"Der Kauf von Phenomedia-Aktien kommt mit Sicherheit in Frage"
Die Phenomedia-Aktie ist seit Bekanntgabe enttäuschender Zahlen für 2001 stark unter Druck gekommen. Der Entwickler von Spielesoftware hat wegen einer verschärften Bilanzierungspraxis seine EBIT-Planung verfehlt. Beim Ergebnis schlug ein geringerer Ansatz von aktivierten Eigenleistungen sowie Abschreibungen auf Forderungen mit fünf Millionen Euro negativ zu Buche. Stock-World sprach mit Firmenchef Markus Scheer über Kursverlauf und Unternehmen.
Stock-World: Herr Scheer, wieso hat Phenomedia den Jahresabschluss erst auf den letzten Drücker veröffentlicht?
Markus Scheer: Wir haben bis zum Schluss an den Zahlen und redaktionell an der Fertigstellung des Berichtes gearbeitet. Das hat allerdings keinen besonderen Hintergrund, sondern war im letzten Jahr genauso.
Stock-World: Sie haben zuletzt umfangreiche Abschreibungen auf Forderungen vorgenommen. Im Jahresabschluss stehen aber immer noch Forderungen auf Lieferungen und Leistungen in Höhe von 22,5 Millionen Euro. Das entspricht annähernd einem Jahresumsatz. Drohen noch weitere Abschreibungen?
Markus Scheer: Nein, es ist kein weiterer Abschreibungsbedarf erkennbar. Wir kennen ja die Kunden und unsere Wirtschaftsprüfer haben sowieso sämtliche offenen Forderungen gründlichst unter die Lupe genommen. Da sind schon Folgen der Enronitis erkennbar.
Stock-World: Heißt das, es wurde sehr strikt bilanziert und unter Umständen fließen teilweise doch noch bereits abgeschriebene Gelder?
Markus Scheer: Das halten wir durchaus für möglich.
Stock-World: Dann wäre beim Ergebnis für 2002 auch noch mehr drin, als bislang geplant?
Markus Scheer: Ja, das ist richtig.
Stock-World: Wie läuft das operative Geschäft bei Phenomedia?
Markus Scheer: Die ersten Monate des Jahres sind traditionell schwach. Die Aufträge aus den vergangenen Tagen und Wochen bestätigen aber unseren Optimismus für 2002.
Stock-World: In der Öffentlichkeit wurde zuletzt in Zusammenhang mit Phenomedia am häufigsten über Sven das Schaf gesprochen. Wie ist das Spiel angekommen?
Markus Scheer: Mit der Zahl der Downloads sind wir zufrieden, auch wenn wir uns noch etwas mehr hätten vorstellen können. Seit kurzem ist die Vollpreisversion auf dem Markt und das Spiel führt seit drei Wochen die Verkaufsrangliste an.
Stock-World: Als wir im vergangenen Jahr miteinander sprachen, arbeiteten Sie daran, dass Moorhuhn weltbekannt zu machen. Welche Resonanz findet das Huhn im Ausland?
Markus Scheer: In den USA ist die Markteinführung nicht geglückt. Dort bestand bei potenziellen Vermarktungspartnern wenig Interesse an einem Spiel, dass viel Traffic - also hohe Nutzerzahlen - auf die Website bringt. Die europäische Strategie ist deshalb in den Vereinigten Staaten nicht aufgegangen. Wir starten jetzt einen neuen Versuch. Im europäischen Ausland funktioniert der Export, insbesondere in den skandinavischen Ländern.
Stock-World: Sie haben dem Mobile-Markt schon lange eine große Zukunft vorausgesagt. Haben sich bislang ihre Erwartungen erfüllt? Wie erfolgreich ist ihre Tochter Mobilescope?
Markus Scheer: Mit ePlus sind wir gerade gestartet und der Mobilfunker hat unsere Einschätzung der Attraktivität des Marktes bestätigt. Zudem schließen wir beinahe wöchentlich einen Vertrag mit Mobilfunkanbietern oder Handyproduzenten über mobile Spiele ab. Jetzt beginnt die Phase, in der wirklich Umsätze in dem Bereich erzielt werden. Schon in diesem Jahr trägt Mobilescope einen spürbaren Anteil am Gesamtgeschäft.
Stock-World: Die Medienbranche spricht von einer Werbeflaute. Inwieweit ist da ihr Basisgeschäft Werbespiele betroffen?
Markus Scheer: Es mag eine allgemeine Werbeflaute geben, diese berührt uns aber nicht. Die Werbespiele sind eine effiziente Form der Werbung, bei der genau das Feedback beim Kunden kontrolliert werden kann. Gerade wenn die Unternehmen sparen, sind effiziente Werbeformen stark gefragt.
Stock-World: Nach ihren Aussagen läuft alles nach Plan, der Kurs der Phenomedia-Aktie fällt trotzdem immer weiter. Günther Thiel von Thiel Logistik hat in einer ähnlichen Situation gerade 100.000 Aktien des eigenen Unternehmens gekauft, um sein Vertrauen in den Geschäftsverlauf zu unterstreichen. Ist bei Ihnen ähnliches denkbar?
Markus Scheer: Zunächst einmal ist der Vertrauensverlust in unser Unternehmen natürlich nicht völlig ohne Hintergrund. Wir haben unsere Planzahlen verfehlt und müssen jetzt das Vertrauen der Investoren zurück gewinnen. Dabei wird auch an das Thema Aktienkauf gedacht. Ich kann mir einen Kauf von Phenomedia-Aktien gut vorstellen. Es kann dann aber nicht um eine kleine symbolische Menge von 1.000 Stück oder etwas ähnlichem gehen. Solche Mengen habe ich ja bereits mehrfach gekauft.
© 05.04.2002 www.stock-world.de