Wahre innere Werte
Börsenaltmeister André Kostolany war ein Verfechter der Fundamentalanalyse. Auch Multimillionär Warren Buffet ist ein Anhänger dieser Methode. Hans-Dieter Schulz, Mitherausgeber der Hoppenstedt-Charts, hingegen schwört eher auf die Chartanalyse.
Die Diskussion ist schon fast zu einem Glaubenskrieg unter Börsengurus und solchen, die es gerne werden würden, ausgeartet. Kein Wunder: Wer kauft schon gerne überteuerte Aktien oder lässt sich ein verborgenes Juwel durch die Lappen gehen?
Während sich Chartanalytiker auf den Kursverlauf konzentrieren und aus ihm neue Höhenflüge und Kurseinbrüche herauslesen, haben die Fundamentalanalytiker die Unternehmenszahlen im Auge, um den inneren Wert einer Aktie zu berechnen.
Dabei greifen die Analysten in der Regel auf Zahlen aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung zurück. Im Mittelpunkt stehen Ertragskennzahlen wie der Gewinn je Aktie.
Daneben gibt es aber auch eine Reihe von Hilfsindikatoren, die speziell für die vielen neuen Internetbuden - mit guten Ideen, aber roten Zahlen - entworfen wurden. Bei denen schauen Anleger zum Beispiel auf die Zahl der registrierten Nutzer oder die Seitenabrufe.
Prinzipiell lässt sich jede Kennzahl der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung mit anderen Eckdaten in Bezug setzen. Doch das ist sehr aufwändig und liefert nicht immer brauchbare Vergleichsgrößen. Da Unternehmen zum Beispiel bei Abschreibungen oder bei der Bewertung ihres Vermögens Wahlmöglichkeiten haben, rechnen sich manche Firmen reich und andere eher arm. Keine gute Basis, um Vergleiche innerhalb einer Branche zu berechnen. Deshalb haben sich im Laufe der Zeit - die Geschichte der Fundamentalanalyse reicht ein paar Jahrzehnte weiter zurück als die der Chartanalyse - einige feste Größen etabliert, bei denen es keinen höheren Auslegungsbedarf gibt.
Dividende
Immer mehr Anleger kaufen Aktien nur, um irgendwann bei einem Verkauf Kursgewinne einzustreichen. Es soll aber auch noch Anleger geben, die sich über eine jährliche Dividendenzahlung freuen.
Wenn Unternehmen eine Kürzung oder eine Anhebung der Dividende ankündigen oder auch nur andeuten, ist das meist ein Auslöser für Kursturbulenzen. Dabei ist die Kürzung einer Dividende an sich kein Grund zur Panik, wenn das Unternehmen einen guten Grund wie zum Beispiel Expansionspläne nachweisen kann. Entfällt die Dividende allerdings ständig, sollte das zu denken geben. Bunte Hunde sind wieder einmal die (Internet-)Startups. Noch ganz frisch im Geschäft, wird es eine Weile dauern, bis sie nennenswerte Dividenden zahlen. Anleger sollten sich deshalb immer ansehen, wie Analysten die Zukunft solcher Unternehmen einschätzen.
Dividendenrendite
Die Höhe der Dividende allein sagt noch nicht viel über die Attraktivität einer Aktie aus. Erst im Vergleich zum aktuellen Kurs wird es interessant: Dividende x 100 / Kurs. Je höher diese Kennzahl ist, desto interessanter ist die Aktie als langfristige Geldanlage. Liegt eine Aktie deutlich unter dem Branchendurchschnitt, sollte man schon auf hohe Kursgewinne spekulieren können, um das auszugleichen. Wie überall gilt auch hier: Prognosen der Analysten sind besonders interessant für die Potenzialeinschätzung.
Gewinn pro Aktie
Natürlich findet es ein Aktionär schick, wenn das Unternehmen, an dem er Anteile besitzt, Gewinn abwirft. Gewinnwarnungen, die ein Unternehmen ausgeben muss, wenn die Ergebnisse hinter den Erwartungen zurückbleiben, tun den Kursen selten gut.
Auf dem Gewinn basieren auch diverse Kennzahlen aus der Fundamentalanalyse. Die einfachste ist der Gewinn pro Aktie: Der Jahresüberschuss, der in der Bilanz meist als "DVFA/SG-Ergebnis" auftaucht, wird auf die Anzahl der ausgegebenen Aktien umgelegt. Viel Gewinn bei wenig Aktien ist im Branchenvergleich natürlich besser als wenig Gewinn, verteilt auf viele Aktionäre.
Kurs-Gewinn-Verhältnis
Eine schon seit Jahrzehnten beliebte Ertragskennzahl ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) oder auch Price-Earnings-Ratio (PER). Es berechnet sich aus dem Verhältnis von Kurs und Gewinn pro Aktie. Stellt man das KGV eines Unternehmens in Relation zum durchschnittlichen KGV der Branche, erhält man einen ersten Eindruck von einer möglichen Über- oder Unterbewertung. Überbewertet ist eine Aktie dann, wenn das KGV deutlich über dem des Branchendurchschnitts liegt. Das heißt dann, dass die Aktie im Vergleich zu dem, was die Firma tatsächlich abwirft, teuer ist.
Rechenbeispiel:
Kurs = 10 $
Gewinn = 0,20 $ pro Aktie
KGV = 10 / 0,2 = 50
Was aber bedeutet ein KGV von 50? Unter der Voraussetzung, dass die Gewinne konstant bleiben, muss man bei diesem KGV 50 Jahre warten, bis die Erträge den Kaufpreis decken. Wie gesagt: bei konstanten Gewinnen!
Das KGV hat allerdings einen Haken: Wachstumsunternehmen wie im Internetbereich erwirtschaften oft (noch) keine Gewinne. Insofern lässt sich auch nichts berechnen. Wenn sie hingegen schon profitabel sind, wachsen sie oft so stark, dass die Gewinne mit Raten von bis zu 200 Prozent pro Jahr zunehmen. Das KGV ist deshalb in solchen Fällen mit Vorsicht zu genießen.
Eine Methode, die bei vielen Internetfirmen angewandt wird, die momentan Verluste schreiben, ist der Vergleich des Umsatzes mit dem Börsenwert. Der Börsenwert wird dabei durch den erzielten Umsatz geteilt, es ergibt sich das Kurs-Umsatz-Verhältnis, das mit anderen Unternehmen der gleichen Branche verglichen werden kann.
Price-Earnings-to-Growth-Ratio
Das traditionelle KGV ist also bei stark wachsenden Unternehmen keine sinnvolle Bewertungskennziffer. Deshalb wurde das KGV modifiziert, um Wachstumsgrößen erweitert und zum sogenannten Price-Earnings-to-Growth-Ratio (PEG) kombiniert. Das PEG berechnet sich wie folgt: PEG = KGV / Gewinnwachstum (in Prozent). Man stellt also langfristiges Wachstum (repräsentiert durch das KGV) dem dynamischen Wachstum gegenüber.
Rechenbeispiel:
KGV = 50
Gewinnwachstum = 200 %
PEG = 50 / 200 = 0,25
Die Bewertung geht von folgendem Maßstab aus: Wenn das langfristige Wachstum (KGV) gleich der Gewinndynamik ist, ist PEG = 1. Ist das KGV höher als das Gewinnwachstum, ist das PEG größer als 1 und damit die Aktie zu hoch bewertet, sprich zu teuer. Bei einem PEG von 1 ist die Aktie fair bewertet, ein Wert von unter 1 spricht für eine Unterbewertung, die Aktie kann somit ein Schnäppchen sein.
Umsatzmultiple
KGV und PEG setzen voraus, dass das betrachtete Unternehmen Gewinne erzielt. Besonders Wachstumsunternehmen fahren aber oft über mehrere Jahre Verluste ein. Die Berechnung eines KGV oder PEG ist dann nicht möglich. In diesem Fall lässt sich das so genannte Umsatzmultiple als Hilfsindikator verwenden. Es wird auch als Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) bezeichnet. Das Umsatzmultiple errechnet sich aus der Marktkapitalisierung, also dem Börsenwert, dividiert durch den Umsatz.
Rechenbeispiel:
Marktkapitalisierung: 5 Mrd. $
Umsatz = 10 Mill. $
Umsatzmultiple = 500
Genau wie beim KGV ist das Umsatzmultiple nur im Branchenvergleich aussagekräftig. Liegt die Zahl deutlich höher als die der Mitbewerber, ist die Aktie an sich überbewertet, sprich teuer. Ein Umsatzmultiple von 500 wie in unserem Beispiel gilt in jedem Fall als äußerst hoch.
Alles ist relativ
Bei allen Kennziffern ist zu berücksichtigen, dass der Wert allein nicht sonderlich aussagekräftig ist, sondern sich nur im Vergleich zum Branchendurchschnitt sinnvoll interpretieren lässt. Oft bietet sich sogar an, nach einzelnen Geschäftsbereichen zu unterscheiden. So wird Software-Unternehmen im Bereich B2B-Marktplattformen eine höhere Bewertung zugestanden als Hardware-Unternehmen und Infrastrukturanbietern.
Schwierig wird es bei der Bewertung von Vermögensgegenständen, für die es quasi keinen Markt gibt, deren Wert aber sehr hoch sein kann: eine gute Geschäftsidee, ein aggressives Management oder ein Domainname.
Kein Wunder also, dass die Popularität der Fundamentalanalyse in den vergangenen Jahren gelitten hat: Internet-Startups schossen wie Pilze aus dem Boden, sie schrieben tiefrote Zahlen, ihre Kurse kraxelten dennoch in schwindelerregende Höhen - ein Phänomen, dass sich allein über die Analyse von Unternehmenswerten nicht vorhersagen ließ.
Aufwind bekam das langjährige Stiefkind, die Chartanalyse. Denn Kurse zum Analysieren gab es ja genügend. In letzter Zeit mehren sich aber die Stimmen, die eine Renaissance der Werte fordern. Analysten warnen vor der völligen Überbewertung von Internetaktien: Die Marktkapitalisierung mancher Unternehmen übersteigt das Umsatzvolumen um ein Vielfaches. Nasdaq und Neuer Markt taumeln immer öfter von einem Hoch ins nächste Tief.
Die ersten Firmenpleiten wie zum Beispiel die von Boo.com schockten die Fan-Gemeinde noch. Mittlerweile kursieren in der Presse diverse mehr oder weniger seriöse Listen, die zeigen, wem wann das Geld ausgeht.
DreamTeam
Daraus allerdings abzuleiten, dass die Fundamentalanalyse die einzig selig machende Methode ist, ist sicherlich falsch. Die Chartanalyse leistet ganz besonders bei der kurz- und mittelfristigen Planung gute Dienste. Warum also nicht beide Methoden anwenden? Wobei wohl so mancher Anhänger von Internetwerten erst mal wieder lernen muss, einen Schritt zurückzutreten und sich ganz nüchtern zu fragen: Kann das überhaupt sein? - Zugegeben, das ist bei weitem nicht so aufregend, wie sich vom Internethype mitreißen zu lassen, aber auf die Dauer sicher nervenschonender.
Fundamentales zum Üben
Die zur Fundamentalanalyse nötigen Unternehmensdaten lassen sich hier abrufen:
- www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/...n/buildhbi/index.html target="_new" rel="nofollow">www.handelsblatt.com
- de.finance.yahoo.com/ target="_new" rel="nofollow">de.finance.yahoo.com/
- finance.yahoo.com/ target="_new" rel="nofollow">finance.yahoo.com
- www.onvista.com/ target="_new" rel="nofollow">www.onvista.com
- www.finanzen.net/ target="_new" rel="nofollow">www.finanzenonline.de Wer ganz von vorne anfangen will, für den gibt es einen Einsteigerkurs Aktien & Börse unter:
- www.tradewire.de/ target="_new" rel="nofollow">www.tradewire.de oder unter help.yahoo.com/help/de/fin/ target="_new" rel="nofollow">help.yahoo.com/help