Geringe Kursschwankungen gelten anders als in den Vorjahren nicht als Vorboten eines Crashs
Schneckentempo an Börse lässt Strategen kalt
Ist die Ruhe am Aktienmarkt trügerisch? Der Deutsche Aktienindex (Dax) bewegt sich seit geraumer Zeit in kleinen Schritten, manchmal nach unten wie am Mittwoch, aber meist nach oben. Das Ausmaß der Kursschwankungen (Volatilität) ist so gering wie seit fast zehn Jahren nicht mehr.
HB DÜSSELDORF. In den zurückliegenden Jahren war eine niedrige Volatilität meist Vorbote stark fallender Kurse. Doch diesmal geben Experten Entwarnung. Denn geringe Kursbewegungen sind auch ein Zeichen für langsam, aber stetig steigende Kurse. Das zeigt ein Blick auf die 90er-Jahre. Diese Periode ist eher mit der heutigen Situation vergleichbar als die letzten turbulenten Börsenjahre.
Seit den Oktober-Crashtagen im Jahr 2002 sind die Kursschwankungen um über 80 Prozent gesunken. Damals war der Volatilitäts-Index (VDax) auf fast 60 Prozent gestiegen. Der VDax misst die von Investoren erwarteten Kursschwankungen innerhalb der nächsten 45 Tage und wird aus Preisen von Aktienoptionen ermittelt. Damals rechneten Investoren damit, dass die Kurse um 60 Prozent schwanken werden. Die dramatische Einschätzung erwies sich in der Tendenz als richtig.
Mit Erholung der Börsen seit März 2003 fiel die Volatilität (kurz Vola) kontinuierlich. Zwar haben die Aktienmärkte zuletzt fast täglich neue Jahreshochs erklommen. Doch die Zuwächse – und kleinen Korrekturen – waren stets minimal. Anfang dieser Woche schwankte der Dax sogar nur um wenige Punkte und damit so gering wie allenfalls in den Handelstagen zwischen Weihnachten und Silvester. Dementsprechend erreichte der VDax mit elf Prozent das geringste Niveau seit 1996. Inzwischen ist die Vola auf ein Niveau gerutscht, das in den vergangenen fünf Jahren stets deutlich höhere Schwankungen zur Folge hatte (siehe „Wiederentdeckung der Langsamkeit“). Und weil eine steigende Vola statistisch gesehen häufig mit fallenden Kursen einhergeht, wittern Marktteilnehmer auch jetzt wieder Gefahr.
Doch der Grundsatz „Kaufe bei hoher Volatilität, und verkaufe bei niedriger Volatilität“ funktionierte in der Vergangenheit nur phasenweise. Zwar traf er ganz besonders für die letzten Jahre zu. Doch ein längerfristiger Blick zurück zeigt, dass derartige Schwankungen wie in den letzten fünf Jahren – Kursstürze, unterbrochen von kurzen Zwischenerholungen – nicht die Regel, sondern Ausnahme sind. „Hohe Volatilitäten von 30 Prozent und mehr sind selten und Ausdruck der geplatzten Börsenblase, der Terroranschläge auf die USA und von Kriegsängsten. Es gab auch Jahrzehnte, in denen die Volatilität bis auf acht zurückfiel und niedrig blieb“, sagt Peter Bösenberg von Société Générale.
Viel wichtiger als das Ausmaß der Schwankungen sind die Gründe dafür. Resultieren diese aus Sorgen und defensiver Zurückhaltung der Anleger, gleichzeitig einem globalen und kontinuierlichem Wirtschaftswachstum und einer geringen Verschuldung der Unternehmen, was die Gewinne berechenbarer macht, so ist eine geringe Volatilität nach Ansicht des Europa-Aktienstrategen der Deutschen Bank, Bernd Meyer, nicht beunruhigend. Hintergrund für die geringen Schwankungen seien dann vielmehr geringe ökonomische Markttreiber – eben weil die Wirtschaft ohne Überraschungsmomente wächst und sich Marktteilnehmer stärker auf die Entwicklung der Unternehmen selbst konzentrieren.
Tatsächlich vermitteln Börsenbriefe und Anleger-Befragungen trotz Rekordgewinnen der Unternehmen eine skeptische Stimmung. Das verringert nach Ansicht von Joachim Goldberg, Chef des Marktforschungsinstituts Cognitrend, die Gefahr einer scharfen Korrektur – und damit starker Kursschwankungen. Die Sichtweise basiert darauf, dass Skeptiker weniger anfällig für Aktienverkäufe sind, weil sie entweder gar nicht investiert sind oder trotz schlechter Börsenperspektiven engagiert sind und auch bleiben.
Ähnlich wie aktuell notierte der VDax auch Mitte der neunziger Jahre fast durchweg unter 20 Prozent, ohne dass starke Kursschwankungen, geschweige -rückgänge folgten. Wie heute wuchs die Konjunktur nach schwachem Start zu Beginn der Neunziger ganz ordentlich, die Leitzinsen waren niedrig, der Dollar schwach, und die Aktienmärkte kletterten langsam, aber stetig. Keineswegs war die niedrige Volatilität damals Vorbote großen Ungemachs. Im Gegenteil: Ende der 90er-Jahre erlebte Europa seinen größten Bullenmarkt der Neuzeit.
Auf schwankendem Grund
...be invested
Der Einsame Samariter
Schneckentempo an Börse lässt Strategen kalt
Ist die Ruhe am Aktienmarkt trügerisch? Der Deutsche Aktienindex (Dax) bewegt sich seit geraumer Zeit in kleinen Schritten, manchmal nach unten wie am Mittwoch, aber meist nach oben. Das Ausmaß der Kursschwankungen (Volatilität) ist so gering wie seit fast zehn Jahren nicht mehr.
HB DÜSSELDORF. In den zurückliegenden Jahren war eine niedrige Volatilität meist Vorbote stark fallender Kurse. Doch diesmal geben Experten Entwarnung. Denn geringe Kursbewegungen sind auch ein Zeichen für langsam, aber stetig steigende Kurse. Das zeigt ein Blick auf die 90er-Jahre. Diese Periode ist eher mit der heutigen Situation vergleichbar als die letzten turbulenten Börsenjahre.
Seit den Oktober-Crashtagen im Jahr 2002 sind die Kursschwankungen um über 80 Prozent gesunken. Damals war der Volatilitäts-Index (VDax) auf fast 60 Prozent gestiegen. Der VDax misst die von Investoren erwarteten Kursschwankungen innerhalb der nächsten 45 Tage und wird aus Preisen von Aktienoptionen ermittelt. Damals rechneten Investoren damit, dass die Kurse um 60 Prozent schwanken werden. Die dramatische Einschätzung erwies sich in der Tendenz als richtig.
Mit Erholung der Börsen seit März 2003 fiel die Volatilität (kurz Vola) kontinuierlich. Zwar haben die Aktienmärkte zuletzt fast täglich neue Jahreshochs erklommen. Doch die Zuwächse – und kleinen Korrekturen – waren stets minimal. Anfang dieser Woche schwankte der Dax sogar nur um wenige Punkte und damit so gering wie allenfalls in den Handelstagen zwischen Weihnachten und Silvester. Dementsprechend erreichte der VDax mit elf Prozent das geringste Niveau seit 1996. Inzwischen ist die Vola auf ein Niveau gerutscht, das in den vergangenen fünf Jahren stets deutlich höhere Schwankungen zur Folge hatte (siehe „Wiederentdeckung der Langsamkeit“). Und weil eine steigende Vola statistisch gesehen häufig mit fallenden Kursen einhergeht, wittern Marktteilnehmer auch jetzt wieder Gefahr.
Doch der Grundsatz „Kaufe bei hoher Volatilität, und verkaufe bei niedriger Volatilität“ funktionierte in der Vergangenheit nur phasenweise. Zwar traf er ganz besonders für die letzten Jahre zu. Doch ein längerfristiger Blick zurück zeigt, dass derartige Schwankungen wie in den letzten fünf Jahren – Kursstürze, unterbrochen von kurzen Zwischenerholungen – nicht die Regel, sondern Ausnahme sind. „Hohe Volatilitäten von 30 Prozent und mehr sind selten und Ausdruck der geplatzten Börsenblase, der Terroranschläge auf die USA und von Kriegsängsten. Es gab auch Jahrzehnte, in denen die Volatilität bis auf acht zurückfiel und niedrig blieb“, sagt Peter Bösenberg von Société Générale.
Viel wichtiger als das Ausmaß der Schwankungen sind die Gründe dafür. Resultieren diese aus Sorgen und defensiver Zurückhaltung der Anleger, gleichzeitig einem globalen und kontinuierlichem Wirtschaftswachstum und einer geringen Verschuldung der Unternehmen, was die Gewinne berechenbarer macht, so ist eine geringe Volatilität nach Ansicht des Europa-Aktienstrategen der Deutschen Bank, Bernd Meyer, nicht beunruhigend. Hintergrund für die geringen Schwankungen seien dann vielmehr geringe ökonomische Markttreiber – eben weil die Wirtschaft ohne Überraschungsmomente wächst und sich Marktteilnehmer stärker auf die Entwicklung der Unternehmen selbst konzentrieren.
Tatsächlich vermitteln Börsenbriefe und Anleger-Befragungen trotz Rekordgewinnen der Unternehmen eine skeptische Stimmung. Das verringert nach Ansicht von Joachim Goldberg, Chef des Marktforschungsinstituts Cognitrend, die Gefahr einer scharfen Korrektur – und damit starker Kursschwankungen. Die Sichtweise basiert darauf, dass Skeptiker weniger anfällig für Aktienverkäufe sind, weil sie entweder gar nicht investiert sind oder trotz schlechter Börsenperspektiven engagiert sind und auch bleiben.
Ähnlich wie aktuell notierte der VDax auch Mitte der neunziger Jahre fast durchweg unter 20 Prozent, ohne dass starke Kursschwankungen, geschweige -rückgänge folgten. Wie heute wuchs die Konjunktur nach schwachem Start zu Beginn der Neunziger ganz ordentlich, die Leitzinsen waren niedrig, der Dollar schwach, und die Aktienmärkte kletterten langsam, aber stetig. Keineswegs war die niedrige Volatilität damals Vorbote großen Ungemachs. Im Gegenteil: Ende der 90er-Jahre erlebte Europa seinen größten Bullenmarkt der Neuzeit.
Auf schwankendem Grund
- VDax: Volatilität bezeichnet die Schwankungsbreite an den Aktienmärkten. Die Deutsche Börse errechnet den Volatilitätsindex VDax als Maß der erwarteten Schwankungen. Dies lässt sich aus den Preisen von Aktienoptionen ableiten. Gestern stieg der VDax beispielsweise von elf auf zwölf Prozent. Das heißt, Marktteilnehmer an den Terminmärkten rechneten damit, dass der Deutsche Aktienindex (Dax) in den kommenden 45 Tagen um zwölf Prozent schwanken wird.
- Optionen: Eine geringe Volatilität verbilligt den Kauf von Optionsscheinen für die Spekulation auf steigende oder fallende Kurse. Der Grund: Das Aufgeld, das für solche Produkte bezahlt werden muss, wird geringer, je stärker die Volatilität fällt. Das macht Optionsscheine an ruhigen Börsentagen attraktiv. Eine Absicherung gegen oder eine Spekulation auf fallende oder steigende Kurse ist aktuell so preiswert wie zuletzt vor neun Jahren. Damals war die Volatilität ebenso niedrig wie jetzt.
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Der Einsame Samariter
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