US-Wirtschaft leidet unter Terrorfolgen
Von René Gribnitz, Jörn Paterak und Guido Reinking, Hamburg
Gewinnwarnungen, Produktionsausfälle, Nachfrageeinbruch: Die Terroranschläge in New York und Washington haben zunehmend ernste Folgen - und das nicht nur für US-Unternehmen.
Besonders hart trifft es die ohnehin schon krisengeschüttelte US-Autoindustrie sowie die Computer und Chipproduzenten, deren Just-in-Time-Produktion auf einen steten Teilezufluss angewiesen ist. Und der ist in den vergangenen Tagen ganz oder teilweise zum Erliegen gekommen.
Beispiel Ford: Der zweitgrößte Automobilhersteller der Welt hat eine Gewinnwarnung abgegeben und fünf seiner nordamerikanischen Werke für eine Woche geschlossen. 12.800 Mitarbeiter sind davon betroffen. "Hauptgrund sind Lieferengpässe wegen der Grenzsperrung zu Kanada sowie die zeitweise Schließung der Flughäfen und Häfen", erklärte eine Ford-Sprecher. Auch wenn die Grenzen teilweise wieder offen sind, sorgen doch die schärferen Kontrollen für Verzögerungen.
Auch General Motors und DaimlerChrysler leiden unter Engpässen in der Teileversorgung. Moderne Automobilfabriken haben, wie auch die Hersteller von Computern und Elektronik, kaum noch Lager. Oft reicht der Puffer nur wenige Stunden, dann steht die Produktion still.
Gesenkte Ziele
Doch für die großen drei US-Autohersteller kommt der Engpass nicht ungelegen: Im August fiel ihr Marktanteil in den USA zusammengenommen erstmals unter 60 Prozent auf ein historisches Tief. Die Halden unverkaufter Neuwagen sind gut gefüllt. Zudem gibt es von Seiten des Handels erste Meldungen über die deutliche Käuferzurückhaltung: Bis zu 50 Prozent ist der Neuwagenabsatz in manchen Orten zurückgegangen. Ford senkte daraufhin das Produktionsziel für das laufende Quartal von 930.000 auf 810.000 bis 820.000 Autos. Im zweiten Quartal 2000 produzierte Ford noch 1,052 Millionen Wagen in Nordamerika.
An den Börsen gerieten Aktien von Ford und GM am Montag an ihrem ersten Handelstag seit der Katastrophe förmlich unter die Räder: Sie notierten zwölf bis 13 Prozent schwächer, während sich DaimlerChrysler nach dem Einbruch der vergangenen Woche wieder erholen konnte.
Die großen Logistikdienstleister können langsam wieder aufatmen. Ein Sprecher der Schweizer Post-Tochter Danzas spricht von einer "deutlichen Entschärfung" der Lage. Mittlerweile seien die liegen gebliebenen Waren weitgehend an die Fluggesellschaften übergeben worden. Um die Rückstände aufzuarbeiten, wurden zusätzliche Maschinen gechartert. Allein bei Danzas fallen täglich rund 1500 Tonnen Luftfracht für die USA an. In den vergangenen Tagen platzten die Lager von Spediteuren wie Kühne & Nagel oder der Stinnes-Tochter Schenker aus allen Nähten. Die meisten Spediteure rechnen nicht mit Umsatzeinbußen. Allerdings fielen zusätzliche Kosten an, die nicht auf die Kunden umgelegt werden können und daher das Ergebnis belasten.
Deutliche Ergebnisauswirkung
Schlimmer trifft es da die Frachtsparten der Fluglinien, wie etwa Lufthansa Cargo: Viele Flüge konnten schlicht nicht stattfinden. Nicht nur deshalb rechnet eine Sprecherin der Airline mit "einer deutlichen Ergebnisauswirkung" der USA-Krise. Das Unternehmen fürchtet als Folge der Terroranschläge vor allem einen Einbruch der Konjunktur und eine dadurch ausgelöste sinkende Nachfrage nach Transportkapazität.
Die Spediteure sorgen sich vor allem um die Kosten für neue Sicherheitsmaßnahmen im Luftfrachtverkehr, die deutlich verschärft werden. So fürchtet etwa der Danzas-Sprecher, dass künftig sämtliche Luftfrachten vor der Verladung langwierig durchleuchtet werden müssen. In Großbritannien etwa sei eine solche Vorschrift schon "spruchreif". Damit dürften die Kosten für den Warentransport spürbar anziehen.
Die schwierige Situation der Branche lässt sich auch am Kurs der US-Paketdienste UPS und Fedex ablesen, der am Montag erstmals seit einer Woche an der Wall Street wieder ermittelt wurde. Fedex gab bis zum Nachmittag um sechs Prozent auf 37,58 $ nach. UPS, der weltgrößte Paketdienst, verlor 2,5 Prozent auf 51,77 $.
Nachfrage kann sinken
Auch die Lage der Computerindustrie und ihrer Zulieferer droht sich zu verschlechtern. Während die Lieferschwierigkeiten durch das Flugverbot zum Großteil durch die großen Lagerbestände hatten ausgeglichen werden können, wächst hier die Furcht, dass die bereits schwache Nachfrage weiter sinkt. "Damit ist zu rechnen", sagte ein Compaq-Sprecher. Vor allem dann, wenn es zu einem Krieg kommt. Das Ausmaß der Folgen sei nicht abzuschätzen.
Schon jetzt gehen Analysten davon aus, dass die Computerverkäufe in den USA im September unter den Erwartungen liegen werden. Nach den traditionell schwachen Urlaubsmonaten hatten die Hersteller mit wieder steigenden Verkaufszahlen gerechnet. Nach den Anschlägen sehen Analysten die erhoffte Erholung aber bis zum Jahresende gefährdet. Unternehmen würden - wenn überhaupt - eher in Sicherheitstechnik als in Computer investieren.
Die Aktienkurse fast aller PC-Hersteller gaben am Montag in New York kräftig nach. Dell-Aktien verloren zeitweise über fünf Prozent, Papiere von Compaq kosteten bis zu zwölf Prozent weniger als am Vortag.