Rendite auf Mindestniveau

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Nassie:

Rendite auf Mindestniveau

 
21.04.03 13:04
Überschussbeteiligung ade, Rendite auf Mindestniveau - harte Zeiten für Kunden von Lebensversicherungen. EURO erklärt, wie die Policen funktionieren, worauf man achten muss, was Ihr Vertrag wert ist.

Welche Lebensversicherung ist sicher? Welche bleibt sicher? Wie viel Rendite kann ich erwarten? Solche Fragen quälen alle, die noch schnell eine Police abschließen wollen, bevor es mit dem Steuerprivileg vorbei ist. Aber auch die Kunden - und das sind statistisch gesehen alle Deutschen - plagen diese Fragen. Sie wähnten sich auf dem Königsweg zur privaten Alterssicherung und plötzlich stehen sie in einem Labyrinth aus widersprüchlichen Meldungen, hohen Erwartungen und geschönten Versprechungen. Musterrechnungen, Garantiezins, Überschuss-Beteiligung - alles kann nach unten angepasst werden, wenn es die Situation erfordert. Das mussten viele der 90 Millionen Besitzer von Kapitallebensversicherungen gerade erst schmerzhaft erfahren. Folge: Mit dem Gütesiegel "Sicherheit" ist es erst mal vorbei. Die Branche steckt in ihrer bisher größten Krise. Viele Unternehmen haben sich an der Börse verspekuliert. Bei mehr als einem Dutzend wird jetzt das Eigenkapital knapp. Insgesamt schieben die über 100 in Deutschland aktiven Lebensversicherer statt milliardenschwerer Rücklagen nun 15 bis 20 Milliarden Euro stille Lasten vor sich her. So hoch beziffert selbst der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) die Kursverluste, die noch nicht abgeschrieben sind. Die Rating-Agentur Fitch rechnet gar mit bis zu 50 Milliarden Euro. Auch Lutz Schroeder, Vorstand des Lebensversicherungsaufkäufers Cash Life, glaubt, dass das ganze Drama momentan noch gar nicht zu sehen ist: "Die Zahlen in den Geschäftsberichten 2002 gehen immer noch von einem DAX-Stand von gut über 4000 Punkten aus." Hintergrund: Seit 2001 dürfen Kursverluste, die nicht dauerhaft sind, mit dem Durchschnittskurs der vergangenen zwölf Monate bilanziert werden.

Alarmierend wirkt auch die Geheimnistuerei um die Ergebnisse des Stresstests, den die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) als Frühwarnsystem neu eingeführt hat. Er zeigt, ob ein Unternehmen bei erneuten Kurseinbrüchen an den Aktien- und Rentenmärkten seine Verpflichtungen noch erfüllen kann (siehe Euro 14/03). Bisher haben Axa und Victoria eingestanden, im ersten Anlauf gescheitert zu sein. Die anderen hüllen sich in Schweigen. Es sei denn, sie können wie Allianz Leben, Debeka, Hamburg Mannheimer, WWK oder Volksfürsorge mitteilen, dass sie die Hürde locker genommen haben. Jedoch darf man nicht davon ausgehen, dass alle, die zu keinem Statement bereit waren, am Test gescheitert sind. So verweigert die Hannoversche Leben jede Auskunft, obwohl sie nach Euro-Informationen nicht zu den Verlierern zählt. Ein bestandener Stresstest dürfe nicht als Wettbewerbsvorteil genutzt werden, so ihr Argument.

Kunden haben jedoch noch einen Grund, misstrauisch zu sein. Bisher gibt es kaum personelle Konsequenzen aus dem Börsendesaster. "Da müssten viel mehr Köpfe unter den Finanzvorständen rollen", meint Manfred Poweleit, der Herausgeber des Branchendienstes "Map Report". "Doch wie dilettantisch man zum Teil investiert hat, wird meist unter den Teppich gekehrt." Selbst bei den Festverzinslichen bewiesen die deutschen Versicherer keine glückliche Hand. Als es 2001 mit den sicheren Gewinnen an der Börse vorbei war, packten sie auf der Suche nach Rendite ihr Kapital in lukrative Unternehmensanleihen - und verloren mit Enron und Co nochmals viel Geld. Weiterer Risikofaktor: Kredit-Derivate. Banken verkaufen verbriefte Forderungen aus vergebenen Krediten, um ihre Bilanzen zu entlasten. Deutsche Versicherer sollen hier hochriskante Käufe in Milliardenhöhe gemacht haben. Die Rating-Agentur Moody’s attestiert der deutschen Versicherungsbranche sehr unterschiedliche Qualität beim Anlage-Management: "Die Fähigkeiten unterscheiden sich deutlich. Besonders kleinere Gesellschaften haben bisher noch nicht die Kompetenz und Erfahrung, um die zunehmend komplexer werdenden Portfolios zu managen."

Wenn Sie endlich ganz genau wissen wollen, was Ihre Versicherungs-Gesellschaft kann, wie gut Ihre Police ist: Euro bietet allen Lesern einen persönlichen Policen-Check. Dabei wird Ihre Police von Experten auf Herz und Nieren geprüft - unser Stresstest, damit Sie keinen Stress haben (näheres siehe Kasten auf Seite 58). Doch die Lebensversicherer sind nicht allein an der Misere schuld. Auch die Bafin muss sich der Kritik stellen. Sie lässt Wettbewerb nur über die Überschüsse zu. Doch die müssen zu drei Vierteln aus dem Anlageertrag oder aus den Rücklagen finanziert werden (siehe Grafik Seite 56). Weil die Sicherheitspolster durch Kursverluste geschrumpft sind, wächst der Druck, riskanter anzulegen. Konkurrenz über niedrig kalkulierte Risikokosten ist dagegen untersagt. Tarife müssen daher mit höherer Sterblichkeit und teurerem Risikoschutz kalkuliert werden als eigentlich nötig. Die zu viel veranschlagten Kosten fließen dann wieder in die Überschüsse. Das ist zwar kompliziert und teuer, für die Kunden hat das auf den ersten Blick aber einen Vorteil: Um die Leistung der Versicherung zu vergleichen, müssen sie nur die gezahlten Überschüsse der Gesellschaften vergleichen. Wie hoch die Kostenquote oder das eingegange Risiko sind? Keine Ahnung.

Unwissenheit ist hier sowieso das Problem Nummer 1. Die Kunden wissen über ihre Versicherung nur wenig. Denn der Aufklärungseifer der Gesellschaften hält sich - außer in Sachen Überschuss - sehr in Grenzen. Das beginnt schon beim Vertragsabschluss. Kaum ein Kunde weiß, wie eine Lebensversicherungspolice funktioniert, gekauft wird sie trotzdem. "Es ist erschreckend, wie wenig Ahnung die Leute haben", sagt Verbraucherschützer Wolfgang Scholl. "Die meisten zahlen ihr Geld in eine Black Box ein. Sie wissen nicht genau, wofür sie bezahlen und wovon es abhängt, wie viel sie herausbekommen." Solange die Zuverlässigkeit der Versicherungen über Zweifel erhaben war, war das nicht weiter schlimm. Eine pragmatische Sicht genügte: Ich zahle die Beiträge, dafür zahlt die Versicherung am Vertragsende oder bei Tod eine stattliche Summe. Nach zwölf Jahren gibt’s die sogar steuerfrei.

Bisher machte solche Naivität das Geschäft leicht. Landauf, landab reichen Schlagworte wie "Sicherheit" und "Rendite". Das überzeugt schneller als umständliche Erklärungen über Sparanteil, Rückstellung für Beitragsrückerstattung oder Zillmerung. Unverbindliche Beispielrechnungen tun dann das Übrige: Die Familie abgesichert und die Hälfte mehr herausbekommen als eingezahlt, das muss sich doch lohnen.

Selbst in der betrieblichen Altersvorsorge zeigt sich diese Macht der Policen-Verkäufer. Auch hier gilt: "Versicherungen werden nicht gekauft, sondern verkauft", wie Andreas Buttler von der Münchner Febs AG sagt. Anders als bei der privaten Vorsorge muss hier sogar nach zwei Seiten verkauft werden: erst dem Arbeitgeber, dann den Beschäftigten. Daher spielt auch die Rendite keine entscheidende Rolle. Wichtiger sind Know-how und effektive Verwaltung. Profi Buttler: "Zuerst muss die Firmenleitung überzeugt werden. Für sie sind Problemlösungen wichtig. Und dass sie wenig Aufwand damit hat." Dadurch entwickelt sich besonders in kleineren Betrieben eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Um die einfachen Arbeiter kümmert man sich nicht richtig, ihnen fehlt es an Geld und an Informationen. In den Führungskreisen geht man die betriebliche Altersvorsorge aufgeschlossener an. "In den großen Unternehmen hat man sich dem Thema beschäftigt", sagt Ralf Weißenfels. "Doch selbst in Firmen mit mehreren hundert Mitarbeitern wird das Thema ignoriert." Für ihn ist es daher nur eine Frage der Zeit, bis die Riester-Rente zu einer Pflichtversicherung für alle Beschäftigten wird. Damit wird die betriebliche Altersvorsorge zum Mega-Markt. Studien gehen davon aus, dass ihr Anteil bis 2007 ebenso groß sein wird wie der der privaten Altersvorsorge - rund 33 Milliarden Euro.

Noch aber verdienen Vertreter mit Lebensversicherungen das meiste. Als Provision sind drei bis fünf Prozent der vereinbarten Ablaufleistung üblich. Genug, um kundengerecht zu beraten, sollte man glauben. Doch oft werden ungünstige Kombinationen empfohlen. Wer sich auf monatliche Beitragszahlung, Dynamisierung und Erhöhung der Todesfall-Leistung bei Unfalltod einlässt, büßt das mit 0,5 bis 0,8 Prozentpunkten bei der Rendite. Weitere Probleme: zu hoch ausgewiesene Ablaufleistungen oder unsinnig lange Laufzeiten.

Dass Kunden selten optimal beraten werden, beweist die hohe Stornorate. "Über die Hälfte der Policen wird nicht bis zum Laufzeitende durchgehalten", beklagt Verbraucherschützer Scholl. Für den Kunden ist das immer ein Verlustgeschäft. In der Regel bekommt er erst nach der Hälfte der Laufzeit die eingezahlten Beiträge wieder zurück.

Wer früher aufgibt, zahlt sogar noch drauf. Nur während des ersten Jahres ist ein Ausstieg meist ohne große Verluste möglich. Doch dazu darf man den Vertrag nicht kündigen, sondern muss ihn widerrufen.

An Kündigung denken viele auch aus Angst. Wenn ihr Versicherer in einer der vielen Listen als Wackelkandidat auftaucht, fürchten viele, leer auszugehen. Doch ihr Risiko ist begrenzt. Schlimmstenfalls erhalten sie nur noch den garantierten Zins auf den Sparanteil und die bereits zugewiesenen Überschüsse.

Falls sich abzeichnet, dass ein Versicherer die garantierten Zusagen nicht mehr einhalten kann, greift die Bafin ein. In einem ersten Schritt werden mit der Führung des Unternehmens die notwendigen Maßnahmen besprochen. Bei konzerngebundenen Lebensversicherern genügt es oft, wenn die Mutter frisches Kapital einbringt. Bei den zahlreichen eigenständigen Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit kommt ein solcher Schritt nicht in Frage. Hier müssen dann Kapitalanlagen aufgelöst werden, etwa indem Immobilien verkauft werden. Auch die Absenkung der Überschuss-Beteiligung kann angeordnet werdet. Weiter ist der Eingriff in das Anlagenmanagement möglich, etwa indem zusätzliche und oft teure Absicherungsmaßnahmen für Aktienpositionen verlangt werden. Selbst die Einstellung des kostenträchtigen Neugeschäfts kann die Bafin fordern. Dann aber ist die Schieflage schon so fortgeschritten, dass Unternehmen oder Bafin bereits nach einem Käufer Ausschau halten. In der Zwischenzeit wird oft - wie vergangenes Jahr bei der Familienfürsorge - der Vorstand der Versicherung durch einen Sonderbeauftragten der Bafin ersetzt. Während all dieser Aktivitäten werden die Policen weitergeführt. Sollte sich kein Käufer finden, gibt es seit dem Jahr 2002 noch eine letzte Auffanglösung. Dann springt Protektor ein, eine Gesellschaft, an der sich im Ernstfall alle im GDV zusammengeschlossenen Versicherer beteiligen müssen - jeder mit bis zu einem Prozent seiner Kapitalanlagen. Dem Verband zufolge kommt dadurch eine Rettungssumme von rund fünf Milliarden Euro zusammen. "Damit ist sichergestellt, dass bei Bedarf ausreichend Geld zur Verfügung steht", so GDV-Präsident Bernd Michaels.

Das beruhigt vor allem diejenigen Kunden, die eine Lebensversicherung gewählt haben, weil sie sich um ihren Vermögensaufbau keine Gedanken machen wollen. Denn wer bis zum Laufzeitende durchhält, kann bei einem zwölfjährigen Vertrag nach Berechnungen von "Map Report" mit einer Beitragsrendite von im Schnitt 5,75 Prozent rechnen. Das kann sich auch neben der von Kritikern der Kapitallebensversicherung propagierten Alternative - Trennung in Risikolebensversicherung zur Absicherung der Familie und einen Fondssparplan zum Vermögensaufbau - sehen lassen. "Map Report" hat auch den Erfolg dieser Strategie untersucht. Das Ergebnis: Zwar liegt die beste Lebensversicherung unter 300 Produkten erst an 64. Stelle. Doch gibt es fast 80 BVI-Fondssparpläne, die zwischen 1991 und 2001 schlechter abschnitten als die schlechteste Lebensversicherung.

Das wichtigste Verkaufsargument für die Lebensversicherung wird aber fallen: das Steuerprivileg. Bisher geht der Fiskus leer aus, wenn der Vertrag mindestens zwölf Jahre lang läuft, fünf Jahre lang Beiträge gezahlt werden und ein Todesfallschutz von 60 Prozent der Prämiensumme vereinbart ist. Die Rürup-Kommission schlägt die ersatzlose Streichung vor. Bisher konnte der Branchenverband solche Pläne immer noch abwenden. Doch diesmal ist seine Verhandlungsposition schwächer als gewohnt. Der Grund: Der GDV braucht neue Bilanzregeln, damit die Unternehmen Kursverluste über einen längeren Zeitraum abschreiben können. Den Vertrieb brächte der Fall der Steuerfreiheit nochmal richtig in Schwung. Denn viele springen dann Hals über Kopf auf den davonfahrenden Zug und vergessen dabei, dass die Überschuss-Beteiligungen schon zum zweiten Mal zurückgenommen wurden. Und die nächste Kürzung ist angekündigt. Bei den Ablaufleistungen machen sich bereits deutliche Lücken bemerkbar (siehe Tabellen Seite 59). Weil keiner mehr einschätzen kann, wo seine Versicherung steht, interessieren sich die Kunden jetzt plötzlich mehr dafür, was hinter einer Lebens- oder Rentenversicherung steckt.

Das kleine Einmaleins der Lebensversicherung: In jedem Vertrag sind drei Dinge zusammengefasst. Die Absicherung der Familie gegen den plötzlichen Tod des Versicherten - meist des Ernährers -, ein Sparplan und eine standardisierte Vermögensverwaltung. Für alle drei Komponenten muss der Kunde zahlen, die Prämie wird also auf Risikokosten, Verwaltungsgebühren und den Sparanteil verteilt (siehe Grafik). Dazu kommen noch die Kosten für den Vertragsabschluss. Die Vermittlerprovision wird sofort einkassiert. Das hat zur Folge, dass im ersten Jahr kein Geld in den Sparanteil fließt (Zillmerung). Der Begriff Sparanteil ist dabei nicht wörtlich zu nehmen. Ein Versicherungsvertrag gleicht mehr einer Unternehmensbeteiligung als einem Sparbuch. Das eingezahlte Geld gehört dem Kunden nicht mehr. Er erwirbt dafür neben dem Todesfallschutz nur den Anspruch, dass die Gesellschaft ihm am Laufzeitende den Anteil wieder herausgibt und mindestens den Garantiezins darauflegt. Zusätzlich stehen ihm wenigstens 90 Prozent der Überschüsse zu, die mit dem eingezahlten Geld erwirtschaftet wurden. Doch nur ein Teil der über den Garantiezins hinausgehenden Überschüsse wird dem Sparanteil direkt zugewiesen. Der Rest dient als freie Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) dazu, in schlechten Jahren die Erträge aufzupeppen - und für den Schlussüberschuss. Doch den bekommt nur, wer durchgehalten hat.
 
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