Verlustvorträge nur noch dieses Jahr voll anrechenbar - Niedrigerer Sparerfreibetrag verärgert
von Thomas Exner und Holger Zschäpitz
Berlin - Einer Berufsgruppe hat die Bundesregierung mit dem Hickhack um ihre Steuerreform besonders die vorweihnachtliche Ruhe geraubt: den Bankberatern. "Unsere Kunden sind verunsichert. Statt Weihnachtsgeschenke zu kaufen, müssen wir Überstunden machen. Denn es war selten so lukrativ wie heute, das Depot steuerlich noch einmal durchchecken zu lassen", stellt Helmut Matz, Privatkundenstratege bei der Hypo-Vereinsbank, fest.
Selbst in den letzten Tagen vor dem Fest bleiben die Anleger in diesem Jahr von Überraschungen nicht verschont. So wurde jetzt publik, dass im Zuge der vorgezogenen Steuerreform auch der Sparerfreibetrag um zwölf Prozent gekürzt werden soll. Wahrlich keine frohe Botschaft für Sparer.
"Erst jetzt lichten sich allmählich die Nebel über die im Januar bevorstehenden Änderungen", so Joachim Krämer, Steuerexperte bei der Kanzlei Cleary, Gottlieb, Steen und Hamilton. "Nun heißt es, innerhalb weniger Tage zu agieren."
Aktueller Handlungsdruck besteht vor allem bei möglichen Verlustvorträgen. Denn ab 2004 gilt auch für Anleger die so genannte Mindestbesteuerung, wonach Verluste aus Vorjahren nur noch maximal zu 60 Prozent auf Spekulationsgewinne in späteren Jahren angerechnet werden können. Die Zeiten einer steuerlichen Nullrechnung sind damit auch für wagemutige Investoren vorbei. "Wer über Verlustvorträge verfügt und ohnehin innerhalb der Spekulationsfrist noch Gewinne realisieren muss oder will, sollte dies deshalb in diesem Jahr tun", empfiehlt Krämer. Ein Beispiel: Ein dem Spitzensteuersatz unterliegender Investor, der über einen Verlustvortrag, etwa aus Spekulationsgeschäften von 5000 Euro verfügt, kann in diesem Jahr bei entsprechender Gegenrechnung gegen Gewinne immerhin noch rund 2600 Euro an Steuern sparen. 2004 wären es dagegen auf Grund des ermäßigten Spitzensteuersatzes und der Mindestbesteuerung nur noch maximal 1460 Euro.
In Sachen Sparerfreibetrag ist der Handlungsspielraum allerdings begrenzt - zumindest dann, wenn man nicht bereit ist, höhere Risiken bei der Anlage einzugehen. Denn das Standardrezept, sich gegen den verstärkten staatlichen Zugriff auf Zinseinnahmen zu wehren, lautet: umschichten in Dividendenpapiere. "Bei diesen Ausschüttungen gilt nämlich auch in Zukunft das Halbeinkünfteverfahren - das heißt, dass man doppelt soviel Erträge steuerfrei vereinnahmen kann wie bei Zinsanlagen", sagt Krämer. Der Preis dafür ist allerdings eine deutlich höhere Schwankungsfälligkeit des Investments. Dividenden und der Kurs der Aktien sind eben alles andere als sicher. Für viele dürfte es daher attraktiver sein, dem verstärkten Abgabendruck durch die akribischere Gegenrechnung von Werbungskosten auszuweichen (siehe Text unten).
Auch bei derivativen Produkten wie Investmentzertifikaten sollten Anleger in Zukunft aus steuerlichen Gründen noch genauer hinschauen. Denn bei vielen dieser derzeit sehr gefragten Anlagevehikel fallen die Erträge auch in die Zinskategorie - deshalb schlägt der Fiskus hier ab 2004 ebenfalls schneller zu. Abgabenmäßig attraktiver sind Konstruktionen, bei denen nur Gewinne entstehen, die der Spekulationssteuer unterliegen und damit nach einem Jahr steuerfrei vereinnahmt werden können. Für Privatanleger ist es allerdings oft schwer zu erkennen, ob Zins- oder Kurserträge generiert werden. Selbst Profis müssen bei jedem einzelnen Produkt genau hinschauen. "Als Daumenregel lässt sich aber sagen, dass jegliche Kapitalgarantie für eine Zinssteuerpflicht auf die gesamten Einkünfte aus einem Investmentzertifikat spricht", konstatiert Sylvianne Heinemann, Zertifikatespezialistin bei Merrill Lynch.
Immerhin in einer Hinsicht bringt das Jahr 2004 für Anleger aber auch steuerliche Vorteile. Wer ausländische Investmentfonds besitzt oder kauft, braucht ab Januar keine steuerliche Diskriminierung mehr zu befürchten. Ein in Luxemburg ansässiger Fonds wird dann vom Fiskus genauso behandelt wie sein in Frankfurt beheimatetes Pendant. Das bedeutet: Auch bei ihnen kommt das Halbeinkünfteverfahren zum Zuge, während bislang die Veräußerungsgewinne innerhalb der Spekulationsfrist voll versteuert werden mussten.
Auf jeden Fall heißt es für Sparer aber auch im kommenden Jahr, die Diskussion der Steuerpolitiker nicht aus den Augen zu verlieren. Denn mit dem Jahreswechsel 2004/2005 könnte die Spekulationsfrist abgeschafft und durch eine Abgeltungssteuer auf sämtliche Ertragsformen abgelöst werden. Dies dürfte für manch ein Portfolio noch gravierendere Änderungen als die aktuelle Steuerreform bedeuten. Wer sich frühzeitig darauf einstellt, kann dem nächsten Weihnachtsfest gelassener entgegen sehen - vorausgesetzt, die Politik schafft auch rechtzeitig genug klare Verhältnisse.
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