Warum der Nasdaq heute so nervös ist.

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DarkKnight:

Warum der Nasdaq heute so nervös ist.

 
23.01.01 16:23

Der erste volle Arbeitstag des neuen US-Präsidenten begann mit einem Dementi. Nein, ließ George W. Bush durch einen engen Mitarbeiter am Sonntagmorgen ausrichten, zwischen ihm und seinem Finanzminister Paul O'Neill gebe es keine Meinungsverschiedenheiten in der Steuerpolitik.

Das Dementi heizte die Spekulationen nur noch mehr an: Wer, fragen sich Beobachter in Washington zunehmend, bestimmt in der US-Regierung eigentlich künftig den wirtschaftspolitischen Kurs? Da ist zum einen der 65-jährige O'Neill, der bisher Chef des Aluminium-Konzerns Alcoa war. Als Finanzminister ist er formal die zentrale Figur in der amerikanischen Wirtschaftspolitik.

Auf der anderen Seite steht jedoch Larry Lindsey. Der 47-jährige ehemalige Zentralbankgouverneur hat für Bush im Wahlkampf das Team der Wirtschaftsberater geleitet. Lindsey war es auch, der das Steuerpaket zusammengestellt hat, mit dem Bush Amerikas Steuerzahler binnen zehn Jahren um - je nach Berechnungsgrundlage - 1,3 bis 1,6 Bill. Dollar entlasten will. Bush hatte dem Vernehmen nach mit dem Gedanken gespielt, Lindsey zum Finanzminister zu machen. An den Finanzmärkten stieß er damit jedoch auf Skepsis. Larry Lindsey hat in den 80er Jahren an der Harvard University gelehrt und später unter Bush senior im Weißen Haus gearbeitet. Von 1991 bis zu seinem freiwilligen Rückzug 1997 war er Zentralbankgouverneur. Es kamen als Finanzminister statt seiner mehrere prominente Wall-Street-Banker ins Gespräch. Alle Kandidaten winkten aber schließlich ab: Der offensichtliche Grund: Zu unklar ist, wie stark der Finanzminister tatsächlich sein wird und ob er nicht doch im Schatten Lindseys stehen wird.

Diese Unsicherheit hat Bush noch geschürt. Er stellte Lindsey nicht, wie allgemein erwartet, an die Spitze des "Council of Economic Advisers" oder des von Bill Clinton eingerichteten "National Economic Council". Stattdessen besetzt Lindsey bis auf weiteres die nicht näher definierte Funktion eines "wirtschaftspolitischen Assistenten des Präsidenten".
Finanzminister wurde mit Paul O'Neill schließlich ein Überraschungskandidat. O'Neill gilt in Fachkreisen als hervorragender Manager. Washington-Erfahrung hat er auch, denn von 1967 bis 1977 hat er in der Haushaltsabteilung des Weißen Hauses gearbeitet. Wirtschaftspolitisch hat O'Neill allerdings kaum Profil.

Am vergangenen Mittwoch, als O'Neill erstmals dem Finanzausschuss des amerikanischen Senats Frage und Antwort stehen musste, bestätigte sich dieser Eindruck. So hieß O'Neill zwar das von Lindsey geschnürte Steuersenkungspaket im Prinzip gut. Ausdrücklich weigerte er sich aber, sich der Argumentation seines neuen Chefs anzuschließen. Bush und auch Lindsey hatten die Steuerpläne zuletzt vor allem damit gerechtfertigt, dass angesichts der lahmenden Konjunktur kurzfristig die Nachfrage gestärkt werden müsse.

Überdies brachte O'Neill bei der Anhörung eine Senkung der Kapitalertragsteuer ins Spiel. Diese Steuer fällt, mit einem Satz von 20 %, bei der Realisierung von Kursgewinnen an. Viele Ökonomen argumentieren, durch eine Senkung der Steuer könne die in den vergangenen Jahren drastisch gesunkene Sparquote wieder gesteigert werden.

Zugleich würde damit aber auch neues Kapital in den Aktienmarkt fließen. Gerade Larry Lindsey dürfte den Vorschlag daher skeptisch sehen: Seit Jahren schon mahnt er immer wieder, die amerikanischen Börsenkurse seien übertrieben hoch.
Immerhin haben Lindsey und O'Neill zwei Dinge gemein: Beide stehen mit Zentralbankchef Alan Greenspan auf gutem Fuß. Lindsey hat mit Greenspan im Zentralbankrat reibungslos zusammengearbeitet, und O'Neill ist mit Greenspan sogar befreundet - in den USA, wo vor der Clinton-Ära politische Angriffe auf die Zentralbank immer wieder für Irritationen an den Märkten gesorgt hatten, durchaus kein unbedeutender Faktor.
Lindsey wie O'Neill setzen sich zudem auch unisono für die Fortführung der "Politik des starken Dollar" ein. Von Lindsey ist dies seit längerem bekannt: Dem Bush-Berater gingen schon die Stützungskäufe zugunsten des Euro im vergangenen Herbst zu weit. Beim Aluminium-Manager O'Neill hatten die Märkte Zweifel: Anders als Wall Street wäre gerade der verarbeitenden Industrie in den USA eine Abschwächung des Dollar nur recht.
O'Neill für "starken Dollar"
Bei der Anhörung im Senat trat O'Neill jedoch allen Spekulationen unerwartet deutlich entgegen: "Ich bin für einen starken Dollar", ließ er wissen, "ich kann mir nicht vorstellen, warum irgendjemand das Gegenteil denken sollte." Prompt legte der Greenback gegenüber dem Euro vergangene Woche um einen vollen Cent zu. Außerdem bekannte O'Neill, dass er die Ziele seiner Vorgänger - fiskalische Disziplin und Schuldenreduzierung - teile.

Fazit: alle sich widersprechenden Positionen besetzt, Richtung unklar, jede Interpretation möglich. Prinzip Hoffnung.
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