieaktien hingedeutet. Doch dann sei alles anders gekommen. Der Schnellredner habe in den vergangenen Monaten Tage erlebt, an denen es ihm ziemlich mulmig geworden sei. „Es gab Momente, da habe ich wacklige Knie bekommen“, sagt Papas. Selbst einen Mann, der ein Vermögen von sieben Milliarden DM in sieben verschiedenen Fonds verwalte und es gewohnt sei, täglich ein paar Millionen hin- und her zu schaufeln, lasse es eben nicht kalt, wenn die Aktienkurse fast täglich ein paar Prozent tiefer fallen würden.
Wer sich in diesen Tagen bei den Stars der deutschen Fondsgesellschaften umhöre, habe es nicht leicht, solche offenen Gesprächspartner wie Papas zu finden. Um die „Goldfinger“, die deutsche Finanzmagazine in der Blütezeit der Aktieneuphorie hochgejubelt hätten, sei es ruhiger geworden, seit die Kurse am Neuen Markt nach einem fulminanten Anstieg bis zum 10. März 2000 um durchschnittlich gut 80 Prozent abgesackt seien. Manche – wie Kurt Ochner, der „Guru des Neuen Marktes“ (Spiegel ) – würden in der Öffentlichkeit gar nichts mehr sagen. Andere seien vorsichtig mit Prognosen geworden. Zu häufig hätten sie damit in den vergangenen zwölf Monaten daneben gelegen. Zu oft hätten sie über den Boden fabuliert, den die High-Tech-Werte jetzt endlich erreicht hätten – und am nächsten Tag sei es mit den Kursen wieder bergab gegangen. „Ich gebe keine konkreten Prognosen mehr ab. Dafür bin ich in meiner eigenen Prognosefähigkeit zu oft getäuscht worden“, sagt ein Fondsmanager eines großen Anbieters in München.
Noch nie sei die Unsicherheit unter Fondsmanagern so groß gewesen, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Noch nie hätten Fondsanleger in Deutschland in so kurzer Zeit so viel Geld verloren. Wer sein sauer Erspartes im vergangenen Jahr zu Höchstkursen in die damals rasant wachsende Zahl von Fonds gesteckt habe, die in den Neuen Markt, amerikanische oder asiatische Technologie- und Internetwerte investieren würden, habe ein Desaster erlebt, nachdem der Anstieg der Ölpreise, eine Welle von Gewinnwarnungen und die Angst vor einer Rezession in den USA auf die Stimmung an den Börsen gedrückt hätten. Die Stars der Branche, die noch 1999 als „Reichmacher“ gefeiert worden seien, würden sich – zumindest im Moment – als Armmacher entpuppen.
Bei keinem dürfte das Auf und Ab so atemberaubend gewesen sein wie bei Volker Kuhnwaldt. Der 39-jährige Fondsmanager der Vereins- und Westbank- Tochter Nordinvest habe den ersten deutschen Fonds gemanagt, der sich auf Internet- Werte spezialisiert habe: den Anfang 1998 aufgelegten Nordinternet. In der Hochphase sei es Kuhnwaldt gelungen, bei dem auf amerikanische Aktien spezialisierten Fonds ein Plus von knapp 900 Prozent herauszuholen. Das asiatische Pendant, der nordasia.com, den die Nordinvest Anfang Januar 2000 auf den Markt gebracht habe, sei Kuhnwaldts Arbeitgeber deshalb schier aus den Händen gerissen worden. Viele Anleger hätten offenbar jetzt an eine große Gewinnchance geglaubt, die sie sich keinesfalls entgehen lassen wollten. Sechs Wochen nach Auflage des Fonds hatte die Fondsgesellschaft zwei Milliarden DM eingesammelt. Zeitweise sei das Fondsvermögen bei knapp fünf Milliarden DM gelegen, inzwischen sei es auf etwa 1,5 Milliarden DM geschrumpft. Binnen 15 Monaten habe der Fonds über 70 Prozent seines Wertes verloren. „Der Zeitpunkt für die Auflage des Fonds war offensichtlich nicht gut gewählt. Ein Jahr später wäre natürlich besser gewesen“, sagt Kuhnwaldt jetzt.
Schon im Oktober habe der Fondsmanager zugegeben, manchmal schlecht schlafen zu können, „wenn etwas am Markt passiert, was er nicht versteht“. Damals habe ein Anteil des nordasia.com 44,14 Euro gekostet. Am Donnerstag sei er nurmehr 27,97 Euro wert gewesen. Aber über seine Schlafprobleme wolle der Hamburger nichts mehr in den Medien lesen. Er spricht von einer „emotionalen Belastung“, mit der man als Fondsmanager nun einmal zurecht kommen müsse. Kuhnwaldt wolle nicht jammern, sondern Nervenstärke zeigen. Und er verbreite vorsichtigen Optimismus. „Wenn die Konjunktur in den USA wieder Tritt fasst und die Notenbanken die Zinsen weiter senken, könnte sich dies auf die Kurse positiv auswirken.“
Eine Prognose, wann die Erstkäufer des nordasia.com zumindest aus der Verlustzone kommen könnten, will der Fondsmanager nicht geben. Dafür sei die Enttäuschung über den Salami-Crash zu groß. „Es war nicht vorherzusehen, dass die US-Technologiebörse NASDAQ den größten Absturz ihrer Geschichte erlebt. Vor einem Jahr hätte ich die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert, auf fünf Prozent geschätzt“, sagt Kuhnwaldt.
Er ist nicht der einzige, der sich geirrt hat. Das Ende der Internet- Euphorie und der Niedergang von NASDAQ und Neuem Markt hätten auch Deutschlands bekannteste Fondsmanagerin, Elisabeth Weisenhorn, hart getroffen. Die 44- jährige Volkswirtin habe laut der „Süddeutschen Zeitung“ früher ein Milliarden-Vermögen für die Deutsche- Bank-Tochter DWS gemanagt. Im roten Kostüm habe Weisenhorn im Herbst 1999 von einer Werbebroschüre des Geldinstituts gestrahlt, daneben der Titel: „Diese Frau macht Sie zum Millionär.“ Derzeit müsste der Slogan eher heißen: „Diese Frau kann sie ein ganz schönes Stück ärmer machen.“
Auch wenn sich Weisenhorn der DWS-Werbung nicht verweigert habe, halte die Aktienexpertin nichts davon, Fondsmanager zu Stars hochzustilisieren, die angeblich geniale Entscheidungen treffen würden. Die Frau wolle sich an ihren Erfolgen messen lassen, und dafür stehe sie, seit sie sich im Sommer 2000 selbstständig gemacht habe, mit ihrem Namen ein. „Managed by Weisenhorn“ steht auf ihren Präsentationsmappen und in der Selbstdarstellung im Internet. Kunden, die sich von dem bekannten Namen, der bei der DWS für überdurchschnittliche Renditen gestanden habe, anlocken ließen, hätten davon bislang allerdings nicht profitieren können: Die Fonds Weisenhorn Europa und Amerika hätten seit der Auflage im September 2000 weit mehr als ihre Vergleichsindizes eingebüßt. Der von Weisenhorn beratene DWS-Fonds Neuer Markt Deutschland habe seit seiner Gründung am 7. August 2000 etwa 70 Prozent verloren. Die Frankfurter Fondsmanagerin habe genauso wie ihre Kollegen Länge und Ausmaß des Einbruchs am Neuen Markt unterschätzt. Anfang Oktober habe sie sich noch überzeugt gezeigt, dass man bald „bessere Märkte“ sehen werde. Ende Dezember habe sie dann einräumen müssen: „Auch wir sind nicht vor Enttäuschungen gefeit.“
Kaum besser sei es ihrem Rivalen Kurt Ochner ergangen, der als „Mr. Neuer Markt“ gelte und mit ihr und Papas zu den bekanntesten Fondsmanagern in Deutschland zähle. Dem ehemaligen Fallschirmjäger der Bundeswehr habe der Tagesspiegel im April 2000 nachgesagt, er vermehre als „Großmeister des Geldes“ seit 20 Jahren das Kapital „mit der Präzision einer Maschine“. Zuletzt sei diese Maschine allerdings ziemlich ins Stottern geraten. Der von Ochner gemanagte Fonds Julius Bär Multistock Special German Stock Fund habe binnen eines Jahres knapp 70 Prozent verloren. Das Fondsvermögen sei von 1,63 Milliarden DM auf etwa eine Milliarde DM abgesackt.
Die von seiner Fangemeinde viel beachteten Fernsehauftritte, in denen er für seine Börsenlieblinge getrommelt habe, scheine er vorerst abgeblasen zu haben. Auch für Fragen der SZ stehe er nicht zur Verfügung. „Herr Ochner hat derzeit genug damit zu tun, sich um das Portfolio zu kümmern. Es ist nicht seine Aufgabe, Interviews zu geben“, sagt ein Sprecher von Julius Bär Deutschland in Frankfurt.
Ochners Zurückhaltung komme nicht ganz überraschend: In einem Artikel des Spiegel habe er massive Kritik einstecken müssen. Dort habe man ihm vorgeworfen, gezielt in marktenge, also wenig gehandelte Werte zu investieren. Sobald er diese in schlechten Börsenzeiten, in denen Anleger Fondsanteile einlösen wollen, verkaufen müsse, drohe sein Fonds zusammenzubrechen. Vielleicht lasse sich Ochner derzeit auch nicht gerne an seine früheren Prognosen erinnern. So hatte der 48-jährige Volkswirt im Oktober 2000 orakelt, die Talsohle am Neuen Markt sei erreicht. Im Mai hatte er sich allerdings bereits ähnlich geäußert: „Das Schlimmste liegt hinter uns“, tröstete der passionierte Schnapsbrenner damals die Anleger.
Ochner, Kuhnwaldt, Weisenhorn, Papas – die Beispiele würden zeigen, dass auch die besten Fondsmanager schnell vom Himmel fallen könnten, wenn der Markt nicht mitspiele. Nach Ansicht von Iris Albrecht, Vorstand bei der Vermögensverwaltung FondsKapital, gelte dies vor allem für Fonds, die in bestimmte Branchen oder enge Marktsegmente investieren würden. „Die Fondsmanager sind hier in ihrer Anlagepolitik weitgehend festgelegt. Rutschen die Kurse kräftig ab, fällt der entsprechende Fonds ebenfalls kräftig nach unten.“ Die Münchner Fondsexpertin rät deshalb, solche spekulativen Fonds innerhalb eines Depots nur beizumischen und kritisch nachzufragen, wenn Bankberater neue Fondsprodukte anpreisen würden, die womöglich viel zu spät auf den Markt gebracht worden seien und mit Volumen gefüllt werden müssten. Nach den Erfahrungen von Albrecht würden Anleger, die sich zu sehr von ihrer Geldgier treiben lassen und bei der Auswahl von Fonds ausschließlich an Performance-Hitlisten aus dem Vorjahr orientieren würden, häufig daneben greifen. „Oft gehören die Fonds, die auf den ersten Plätzen stehen, ein Jahr später zu den großen Verlierern“, sagt die Fondsexpertin. Albrecht halte nichts von dem Starkult, den manche Medien bei Fondsmanagern pflegen würden. „Die meisten Fondsmanager sind auf ein Team angewiesen, das ihnen bei der Auswahl der Aktien hilft“, sagt die Expertin.
Die Vermarktung ihrer Fondsmanager sei für die Fondsgesellschaften deshalb eine Gratwanderung. „Einerseits wollen die Anleger natürlich wissen, welchen Menschen sie ihr Geld anvertrauen. Dieses Bedürfnis müssen wir befriedigen. Andererseits ist es gefährlich, eine Millionen- Kampagne auf eine Person aufzubauen. Wenn der entsprechende Fondsmanager dann zur Konkurrenz wechselt oder der Fonds eine schlechte Performance bekommt, wird die Kampagne zum Rohrkrepierer“, sagt Rolf Drees, oberster PR-Mann der Union Investment.
Der bekannteste Fondsmanager der Gesellschaft, Wassili Papas, sieht den Starkult ebenfalls mit Skepsis. „Wenn man richtig liegt, wird man zum Helden gemacht, wenn nicht, ist man der Buhmann.“ In den vergangenen Monaten habe der Wertpapierexperte, der von morgens um 7 bis spät in den Abend arbeite, immer wieder darüber nachgedacht, ob er irgendetwas falsch gemacht habe. Was die Auswahl der Aktien angehe, sagt Papas, habe er sich nichts vorzuwerfen. Nur bei der ostdeutschen Softwarefirma Intershop, die mit einer Serie von negativen Unternehmensmeldungen die Investoren überrascht habe, habe er in seiner Einschätzung wirklich daneben gelegen.
Trotzdem seien ihm zum ersten Mal Zweifel an seinen eigenen Fähigkeiten gekommen. Der junge Mann, der nebenbei Philosophie studiert habe, könne die hohen Kursverluste seiner Fonds nicht einfach so wegstecken. Am meisten störe Papas, dass manche Anleger jetzt denken könnten, „dass ich Schrott in meinen Fonds habe. Dabei hätten wir rechtzeitig die Blasenbildung bei Internet-Werten erkannt und nur noch auf hochprofitable Marktführer im Technologie-Sektor gesetzt. Aber diese Unternehmen wurden zu Unrecht an der Börse mit verprügelt. Wenn man dann mit einem so hohen Volumen, wie wir es haben, engagiert ist, können wir praktisch nichts mehr machen.“
Papas wolle sich von den jüngsten Misserfolgen jedoch nicht beirren lassen. „Ich hoffe, dass sich die von uns ausgewählten Qualitätswerte wieder erholen.“ Zugleich warne er vor übertriebenem Optimismus: „In fünf Jahren“, sagt er, „könnten wir vielleicht wieder die alten Höchstkurse erreichen.“ Und dann wäre die Börsenwelt ja wieder in Ordnung.
Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 02.04.2001