US-Börsenaufsicht - Überforderte Sheriffs

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US-Börsenaufsicht - Überforderte Sheriffs

 
28.06.02 15:10
U S - B Ö R S E N A U F S I C H T


Die überforderten Sheriffs


US-Börsenaufsicht - Überforderte Sheriffs 706319

Die Welle von Finanzskandalen in den USA macht deutlich, dass die US-Wertpapieraufsicht SEC mit ihren Aufgaben überfordert ist. Nicht nur ihr Chef Harvey Pitt steht am Pranger. Den Börsensheriffs fehlt überdies Geld und qualifiziertes Personal.

 
Harvey Pitt: Der falsche Mann zur falschen Zeit?

Hamburg - Als das "Wall Street Journal" Ende vergangener Woche berichtete, der US-Pharmakonzern Merck & Co.  habe seine Umsätze künstlich aufgebläht, hatte Unternehmenssprecher Greg Reaves kein stichhaltiges Gegenargument zur Hand. Stattdessen bemühte er die US-Börsenaufsicht: "Die Securities and Exchange Commission (SEC) hat nie Zweifel an dieser Bilanzierungspraxis geäußert".

Vermutlich, weil die Behörde die fraglichen Bilanzen nie überprüft hat. Der Fall des Pharmakonzerns ist symptomatisch für die Probleme der US-Börsenaufsicht: Mercks Umsatzkapriolen hätten der SEC durchaus auffallen können. Denn die vom "Journal" zitierten Zahlen stammen keineswegs von geheimen Informanten, sondern aus einem Formular mit Informationen zum geplanten Börsengang der Merck-Tochter Medco. Das Papier liegt seit April 2002 für jedermann zugänglich auf dem Server der SEC. Nur gelesen hat es niemand.

Während in den USA wöchentlich neue Bilanzskandale und Durchstechereien der Wall Street bekannt werden, wirkt die wichtigste Börsenaufsicht der Welt überfordert. Jahrelang hat die SEC ihre Aufsichtspflichten in vielen Bereichen schleifen lassen - die Folgen treten jetzt zu Tage. Eine Überprüfung der SEC, die von den Rechnungsprüfern des amerikanischen Kongresses (GAO) durchgeführt wurde, kommt zu einem vernichtenden Ergebnis: Die SEC, so die Prüfer handele kaum noch proaktiv, "meist reagiert sie nur". "Wichtige Regulierungsaktivitäten" würden "wegen der gestiegenen Arbeitsbelastung verzögert".


Den Sheriffs wächst der Markt über den Kopf

Ursache der Misere sind die veränderten Bedingungen an den Aktienmärkten. Im vergangenen Jahrzehnt hat das Handelsvolumen stark zugenommen. Die Zahl der Börsengänge ist ebenso sprunghaft angestiegen wie das von großen Investmentfonds verwaltete Vermögen. Finanzinstrumente wie Derivate und neue Bilanzkonstruktionen haben den Markt immer undurchsichtiger gemacht.

Die Beamten aus der Washingtoner Fifth Street sollen alle wichtigen Marktteilnehmer - Banken, Broker, Unternehmen - beobachten und dafür sorgen, dass sie sich an die Börsenregeln halten und ihren Informationspflichten nachkommen, kurz "die Integrität des Wertpapiermarktes aufrecht erhalten", wie es in der Selbstbeschreibung der Behörde heißt. Dazu ist sie jedoch kaum noch in der Lage. Laut der GAO-Studie hat die Arbeitsbelastung der Washingtoner Behörde in den vergangenen zehn Jahren um 80 Prozent zugenommen; die Zahl der verfügbaren Arbeitsleistung stieg im gleichen Zeitraum nur um 20 Prozent.


Behörde geht im Papierkrieg unter

In einigen Bereichen ist das Missverhältnis noch weitaus krasser. Die Zahl der Formulare, die Unternehmen im Rahmen der Quartalsberichterstattung oder im Zuge von Börsengängen einreichen, stieg in den vergangenen zehn Jahren um 108 Prozent an. Die für diesen Bereich budgetierte Arbeitsleistung wuchs parallel um nicht einmal zehn Prozent. Da ist es kein Wunder, dass der Behörde Merck und andere Sünder durch die Lappen gehen: Die SEC kann bei den 17.000 Unternehmen, die jährlich Millionen von Seiten einreichen, nur Stichproben machen. Wenn überhaupt: Laut Joel Seligman von der Washington University School of Law hat die SEC seit 1997 keinen einzigen Bericht des bankrotten Skandalunternehmens Enron mehr geprüft.

Dabei müsste die Behörde eigentlich im Geld schwimmen. Für Pflichtformulare wie den Quartalsbericht (10-Q) oder den Jahresabschluss (10-K) müssen börsennotierte Unternehmen Gebühren entrichten. Jahrlich brächte das der SEC etwa zwei Milliarden Dollar ein - wenn der US-Kongress das Geld nicht abgriffe und anderen Zwecken zuführte. Die Bush-Administration weigert sich bisher, das SEC-Budgets deutlich zu erhöhen. Wegen der im Vergleich zu Privatwirtschaft lausigen Gehälter leidet die SEC seit Jahren unter einem "Brain Drain". In den Boomjahren 1998 bis 2000 zog es besonders viele Beamte der Wertpapieraufsicht an die Wall Street - die Fluktuationsrate lag bei knapp einem Drittel. Derzeit besitzt die SEC gerade mal an die hundert Anwälte, die auf Banken- oder Wertpapierrecht spezialisiert sind. Noch kleiner ist die Zahl der Bilanz-Forensiker, die in der Lage sind, in einem hundertseitigen Zahlenwust eine Schweinerei zu finden.

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Zizo
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