Technischer Morgenkommentar 13. März 2003
von Uwe Wagner, Deutsche Bank AG
Allgemeine Beurteilung
Neue, kräftige Kursverluste an den Börsen Europas, die einmal mehr um die drei bis vier Prozent ausfielen, prägten den gestrigen Handelsverlauf. Auffallend ist in diesem Zusammenhang die doch schon recht offensichtliche Ausverkaufsstimmung, denn ungeachtet eines zunächst moderateren Handelsbeginns in den USA, öffneten sich in Europa die Verkaufsschleusen. Die mittlerweile erreichten Kursniveaus zwangen wohl den einen oder anderen zu Notverkäufen, so daß Europas Börsen an ihren Tagestiefs in den Feierabend gingen.
An den US-Börsen kam es bis zur gestrigen Handelsmitte ebenfalls zu weiteren deutlichen Kursrückschlägen, die zumindest in den Standardwerte-Indizes zu neuen Bewegungs- und Jahrestiefs führten. Im Gegensatz zu Europa, dominierte hier gegen Handelsende hin jedoch die Nachfrageseite und drückte zum Börsenschluß die Indizes in die Pluszone.
Auffallend ist die charttechnische Entwicklung im EURO / USD Kurs, der heute Nacht einen kräftigen Verlust für den EURO gegenüber dem USD hinnehmen mußte und damit in den Konsolidierungsbereich zurückfiel, der sich zwischen Anfang Februar und Anfang März diesen Jahres ausgebildet hatte. Die bisher definierten potentiellen Unterstützungen in den Bereichen um 1.0935 und 1.0906 wurden in diesem Zusammenhang nahezu problemlos unterschritten, ein Stocken sehen wir aktuell im Bereich um 1.0857, der übergeordneten Chartmarke, welche sich als obere Begrenzung einer Schiebezone innerhalb des Konsolidierungsbereiches im Monat Februar ausbildete.
Dämpfer im Kursverlauf gab es auch im EURO / BUND, in der Entwicklung des Ölpreises und ohnehin und fast gewohnt, im Kursverlauf des Goldpreises in USD.
Damit drängt sich jetzt zwangsläufig die Frage auf: war es das jetzt ? War es der Ausverkauf, auf den viele warteten und kommen jetzt endlich die ersehnten Kurserholungen auf der Aktienseite?
Allgemeine strategische Beurteilung
Strategisch gesehen bleibt das Bild der Aktienindizes ohne Frage negativ. Hier muß erst einiges auf der Oberseite passieren, bevor es hier zu einer ersten Indikation kommt, welche als Stabilisierungsversuch interpretiert werden kann. Chart- als auch markttechnisch gibt es aktuell in diesem Zeitfenster keinerlei Anhaltspunkte, welche für ein bevorstehendes Ende der übergeordneten Abwärtstrends sprechen.
Auf Basis der Monats- und Wochencharts werden den Indizes unverändert absolut intakte primäre und sekundäre Abwärtstrends ausgewiesen, alle mit einem sogenannten short set-up unterlegt (lediglich im NASDAQ 100 wird uns noch ein neutrales set-up ausgewiesen). Die mittelfristige Bewegungsdynamik, bezogen auf die dominierenden sekundären Abschwünge, ist weiterhin ansteigend. Die Schwungkraft messenden Oszillatoren befinden sich in einigen Indizes mittlerweile in ihren definierten überverkauften Niveaus, Kaufsignale im Sinne der klassischen Regelwerke liegen uns hier jedoch noch nicht vor.
Konsequenterweise müssen wir unter strategischen Gesichtspunkten damit das Fazit ziehen, daß es auch weiterhin kein technisch begründetes Argument gibt, hier und jetzt mittelfristig ausgerichtete Kaufpositionen eröffnen zu wollen. Jede zu erwartende Aufwärtsbewegung ist weiterhin nur als technische Korrekturbewegung zu sehen.
Allgemeine kurzfristige Beurteilung
Im kurzfristigen Zeitfenster haben wir ein etwas differenzierteres Bild vor uns:
(1) sehen wir uns nur die Kursverläufe der einzelnen Aktienindizes, unabhängig voneinander an, gilt für Europa klar und deutlich, daß auch hier im kurzfristigen Zeitfenster die Abwärtstendenzen eindeutig dominieren. Ebenso ist von Seiten der Markttechnik keine Frage im Bezug auf die dominante Trendrichtung offen. Lediglich die Tatsache des Ausmaßes der gestrigen Abschwünge lassen Erwartungen auf bessere Eröffnungen zu, ein Beispiel hierfür ist die vier Prozent Regel im FDAX, welche wir an dieser Stelle bereits mehrfach erläutert und beschrieben haben. Wir werden auf diese im DAX Abschnitt noch einmal eingehen.
Die US-Indizes erholten sich per gestrigem Schlußkurs wieder und bildeten innerhalb ihrer intakten Abwärtstrends sogenannte Hammer Tagesmuster aus (klarer ausgebildet im Dow Jones und im S&P 500 Index, bereits sehr gedehnt in beiden NASDAQ´s). Damit haben wir wenigstens ein erstes, wenn auch nicht umwerfendes Indiz dafür vorliegen, daß über diese Indizes wenigstens kurzfristige Erholungsimpulse zu erwarten sind. Im Dow Jones, bezogen auf eine Kursreihe bis 1984 zurückreichend, ist mit einer Trefferquote von 42.42 Prozent mit einem profitabel umsetzbaren Aufwärtsimpuls nach Ausbildung des vorliegenden Kursmusters zu rechnen. Im S&P 500 Index liegt uns nur eine Kursreihe bis 1994 vor, hier ist die erreichte Trefferquote profitabler Aufwärtsreaktionen bei 38.24 Prozent. Im NASDAQ 100 ist das gestrige Kursmuster nicht mehr im Sinne der von uns genutzten Definition ein weißer Hammer, unterstellen wir aber, daß ein ähnlicher Effekt zu erwarten ist, als wenn es zu einer solchen Musterbildung gekommen wäre, könnten wir für heute mit einer Trefferquote von 48.84 Prozent mit einem Reaktionsaufschwung rechnen. Ähnliche Aussage für den NASDAQ Comp., hier wäre die Trefferquote bei 37.50 Prozent.
Fazit: nur für sich betrachtet, basieren die Chancen auf eine heute beginnende Aufwärtsreaktion auf der Tatsache, daß per gestern überaus starke Kursverluste in Europa auftraten und somit zumindest höhere Eröffnungskurse zu erwarten sind (siehe vier Prozent Regel im FDAX), bzw. auf der Ausbildung der Hammer – Kursmuster in den US-Indizes, wobei hier die Trefferquoten nicht unbedingt überzeugen.
(2) betrachten wir dagegen alle Kursentwicklungen, sowohl in den Aktien, als auch in den Renten, EURO / Dollar und Öl, so steigen die Indikationen, mit einer beginnenden Erholung rechnen zu können. Eine klare Korrelation, die wir mit Statistiken belegen könnten, inwieweit eine eindeutige Wechselwirkung zwischen fallenden Renten und steigenden Aktien und umgekehrt vorliegt und in welchen Zeitabläufen diese Korrelationen möglicherweise greifen, können wir nicht vorlegen. Aber die Erwartungshaltung liegt nahe, daß wir hier zumindest mit Umschichtungen rechnen könnten. Ob es über eine einfache Reaktion hinausgehen wird, ist zum aktuellen Zeitpunkt nur zu seriös zu sagen, da sich das ganze geopolitische Umfeld, innerhalb dessen die aktuelle Entwicklung ja zu sehen ist, noch nicht geändert hat.
Somit ziehen wir als Gesamtfazit folgende Schlußfolgerung: strategisch haben wir zum aktuellen Zeitpunkt keinerlei Argument, was einen nachhaltigen Richtungswechsel rechtfertigen bzw. stützen würde. Kurzfristig halten wir die Chancen jedoch für durchaus gut, daß wir technische Reaktionen erleben, welche beobachtet werden müssen, um mögliche Indikationen nicht zu verpassen, die auf weiter steigende Kurse im Aktienbereich schließen lassen. In der praktischen Konsequenz würde dies bedeuten, daß wir bestehende Short-Positionen engmaschig absichern, möglicherweise schließen und unter Umständen spekulativ auf der Long-Seite aktiv werden.
Europa-Indizes
Für sich betrachtet ist das Bild in den Kursverläufen der Europa-Indizes noch immer uneingeschränkt desaströs. Alle von uns beurteilten Aktienindizes in Europa generierten im gestrigen Tagesverlauf neue Mehrjahrestiefs und erreichten Kursniveaus, welche wir mal 1995 hinter uns gelassen hatten. Markttechnisch ist damit das Bild ähnlich verheerend, die Indizes weisen short-set-up´s auf, signalisieren steigende Bewegungsdynamiken auf der Unterseite, könnten zwar als überverkauft eingestuft werden, ein Sachverhalt, der jedoch wenig analytische Bedeutung hat: (1) zum einen sind Extrembewegungen der Oszillatoren in Phasen steigender Dynamik normal und wenig bedeutungsvoll, (2) zum anderen liegen uns über die Oszillatoren auch noch keine „Kaufsignale“ im Sinne ihrer klassischen Auslegungen vor.
Gleiches gilt mittlerweile wohl auch selbstverständlich für alle Branchenindizes, sowohl des EUROSTOXX 50, des STOXX 50, sowie des DAX 100. In allen diesen betrachteten Sektorindizes haben wir short-set-up´s vorliegen, runtergebrochen auf die wichtigsten Einzelaktien in Europa ergibt sich aus markttechnischer Sicht folgendes Bild: im EUROSTOXX 50 haben wir drei neutrale set-up´s und siebenundvierzig short-set-up´s, im DAX 30 liegen uns noch fünf neutrale set-up´s vor, fünfundzwanzig Aktien bewegen sich im kurzfristigen Zeitfenster in markttechnisch definierten Abwärtstrends.
Als grundsätzliches Fazit für Europas Aktienindizes halten wir fest: nur ein systematisch getestetes Argument spricht für eine Erholung zum heutigen Handelsstart, das Ausmaß der gestrigen Abschwünge. Statistisch gesehen liegen hier die Wahrscheinlichkeiten / Trefferquoten in den jeweiligen Europaindizes zwischen 65 und 73 Prozent. Das sich daraus mehr entwickeln könnte, können wir derzeit nur erwarten, jedoch noch nicht belegen, dazu haben wir hier noch keine ausreichenden Indizien vorliegen.
Unterstellen wir, daß es heute zu Reaktionen auf der Oberseite kommen wird, so interessiert uns natürlich das jeweils zu erwartende Potential. Hierzu sehen wir uns zunächst die nächst höheren Widerstände an, im Anschluß daran errechnen wir die Potentiale.
Im deutschen Aktienindex DAX wäre das nächst höhere potentielle Widerstandsgebiet das Niveau um 2433, darüber 2600 (beides untergeordnete Barrieren). Die errechneten Korrekturpotentiale, bezogen auf die Strecke des letzten Abschwungs, lauten wie folgt: 2325 / 2345 (Minimumkorrektur), 2394 (Normalkorrektur), 2442 / 2462 (Maximumkorrektur). Im EUROSTOXX 50 sind die nächst höheren Hürden unter charttechnischen Gesichtspunkten die 2037, darüber die 2184 (ebenfalls beides untergeordnete Widerstandsgebiete). Die Korrekturpotentiale errechnen sich in: 1959 / 1975 (Minimumkorrektur), 2015 (Normalkorrektur), 2055 / 2071 (Maximumkorrektur). Für weitere Europa-Indizes gilt: FTSE 100: Widerstände bei 3391 und 3535 (untergeordnet), 3422 / 3443 (Minimumkorrektur), 3495 (Normalkorrektur), 3547 / 3568 (Maximumkorrektur). CAC 40: Widerstände bei 2612 / 2633 und 2796, Korrekturpotentiale bei 2532 / 2551 (Minimumkorrektur), 2598 (Normalkorrektur) und 2645 / 2664 (Maximumkorrektur).
DAX
Allgemeine Beurteilung
Im gestrigen Tagestief unterschritt der DAX das 2200er Niveau und rutschte bis auf 2188 Indexpunkte ab. Damit erreichte er ein Kursniveau, welches wir letztmals im November 1995 sahen. Damit setzte sich der übergeordnete, absolut intakte sekundäre / primäre Abwärtstrend fort. Die obere Begrenzung des derzeit gültigen Abschwungs verläuft per heute im Bereich um 2638, somit sind alle Aufschwünge unterhalb dieses Niveaus als technische Reaktionen zu sehen.
Charttechnische Widerstände lassen sich im Sinne ihrer Definition auf der Oberseite in den Bereichen um 2433 und 2600 erwarten, beides untergeordnete Chartmarken. Massiverer Widerstand sollte um 2750 / 2800 erwartet werden, wobei wir auch hier mittlerweile davon ausgehen, daß sich dieses Niveau auszudünnen beginnt und damit die Zuverlässigkeit dieses Widerstandes sinkt.
Unterstützungen gibt es auch weiterhin keine, was sich ja auch in der deutlichen Abwärtsbeschleunigung der letzten Tage niederschlägt. Auf Basis des Monatscharts hatten wir lediglich Orientierungsniveaus hergeleitet, die jedoch keine Unterstützungen bzw. Zielmarken im Sinne der Definition darstellen. Diese lagen auf den Niveaus um 2094 und dann um 1890, alles ehemalige Unterstützungen mit Gültigkeit des Jahres 1995.
Chart- und markttechnisch gibt es im DAX zum aktuellen Zeitpunkt kein Indiz, welches einen Richtungswechsel anzeigt. Nun müssen wir hier allerdings berücksichtigen, daß die Charttechnik in der Regel nur schwer einen Boden und Wendepunkt erwischt. In der Regel warten wir erst ab, daß sich ein solcher ausbildet. Dennoch, mit einigen Hilfsmitteln versuchen wir dennoch, mögliche Wendepunkte einzugrenzen. Ein Hilfsmittel hierfür ist, neben der Intramarketanalyse, der Versuch, Reaktionswahrscheinlichkeiten nach Extrembewegungen zu untersuchen. Im DAX ergibt sich demnach folgende Situation: bei Kursverlusten von mehr als 4 Prozent im FDAX ergab sich in den letzten Jahren eine, mittlerweile angestiegene Trefferquote von 72.41 Prozent in der Hinsicht, daß der FDAX am Folgetag besser eröffnet, als er am Vortage schloß. Alle Untersuchungen beziehen sich auf einen Zeitraum seit 1991, es gab 29 mal eine solche Situation, wobei 21 Treffer erzielt wurden, 8 Trades gingen dagegen mit einem Verlust aus. Der Profit-Faktor liegt mittlerweile bei 3.01.
Somit haben wir für den DAX für heute zumindest eine Indikation auf eine gute Chance einer freundlicheren Eröffnung. Mehr haben wir noch nicht.
Praktische Konsequenz
(1) wir sind noch immer short positioniert; diese Position besteht mittlerweile aus drei Einzelpositionen, short bei 2437, dann erweitert bei 2393, letzte Erweiterung gestern bei 2258 (siehe dazu auch gestrigen Morgenkommentar im Punkt 4);
(2) in Anbetracht der nun möglichen Reaktion auf der Oberseite, gilt es, die Stop-Kurse weiter anzupassen, um den angelaufenen Profit zu sichern; hierzu ziehen wir den Stop-Kurs wie folgt nach: Stop-Kurs 1 auf 2250, damit sichern wir den letzten short ab; wird dieser erreicht, so fällt die letzte Position ohne Verlust und Gebührenkosten aus dem Rennen; Stop-Kurs 2 auf 2270, Stop-Kurs 3 auf 2305;
(3) etwas kompensieren können wir mögliche Abgaben bereits angelaufener, aber noch nicht realisierter Gewinne durch die Trading-Long-Position, welche wir im Zusammenhang des hier oft diskutierten und gehandelten Regelwerkes nach einem 4 Prozentverlust im FDAX aufgebaut haben; der Regelsatz sagt, daß wir diese Position zur Handelseröffnung bzw. unmittelbar nach der Eröffnung schließen müssen; hiervon weichen wir heute etwas ab, um die offenen short´s zu schützen; somit werden wir im Falle einer positiven Markteröffnung den Stop-Kurs für den spekulativen Long im Bereich um 2210 (FDAX-Niveau) absichern, wenn es die Eröffnung zuläßt; eröffnen wir unter 2210 im FDAX, fliegt die Position sofort zur Eröffnung raus;
(4) sollte der DAX heute weiter fallen, werden wir ab 2180 erste Gewinnmitnahmen (1/3 der Position) durchführen und die Stop-Kurse um jeweils 20 Indexpunkte intraday senken;
(5) für die weitere Handhabung der bestehenden Short-Position wiederholen wir die Aussagen der letzten Handelstage: kommt es per heute abend zur Ausbildung eines Kaufmusters (Hammer, positives Schiebe- bzw. Überlappungsmuster, positiver inside-bar) schließen wir diese bestehende Trading Short-Position; im Falle eines Hammers (bullish´er Doji) bzw. eines inside-bars (in diesen Kursmustern liegen die höchsten Trefferquoten für nachfolgende, profitabel umsetzbare Impulswechsel vor) gehen wir per Schlußkurs spekulativ long.
Wir wünschen Ihnen einen erfolgreichen Handelstag !!
Uwe Wagner
Name Uwe Wagner
Alter 38
E-Mail uwe.wagner@technical-investor.de
Firma Deutsche Bank AG
Webseite der Firma http://www.deutsche-bank.de/
Job Händler
Abteilung Equity Trading
Spezialgebiet Technische Analyse / Handelssysteme
Ausbildung / Werdegang Studium in Wirtschaftswissenschaften / Diplomabschluß
Arbeit als Maklergehilfe an den Börsen in Berlin, Wien und Madrid
seit 1991 Deutsche Bank AG
1991 - 1995 Market Maker an DTB Deutsche Bank Frankfurt
1995 - 1998 Futures und Optionshandel Deutsche Bank Madrid
seit 1998 Nostro Futures + Aktienhandel und Technische Analyse Deutsche Bank Frankfurt
gehaltene Seminare in Deutschland, Österreich, Spanien und Russland zu Optionspreistheorie und Technische Analyse
Uwe Wagner ist seit 1998 bei der Deutschen Bank AG in der Abteilung Futures Trading/ Technical Analysis Equities für den systematischen Handel von Index-Futures in Europa zuständig. Morgens um fünf beginnt für den Vater einer kleinen Tochter der Tag im Büro. Meist über 20 Seiten umfasst seine ausführliche Berichterstattung über die internationalen Aktienmärkte, die jeden Morgen an gute Kunden verschickt wird.
von Uwe Wagner, Deutsche Bank AG
Allgemeine Beurteilung
Neue, kräftige Kursverluste an den Börsen Europas, die einmal mehr um die drei bis vier Prozent ausfielen, prägten den gestrigen Handelsverlauf. Auffallend ist in diesem Zusammenhang die doch schon recht offensichtliche Ausverkaufsstimmung, denn ungeachtet eines zunächst moderateren Handelsbeginns in den USA, öffneten sich in Europa die Verkaufsschleusen. Die mittlerweile erreichten Kursniveaus zwangen wohl den einen oder anderen zu Notverkäufen, so daß Europas Börsen an ihren Tagestiefs in den Feierabend gingen.
An den US-Börsen kam es bis zur gestrigen Handelsmitte ebenfalls zu weiteren deutlichen Kursrückschlägen, die zumindest in den Standardwerte-Indizes zu neuen Bewegungs- und Jahrestiefs führten. Im Gegensatz zu Europa, dominierte hier gegen Handelsende hin jedoch die Nachfrageseite und drückte zum Börsenschluß die Indizes in die Pluszone.
Auffallend ist die charttechnische Entwicklung im EURO / USD Kurs, der heute Nacht einen kräftigen Verlust für den EURO gegenüber dem USD hinnehmen mußte und damit in den Konsolidierungsbereich zurückfiel, der sich zwischen Anfang Februar und Anfang März diesen Jahres ausgebildet hatte. Die bisher definierten potentiellen Unterstützungen in den Bereichen um 1.0935 und 1.0906 wurden in diesem Zusammenhang nahezu problemlos unterschritten, ein Stocken sehen wir aktuell im Bereich um 1.0857, der übergeordneten Chartmarke, welche sich als obere Begrenzung einer Schiebezone innerhalb des Konsolidierungsbereiches im Monat Februar ausbildete.
Dämpfer im Kursverlauf gab es auch im EURO / BUND, in der Entwicklung des Ölpreises und ohnehin und fast gewohnt, im Kursverlauf des Goldpreises in USD.
Damit drängt sich jetzt zwangsläufig die Frage auf: war es das jetzt ? War es der Ausverkauf, auf den viele warteten und kommen jetzt endlich die ersehnten Kurserholungen auf der Aktienseite?
Allgemeine strategische Beurteilung
Strategisch gesehen bleibt das Bild der Aktienindizes ohne Frage negativ. Hier muß erst einiges auf der Oberseite passieren, bevor es hier zu einer ersten Indikation kommt, welche als Stabilisierungsversuch interpretiert werden kann. Chart- als auch markttechnisch gibt es aktuell in diesem Zeitfenster keinerlei Anhaltspunkte, welche für ein bevorstehendes Ende der übergeordneten Abwärtstrends sprechen.
Auf Basis der Monats- und Wochencharts werden den Indizes unverändert absolut intakte primäre und sekundäre Abwärtstrends ausgewiesen, alle mit einem sogenannten short set-up unterlegt (lediglich im NASDAQ 100 wird uns noch ein neutrales set-up ausgewiesen). Die mittelfristige Bewegungsdynamik, bezogen auf die dominierenden sekundären Abschwünge, ist weiterhin ansteigend. Die Schwungkraft messenden Oszillatoren befinden sich in einigen Indizes mittlerweile in ihren definierten überverkauften Niveaus, Kaufsignale im Sinne der klassischen Regelwerke liegen uns hier jedoch noch nicht vor.
Konsequenterweise müssen wir unter strategischen Gesichtspunkten damit das Fazit ziehen, daß es auch weiterhin kein technisch begründetes Argument gibt, hier und jetzt mittelfristig ausgerichtete Kaufpositionen eröffnen zu wollen. Jede zu erwartende Aufwärtsbewegung ist weiterhin nur als technische Korrekturbewegung zu sehen.
Allgemeine kurzfristige Beurteilung
Im kurzfristigen Zeitfenster haben wir ein etwas differenzierteres Bild vor uns:
(1) sehen wir uns nur die Kursverläufe der einzelnen Aktienindizes, unabhängig voneinander an, gilt für Europa klar und deutlich, daß auch hier im kurzfristigen Zeitfenster die Abwärtstendenzen eindeutig dominieren. Ebenso ist von Seiten der Markttechnik keine Frage im Bezug auf die dominante Trendrichtung offen. Lediglich die Tatsache des Ausmaßes der gestrigen Abschwünge lassen Erwartungen auf bessere Eröffnungen zu, ein Beispiel hierfür ist die vier Prozent Regel im FDAX, welche wir an dieser Stelle bereits mehrfach erläutert und beschrieben haben. Wir werden auf diese im DAX Abschnitt noch einmal eingehen.
Die US-Indizes erholten sich per gestrigem Schlußkurs wieder und bildeten innerhalb ihrer intakten Abwärtstrends sogenannte Hammer Tagesmuster aus (klarer ausgebildet im Dow Jones und im S&P 500 Index, bereits sehr gedehnt in beiden NASDAQ´s). Damit haben wir wenigstens ein erstes, wenn auch nicht umwerfendes Indiz dafür vorliegen, daß über diese Indizes wenigstens kurzfristige Erholungsimpulse zu erwarten sind. Im Dow Jones, bezogen auf eine Kursreihe bis 1984 zurückreichend, ist mit einer Trefferquote von 42.42 Prozent mit einem profitabel umsetzbaren Aufwärtsimpuls nach Ausbildung des vorliegenden Kursmusters zu rechnen. Im S&P 500 Index liegt uns nur eine Kursreihe bis 1994 vor, hier ist die erreichte Trefferquote profitabler Aufwärtsreaktionen bei 38.24 Prozent. Im NASDAQ 100 ist das gestrige Kursmuster nicht mehr im Sinne der von uns genutzten Definition ein weißer Hammer, unterstellen wir aber, daß ein ähnlicher Effekt zu erwarten ist, als wenn es zu einer solchen Musterbildung gekommen wäre, könnten wir für heute mit einer Trefferquote von 48.84 Prozent mit einem Reaktionsaufschwung rechnen. Ähnliche Aussage für den NASDAQ Comp., hier wäre die Trefferquote bei 37.50 Prozent.
Fazit: nur für sich betrachtet, basieren die Chancen auf eine heute beginnende Aufwärtsreaktion auf der Tatsache, daß per gestern überaus starke Kursverluste in Europa auftraten und somit zumindest höhere Eröffnungskurse zu erwarten sind (siehe vier Prozent Regel im FDAX), bzw. auf der Ausbildung der Hammer – Kursmuster in den US-Indizes, wobei hier die Trefferquoten nicht unbedingt überzeugen.
(2) betrachten wir dagegen alle Kursentwicklungen, sowohl in den Aktien, als auch in den Renten, EURO / Dollar und Öl, so steigen die Indikationen, mit einer beginnenden Erholung rechnen zu können. Eine klare Korrelation, die wir mit Statistiken belegen könnten, inwieweit eine eindeutige Wechselwirkung zwischen fallenden Renten und steigenden Aktien und umgekehrt vorliegt und in welchen Zeitabläufen diese Korrelationen möglicherweise greifen, können wir nicht vorlegen. Aber die Erwartungshaltung liegt nahe, daß wir hier zumindest mit Umschichtungen rechnen könnten. Ob es über eine einfache Reaktion hinausgehen wird, ist zum aktuellen Zeitpunkt nur zu seriös zu sagen, da sich das ganze geopolitische Umfeld, innerhalb dessen die aktuelle Entwicklung ja zu sehen ist, noch nicht geändert hat.
Somit ziehen wir als Gesamtfazit folgende Schlußfolgerung: strategisch haben wir zum aktuellen Zeitpunkt keinerlei Argument, was einen nachhaltigen Richtungswechsel rechtfertigen bzw. stützen würde. Kurzfristig halten wir die Chancen jedoch für durchaus gut, daß wir technische Reaktionen erleben, welche beobachtet werden müssen, um mögliche Indikationen nicht zu verpassen, die auf weiter steigende Kurse im Aktienbereich schließen lassen. In der praktischen Konsequenz würde dies bedeuten, daß wir bestehende Short-Positionen engmaschig absichern, möglicherweise schließen und unter Umständen spekulativ auf der Long-Seite aktiv werden.
Europa-Indizes
Für sich betrachtet ist das Bild in den Kursverläufen der Europa-Indizes noch immer uneingeschränkt desaströs. Alle von uns beurteilten Aktienindizes in Europa generierten im gestrigen Tagesverlauf neue Mehrjahrestiefs und erreichten Kursniveaus, welche wir mal 1995 hinter uns gelassen hatten. Markttechnisch ist damit das Bild ähnlich verheerend, die Indizes weisen short-set-up´s auf, signalisieren steigende Bewegungsdynamiken auf der Unterseite, könnten zwar als überverkauft eingestuft werden, ein Sachverhalt, der jedoch wenig analytische Bedeutung hat: (1) zum einen sind Extrembewegungen der Oszillatoren in Phasen steigender Dynamik normal und wenig bedeutungsvoll, (2) zum anderen liegen uns über die Oszillatoren auch noch keine „Kaufsignale“ im Sinne ihrer klassischen Auslegungen vor.
Gleiches gilt mittlerweile wohl auch selbstverständlich für alle Branchenindizes, sowohl des EUROSTOXX 50, des STOXX 50, sowie des DAX 100. In allen diesen betrachteten Sektorindizes haben wir short-set-up´s vorliegen, runtergebrochen auf die wichtigsten Einzelaktien in Europa ergibt sich aus markttechnischer Sicht folgendes Bild: im EUROSTOXX 50 haben wir drei neutrale set-up´s und siebenundvierzig short-set-up´s, im DAX 30 liegen uns noch fünf neutrale set-up´s vor, fünfundzwanzig Aktien bewegen sich im kurzfristigen Zeitfenster in markttechnisch definierten Abwärtstrends.
Als grundsätzliches Fazit für Europas Aktienindizes halten wir fest: nur ein systematisch getestetes Argument spricht für eine Erholung zum heutigen Handelsstart, das Ausmaß der gestrigen Abschwünge. Statistisch gesehen liegen hier die Wahrscheinlichkeiten / Trefferquoten in den jeweiligen Europaindizes zwischen 65 und 73 Prozent. Das sich daraus mehr entwickeln könnte, können wir derzeit nur erwarten, jedoch noch nicht belegen, dazu haben wir hier noch keine ausreichenden Indizien vorliegen.
Unterstellen wir, daß es heute zu Reaktionen auf der Oberseite kommen wird, so interessiert uns natürlich das jeweils zu erwartende Potential. Hierzu sehen wir uns zunächst die nächst höheren Widerstände an, im Anschluß daran errechnen wir die Potentiale.
Im deutschen Aktienindex DAX wäre das nächst höhere potentielle Widerstandsgebiet das Niveau um 2433, darüber 2600 (beides untergeordnete Barrieren). Die errechneten Korrekturpotentiale, bezogen auf die Strecke des letzten Abschwungs, lauten wie folgt: 2325 / 2345 (Minimumkorrektur), 2394 (Normalkorrektur), 2442 / 2462 (Maximumkorrektur). Im EUROSTOXX 50 sind die nächst höheren Hürden unter charttechnischen Gesichtspunkten die 2037, darüber die 2184 (ebenfalls beides untergeordnete Widerstandsgebiete). Die Korrekturpotentiale errechnen sich in: 1959 / 1975 (Minimumkorrektur), 2015 (Normalkorrektur), 2055 / 2071 (Maximumkorrektur). Für weitere Europa-Indizes gilt: FTSE 100: Widerstände bei 3391 und 3535 (untergeordnet), 3422 / 3443 (Minimumkorrektur), 3495 (Normalkorrektur), 3547 / 3568 (Maximumkorrektur). CAC 40: Widerstände bei 2612 / 2633 und 2796, Korrekturpotentiale bei 2532 / 2551 (Minimumkorrektur), 2598 (Normalkorrektur) und 2645 / 2664 (Maximumkorrektur).
DAX
Allgemeine Beurteilung
Im gestrigen Tagestief unterschritt der DAX das 2200er Niveau und rutschte bis auf 2188 Indexpunkte ab. Damit erreichte er ein Kursniveau, welches wir letztmals im November 1995 sahen. Damit setzte sich der übergeordnete, absolut intakte sekundäre / primäre Abwärtstrend fort. Die obere Begrenzung des derzeit gültigen Abschwungs verläuft per heute im Bereich um 2638, somit sind alle Aufschwünge unterhalb dieses Niveaus als technische Reaktionen zu sehen.
Charttechnische Widerstände lassen sich im Sinne ihrer Definition auf der Oberseite in den Bereichen um 2433 und 2600 erwarten, beides untergeordnete Chartmarken. Massiverer Widerstand sollte um 2750 / 2800 erwartet werden, wobei wir auch hier mittlerweile davon ausgehen, daß sich dieses Niveau auszudünnen beginnt und damit die Zuverlässigkeit dieses Widerstandes sinkt.
Unterstützungen gibt es auch weiterhin keine, was sich ja auch in der deutlichen Abwärtsbeschleunigung der letzten Tage niederschlägt. Auf Basis des Monatscharts hatten wir lediglich Orientierungsniveaus hergeleitet, die jedoch keine Unterstützungen bzw. Zielmarken im Sinne der Definition darstellen. Diese lagen auf den Niveaus um 2094 und dann um 1890, alles ehemalige Unterstützungen mit Gültigkeit des Jahres 1995.
Chart- und markttechnisch gibt es im DAX zum aktuellen Zeitpunkt kein Indiz, welches einen Richtungswechsel anzeigt. Nun müssen wir hier allerdings berücksichtigen, daß die Charttechnik in der Regel nur schwer einen Boden und Wendepunkt erwischt. In der Regel warten wir erst ab, daß sich ein solcher ausbildet. Dennoch, mit einigen Hilfsmitteln versuchen wir dennoch, mögliche Wendepunkte einzugrenzen. Ein Hilfsmittel hierfür ist, neben der Intramarketanalyse, der Versuch, Reaktionswahrscheinlichkeiten nach Extrembewegungen zu untersuchen. Im DAX ergibt sich demnach folgende Situation: bei Kursverlusten von mehr als 4 Prozent im FDAX ergab sich in den letzten Jahren eine, mittlerweile angestiegene Trefferquote von 72.41 Prozent in der Hinsicht, daß der FDAX am Folgetag besser eröffnet, als er am Vortage schloß. Alle Untersuchungen beziehen sich auf einen Zeitraum seit 1991, es gab 29 mal eine solche Situation, wobei 21 Treffer erzielt wurden, 8 Trades gingen dagegen mit einem Verlust aus. Der Profit-Faktor liegt mittlerweile bei 3.01.
Somit haben wir für den DAX für heute zumindest eine Indikation auf eine gute Chance einer freundlicheren Eröffnung. Mehr haben wir noch nicht.
Praktische Konsequenz
(1) wir sind noch immer short positioniert; diese Position besteht mittlerweile aus drei Einzelpositionen, short bei 2437, dann erweitert bei 2393, letzte Erweiterung gestern bei 2258 (siehe dazu auch gestrigen Morgenkommentar im Punkt 4);
(2) in Anbetracht der nun möglichen Reaktion auf der Oberseite, gilt es, die Stop-Kurse weiter anzupassen, um den angelaufenen Profit zu sichern; hierzu ziehen wir den Stop-Kurs wie folgt nach: Stop-Kurs 1 auf 2250, damit sichern wir den letzten short ab; wird dieser erreicht, so fällt die letzte Position ohne Verlust und Gebührenkosten aus dem Rennen; Stop-Kurs 2 auf 2270, Stop-Kurs 3 auf 2305;
(3) etwas kompensieren können wir mögliche Abgaben bereits angelaufener, aber noch nicht realisierter Gewinne durch die Trading-Long-Position, welche wir im Zusammenhang des hier oft diskutierten und gehandelten Regelwerkes nach einem 4 Prozentverlust im FDAX aufgebaut haben; der Regelsatz sagt, daß wir diese Position zur Handelseröffnung bzw. unmittelbar nach der Eröffnung schließen müssen; hiervon weichen wir heute etwas ab, um die offenen short´s zu schützen; somit werden wir im Falle einer positiven Markteröffnung den Stop-Kurs für den spekulativen Long im Bereich um 2210 (FDAX-Niveau) absichern, wenn es die Eröffnung zuläßt; eröffnen wir unter 2210 im FDAX, fliegt die Position sofort zur Eröffnung raus;
(4) sollte der DAX heute weiter fallen, werden wir ab 2180 erste Gewinnmitnahmen (1/3 der Position) durchführen und die Stop-Kurse um jeweils 20 Indexpunkte intraday senken;
(5) für die weitere Handhabung der bestehenden Short-Position wiederholen wir die Aussagen der letzten Handelstage: kommt es per heute abend zur Ausbildung eines Kaufmusters (Hammer, positives Schiebe- bzw. Überlappungsmuster, positiver inside-bar) schließen wir diese bestehende Trading Short-Position; im Falle eines Hammers (bullish´er Doji) bzw. eines inside-bars (in diesen Kursmustern liegen die höchsten Trefferquoten für nachfolgende, profitabel umsetzbare Impulswechsel vor) gehen wir per Schlußkurs spekulativ long.
Wir wünschen Ihnen einen erfolgreichen Handelstag !!
Uwe Wagner
Name Uwe Wagner
Alter 38
E-Mail uwe.wagner@technical-investor.de
Firma Deutsche Bank AG
Webseite der Firma http://www.deutsche-bank.de/
Job Händler
Abteilung Equity Trading
Spezialgebiet Technische Analyse / Handelssysteme
Ausbildung / Werdegang Studium in Wirtschaftswissenschaften / Diplomabschluß
Arbeit als Maklergehilfe an den Börsen in Berlin, Wien und Madrid
seit 1991 Deutsche Bank AG
1991 - 1995 Market Maker an DTB Deutsche Bank Frankfurt
1995 - 1998 Futures und Optionshandel Deutsche Bank Madrid
seit 1998 Nostro Futures + Aktienhandel und Technische Analyse Deutsche Bank Frankfurt
gehaltene Seminare in Deutschland, Österreich, Spanien und Russland zu Optionspreistheorie und Technische Analyse
Uwe Wagner ist seit 1998 bei der Deutschen Bank AG in der Abteilung Futures Trading/ Technical Analysis Equities für den systematischen Handel von Index-Futures in Europa zuständig. Morgens um fünf beginnt für den Vater einer kleinen Tochter der Tag im Büro. Meist über 20 Seiten umfasst seine ausführliche Berichterstattung über die internationalen Aktienmärkte, die jeden Morgen an gute Kunden verschickt wird.