Peymann rettet den Weltfrieden ... oder nennt man

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Peymann rettet den Weltfrieden ... oder nennt man

 
06.01.02 15:42
das: Genialität, Budgetdruck oder anale Phase?



Sonntag 6. Januar 2002, 13:19 Uhr
Ein Stück gegen den Wahnsinn
von Holger Mehlig


Peymann inszeniert Lessings «Nathan der Weise» in Berlin - Als Reaktion auf die Terroranschläge in den USA
Von AP-Korrespondent Holger Mehlig

Berlin (AP) «Nathan der Weise» ist ein «Stück gegen den Wahnsinn» und ein «Plädoyer für die Vernunft». So empfindet das zumindest Claus Peymann, Intendant des Berliner Ensembles. Und da nach den Terroranschlägen in den USA auch die Theater irgendwie in der Pflicht waren zu reagieren, hatte er eine nahe liegende Idee. Er beschloss, das weit über 200 Jahre alte Toleranzdrama von Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) kurzfristig in den Spielplan aufzunehmen und selbst zu inszenieren. Am Samstag war in seinem Haus Premiere.

Am Ende der knapp dreieinhalb Stunden freute sich der Intendant zusammen mit den acht Schauspielern über eine größtenteils gelungene Aufführung. Auch die Besucher, unter ihnen Bundesaußenminister Joschka Fischer, zeigten mit langanhaltendem Beifall «uneingeschränkte Solidarität». Dabei war das Unterfangen, den «Nathan» wieder einmal auf die Bühne zu bringen, nicht ganz ungefährlich, wirken seine Inszenierungen doch häufig wie biedere Lehrstücke, in denen Regisseure mit erhobenen Zeigefingern den guten Menschen vorführen.

Peymann jedoch bannte die Gefahr, indem er mit Schwung und Witz inszenierte und so zeigte, dass die verschiedenen Religionen durchaus in Frieden miteinander leben können, wenn denn nur ein bisschen gegenseitige Toleranz gezeigt wird. Allerdings schlug er so manches Mal über die Stränge. Einige Übertreibungen waren dem Stück nicht angemessen und nahmen ihm so den nötigen Ernst. Auch die Kostümierung des Sultans Saladin (Hans Peter Korff), der einem Kasperletheater entsprungen schien, war eher lächerlich.

Achim Freyer gestaltete ein karges Bühnenbild. Auf dem schwarzen Bühnenboden prangten ein rotes Kreuz und weiße Striche. Über ihm hingen an einem Metallgestell große Scheinwerfer, die nur zwischen den Szenen erloschen und die Schauspieler ansonsten in gleißendes Licht tauchten. Lediglich einige schwarze, rote und weiße Stühle standen ab und zu herum. Die verschiedenen Farben sollten wohl, wie auch die Kostüme, die Religionen symbolisieren: Blau-schwarz für die Muslime, schwarz-weiß für die Juden, rot-weiß für die Christen.

Überzeugend waren die Leistungen der Schauspieler, vor allem von Carmen-Maja Antoni, die eine intrigante, christliche Gesellschafterin spielte. Auch Peter Fitz brillierte in der Rolle eines ruhigen, besonnenen Juden Nathan, der, nachdem Christen seine Frau und sieben Söhne ermordet hatten, nicht mit Rache antwortete, sondern Vernunft walten ließ und das christlich getaufte Waisenkind Recha (Anna Böger) aufzog.

Auch ein wenig Heiner Müller war dabei
Ort des Geschehens ist Jerusalem zur Zeit der Kreuzzüge. Judentum, Islam und Christentum prallen unmittelbar aufeinander. Als Sultan Saladin, ein Muselmann, von Nathan wissen will, welches denn nun die wahre Religion sei, antwortet dieser mit der berühmten Ringparabel aus Boccaccios «Decamerone». Der Sultan erkennt im Gleichnis: Religion, in welcher Gestalt sie auch auftritt, muss sich durch praktische Humanität ausweisen.

Nach einigen Irrungen fielen sich auf der Bühne ein christlicher Tempelherr (Markus Meyer), der Sultan und seine Schwester Sittah (Ursula Höpfner) sowie Recha und Nathan wieder und wieder in die Arme. Dann schloss sich der Vorhang - und Lessing trat in Gestalt von Carmen-Maja Antoni selbst auf die Bühne. «Am schnellsten vergessen die Götter», rezitierte sie aus dem Text «Lessings Schlaf Traum Schrei» von Heiner Müller. Noch einmal öffnete sich der Vorhang und gab den Blick frei auf die erste Szene: Eine Bühne, auf der Flammen züngeln.

www.berliner-ensemble.de


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