SPIEGEL ONLINE - 21. Januar 2002, 20:17
www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,178317,00.html
Scharping-Flops, die zehnte
Soldaten-Airbus wird zur Lachnummer im Bundestag
Von Harald Schumann
Weil der von Wehrminister Scharping gegenüber Industrie und Partnerländern zugesagte Kauf von 73 Airbus-Transportern im Haushalt nicht gedeckt ist, will Kanzler Schröder den Bundestag beschließen lassen, das Geld werde mit dem Haushaltsgesetz 2003 bereit gestellt. Doch das ist rechtlicher Humbug und liefert der britischen Regierung einen Vorwand zum Ausstieg aus dem Gemeinschaftsprojekt.
DPA
Militär-Airbus A400M (Computer-Simulation): 3,6 Milliarden Euro ungedeckt
Berlin - Rudolf Scharping hatte am 18. Dezember in Brüssel gemeinsam mit seinen Kollegen aus fünf weiteren Nato-Staaten einen Vertrag mit dem Airbus-Konzern EADS über den Kauf von 196 Flugzeugen des Typs "A400M" bis zum Jahr 2008 zum Stückpreis von rund 118 Millionen Euro unterschrieben. Mit der Anschaffung der Transportflotte soll künftig die bisher nur theoretisch existierende Europäische Eingreiftruppe mit 60.000 Mann weltweit mobil werden.
Doch die Finanzierung des von Scharping zugesagten Kaufs von 73 Soldaten-Airbussen für die Bundeswehr für rund 8,6 Milliarden Euro ist haushaltsrechtlich nicht gesichert. Der Bundestag hat bislang nur einer Verpflichtungsermächtigung über gut fünf Milliarden Euro zugestimmt, ausreichend für die Bestellung von rund 40 Maschinen. Darum musste Scharping seine Brüssler Unterschrift einem Parlamentsvorbehalt unterstellen. Auf Druck der Vertragspartner versicherte er dabei zur Verblüffung der deutschen Parlamentarier, einen solchen Beschluss bis zum 31. Januar diesen Jahres zu beschaffen.
Das aber war von vornherein gar nicht möglich. Eine so weitgehende Veränderung der Vorgaben für die mittelfristige Finanzplanung könnte nur durch einen Nachtragshaushalt rechtsverbindlich beschlossen werden. Das wäre wegen der notwendigen Beratungsfristen selbst bei einer Einbringung eines entsprechenden Gesetzentwurfes noch im Dezember bis Ende des Monats gar nicht drin. Ohnehin will Finanzminister Hans Eichel von einem solchen Verfahren nichts wissen, würde es doch der Opposition Tür und Tor öffnen, den gesamten Haushalt vor dem Hintergrund des Konjunktureinbruchs noch einmal zu debattieren.
Um Scharping aus der Patsche zu helfen, wollen die Spitzen der rot-grünen Koalition nun ihre Abgeordneten zwingen, das Problem durch einen simplen Entschließungsantrag zu beheben. Geht es nach Kanzler Schröder und seinen Helfern in den Fraktionsvorständen, dann wird der Bundestag in den nächsten Tagen beschließen, "dass die über die im geltenden Haushaltsgesetz 2002 hinaus zur Realisierung des Vorhabens erforderlichen Ermächtigungen im Haushalt 2003 eingestellt werden" - ein Antrag, über den die Haushälter aller Fraktionen nur lachen können. "Da können wir beschließen, was wir wollen", sagt Oswald Metzger, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen, "rechtlich ist das völlig unverbindlich und wertlos". Denn selbstverständlich kann der Bundestag nicht per Resolution die Ausgabe von Steuergeldern auf Vorrat beschließen, schon gar nicht in einem Wahljahr, nach dessen Ablauf die Mehrheiten völlig anders aussehen können.
Die von den Briten und Franzosen geforderte rechtsverbindliche Zusage der Deutschen über ihren Anteil kann der Beschluss daher ohnehin nicht bringen. Weil die Royal Airforce und Britanniens Verteidigungsminister Geoffrey Hoon eigentlich lieber das größere Konkurrenzmodell "Globemaster" von Boeing gekauft hätten, könnte so das ganze Mammutprojekt platzen. Wenn die Zusage aus Deutschland ausbleibe, "werden wir unsere Position noch einmal überprüfen", drohte ein Staatssekretär Hoons in London.
DPA
Haushälter Metzger: "Wir können beschließen, was wir wollen"
Er sei sich der internationalen Dimension bewusst und keineswegs gegen die Anschaffung der Flugzeuge, erklärte denn auch der grüne Haushälter Metzger. Nur solle all das doch in einem "seriösen Verfahren" beschlossen werden. Bislang gebe es aber nicht mal einen soliden Bericht aus dem Hause Scharping über die tatsächlich zu erwartenden Kosten einschließlich der Preissteigerungen. Eben das hatte auch Finanzminister Eichel im Dezember angemahnt, aber bislang nicht bekommen. Entsprechende Mahnungen des Haushaltsressorts auf der Hardthöhe seien wohl "bei der politischen Führung des Ministeriums versandet", mutmaßt Metzger.
"Nicht der nützliche Idiot"
Hintergrund der scheinbar laxen Hauhaltsplanung auf der Hardthöhe ist die nach wie vor ungeklärte Finanzierung der Bundeswehrreform. Nach einer internen Übersicht fehlen der Truppe spätestens ab 2005 für die bereits beschlossenen Rüstungsprojekte eine Milliarde Euro pro Jahr. Scharping wollte darum ursprünglich die neue Transporterflotte nicht mit Mitteln aus dem Verteidigungshaushalt bezahlen. Eichel und die Abgeordneten dagegen fordern, notfalls die hohen Investitionskosten für neue Flugzeuge und Waffen durch eine Verkleinerung der Truppenstärke zu finanzieren.
DDP
Pannenminister Scharping: Unhaltbare Zusage
Vor diesem Hintergrund werde er sich nicht "zum nützlichen Idioten machen lassen" und dem unsinnigen Antrag gewiss nicht zustimmen, kündigte Metzger heute an. Dafür werde auch bei der am Dienstag anstehenden Beratung in der Fraktion plädieren. Auch der SPD-Abgeordnete Volker Kröning beklagte, es werde versucht, den Haushaltsausschuss des Bundestages politisch zu überrollen und kündigte seinen Widerstand an.
So droht die Airbus-Frage zu einer Lachnummer und einer Vertrauensfrage für Rudolf Scharping zu verkommen. Der Bundeskanzler erwarte die Zustimmung des Bundestags, versicherte Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye am Montag. Mehr drohend als wissend erklärte er, "es wird zu einem einvernehmlichen Vorgehen zwischen Parlament und Bundesregierung kommen." Auch SPD-Fraktionschef Peter Struck machte seinen Genossen im Bundestag Druck, es gebe eine geltende Vereinbarung mit der Bundesregierung. "Das heißt, wir werden beschließen, dass die notwendigen Mittel im Haushalt 2003, vor allem aber in den nachfolgenden Jahren, bereitstehen werden."
Für die Opposition gerät das Gezerre um die unsinnige Entschließung derweil zu einer weiteren Steilvorlage, Scharping und seine missglückte Reform vorzuführen. Unionsfraktionschef Friedrich Merz erklärte, die Unionsabgeordneten seien "unter keinen Umständen bereit, einem Verfahren zuzustimmen, dass gegen die Finanzverfassung des Grundgesetzes verstößt".
Dass Merz mit dieser Bewertung richtig liegt, mochte auch Finanzminister Eichel nicht bestreiten. Derzeit werde noch die Einhaltung der Bundeshaushaltsordnung geprüft, erklärte seine Sprecherin am Montag. Ob die Prüfung noch vor Monatsende abgeschlossen werde, sei noch nicht sicher.
www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,178317,00.html
Scharping-Flops, die zehnte
Soldaten-Airbus wird zur Lachnummer im Bundestag
Von Harald Schumann
Weil der von Wehrminister Scharping gegenüber Industrie und Partnerländern zugesagte Kauf von 73 Airbus-Transportern im Haushalt nicht gedeckt ist, will Kanzler Schröder den Bundestag beschließen lassen, das Geld werde mit dem Haushaltsgesetz 2003 bereit gestellt. Doch das ist rechtlicher Humbug und liefert der britischen Regierung einen Vorwand zum Ausstieg aus dem Gemeinschaftsprojekt.
DPA
Militär-Airbus A400M (Computer-Simulation): 3,6 Milliarden Euro ungedeckt
Berlin - Rudolf Scharping hatte am 18. Dezember in Brüssel gemeinsam mit seinen Kollegen aus fünf weiteren Nato-Staaten einen Vertrag mit dem Airbus-Konzern EADS über den Kauf von 196 Flugzeugen des Typs "A400M" bis zum Jahr 2008 zum Stückpreis von rund 118 Millionen Euro unterschrieben. Mit der Anschaffung der Transportflotte soll künftig die bisher nur theoretisch existierende Europäische Eingreiftruppe mit 60.000 Mann weltweit mobil werden.
Doch die Finanzierung des von Scharping zugesagten Kaufs von 73 Soldaten-Airbussen für die Bundeswehr für rund 8,6 Milliarden Euro ist haushaltsrechtlich nicht gesichert. Der Bundestag hat bislang nur einer Verpflichtungsermächtigung über gut fünf Milliarden Euro zugestimmt, ausreichend für die Bestellung von rund 40 Maschinen. Darum musste Scharping seine Brüssler Unterschrift einem Parlamentsvorbehalt unterstellen. Auf Druck der Vertragspartner versicherte er dabei zur Verblüffung der deutschen Parlamentarier, einen solchen Beschluss bis zum 31. Januar diesen Jahres zu beschaffen.
Das aber war von vornherein gar nicht möglich. Eine so weitgehende Veränderung der Vorgaben für die mittelfristige Finanzplanung könnte nur durch einen Nachtragshaushalt rechtsverbindlich beschlossen werden. Das wäre wegen der notwendigen Beratungsfristen selbst bei einer Einbringung eines entsprechenden Gesetzentwurfes noch im Dezember bis Ende des Monats gar nicht drin. Ohnehin will Finanzminister Hans Eichel von einem solchen Verfahren nichts wissen, würde es doch der Opposition Tür und Tor öffnen, den gesamten Haushalt vor dem Hintergrund des Konjunktureinbruchs noch einmal zu debattieren.
Um Scharping aus der Patsche zu helfen, wollen die Spitzen der rot-grünen Koalition nun ihre Abgeordneten zwingen, das Problem durch einen simplen Entschließungsantrag zu beheben. Geht es nach Kanzler Schröder und seinen Helfern in den Fraktionsvorständen, dann wird der Bundestag in den nächsten Tagen beschließen, "dass die über die im geltenden Haushaltsgesetz 2002 hinaus zur Realisierung des Vorhabens erforderlichen Ermächtigungen im Haushalt 2003 eingestellt werden" - ein Antrag, über den die Haushälter aller Fraktionen nur lachen können. "Da können wir beschließen, was wir wollen", sagt Oswald Metzger, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen, "rechtlich ist das völlig unverbindlich und wertlos". Denn selbstverständlich kann der Bundestag nicht per Resolution die Ausgabe von Steuergeldern auf Vorrat beschließen, schon gar nicht in einem Wahljahr, nach dessen Ablauf die Mehrheiten völlig anders aussehen können.
Die von den Briten und Franzosen geforderte rechtsverbindliche Zusage der Deutschen über ihren Anteil kann der Beschluss daher ohnehin nicht bringen. Weil die Royal Airforce und Britanniens Verteidigungsminister Geoffrey Hoon eigentlich lieber das größere Konkurrenzmodell "Globemaster" von Boeing gekauft hätten, könnte so das ganze Mammutprojekt platzen. Wenn die Zusage aus Deutschland ausbleibe, "werden wir unsere Position noch einmal überprüfen", drohte ein Staatssekretär Hoons in London.
DPA
Haushälter Metzger: "Wir können beschließen, was wir wollen"
Er sei sich der internationalen Dimension bewusst und keineswegs gegen die Anschaffung der Flugzeuge, erklärte denn auch der grüne Haushälter Metzger. Nur solle all das doch in einem "seriösen Verfahren" beschlossen werden. Bislang gebe es aber nicht mal einen soliden Bericht aus dem Hause Scharping über die tatsächlich zu erwartenden Kosten einschließlich der Preissteigerungen. Eben das hatte auch Finanzminister Eichel im Dezember angemahnt, aber bislang nicht bekommen. Entsprechende Mahnungen des Haushaltsressorts auf der Hardthöhe seien wohl "bei der politischen Führung des Ministeriums versandet", mutmaßt Metzger.
"Nicht der nützliche Idiot"
Hintergrund der scheinbar laxen Hauhaltsplanung auf der Hardthöhe ist die nach wie vor ungeklärte Finanzierung der Bundeswehrreform. Nach einer internen Übersicht fehlen der Truppe spätestens ab 2005 für die bereits beschlossenen Rüstungsprojekte eine Milliarde Euro pro Jahr. Scharping wollte darum ursprünglich die neue Transporterflotte nicht mit Mitteln aus dem Verteidigungshaushalt bezahlen. Eichel und die Abgeordneten dagegen fordern, notfalls die hohen Investitionskosten für neue Flugzeuge und Waffen durch eine Verkleinerung der Truppenstärke zu finanzieren.
DDP
Pannenminister Scharping: Unhaltbare Zusage
Vor diesem Hintergrund werde er sich nicht "zum nützlichen Idioten machen lassen" und dem unsinnigen Antrag gewiss nicht zustimmen, kündigte Metzger heute an. Dafür werde auch bei der am Dienstag anstehenden Beratung in der Fraktion plädieren. Auch der SPD-Abgeordnete Volker Kröning beklagte, es werde versucht, den Haushaltsausschuss des Bundestages politisch zu überrollen und kündigte seinen Widerstand an.
So droht die Airbus-Frage zu einer Lachnummer und einer Vertrauensfrage für Rudolf Scharping zu verkommen. Der Bundeskanzler erwarte die Zustimmung des Bundestags, versicherte Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye am Montag. Mehr drohend als wissend erklärte er, "es wird zu einem einvernehmlichen Vorgehen zwischen Parlament und Bundesregierung kommen." Auch SPD-Fraktionschef Peter Struck machte seinen Genossen im Bundestag Druck, es gebe eine geltende Vereinbarung mit der Bundesregierung. "Das heißt, wir werden beschließen, dass die notwendigen Mittel im Haushalt 2003, vor allem aber in den nachfolgenden Jahren, bereitstehen werden."
Für die Opposition gerät das Gezerre um die unsinnige Entschließung derweil zu einer weiteren Steilvorlage, Scharping und seine missglückte Reform vorzuführen. Unionsfraktionschef Friedrich Merz erklärte, die Unionsabgeordneten seien "unter keinen Umständen bereit, einem Verfahren zuzustimmen, dass gegen die Finanzverfassung des Grundgesetzes verstößt".
Dass Merz mit dieser Bewertung richtig liegt, mochte auch Finanzminister Eichel nicht bestreiten. Derzeit werde noch die Einhaltung der Bundeshaushaltsordnung geprüft, erklärte seine Sprecherin am Montag. Ob die Prüfung noch vor Monatsende abgeschlossen werde, sei noch nicht sicher.