Pacific Century Cyberworks fehlt der Wachstumsmotor
OLIVER MÜLLER
HANDELSBLATT, 23.7.2001
HONGKONG. Vom Witwen- und Waisen-Wert zur Wackel-Aktie: Dafür hat Hongkongs Ex-Telekom-Monopolist nicht einmal ein Jahr gebraucht. Seit der Übernahme des Traditionskonzerns Hong Kong Telecom (HKT) durch das Internet- Start-up Pacific Century Cyberworks (PCCW) hat der Kurs rasant alle Böden durchbrochen, die Analysten ihm gezogen hatten. Dennoch gilt die Aktie nicht als Kauf.
Seit Ankündigung der Übernahme im März 2000 sind PCCW um 92 % auf 2,12 Hk$ eingebrochen. Denn auch nach der Fusion ist Cyberworks kaum mehr als die alte Hong Kong Telecom, ein lokaler Festnetzanbieter – nun aber belastet mit 4,7 Mrd. $ Schulden, negativem Eigenkapital und einem 2000-er Rekordverlust von 886 Mill. $. Nach US-Rechnungslegung betrüge das Loch sogar 1,87 Mrd. $.
Die von PCCW-Chef Richard Li versprochenen Synergien und boomenden neuen Geschäftsfelder haben sich als Luftschlösser erwiesen: Die Vision des 34-Jährigen – Sohn von Asiens reichstem Tycoon – einen weltumspannenden Internet- TV-Sender aufzubauen, floppte und wurde vor einem Monat eingemottet. Keiner wollte das Programm sehen. „Ein Disaster“, kommentiert Deutsche Bank Analyst Nigel Coe.
Li konzentriert sich jetzt kleinlaut auf den Aufbau eines lokalen Online-Geschäfts in Hongkong. In die Internet-Sparte, die den Börsenwert eigentlich verdoppeln sollte, investiert PCCW nur noch 390 Mill. $ über drei Jahre, statt geplanter 1,5 Mrd. $. 40 % der Mitarbeiter dort wurden entlassen. Dot-com Manieren leistet sich das Management aber immer noch: Seinem Vorstand zahlt PCCW 98 Mill. $ – zwanzig Mal so viel wie die alte HKT. Dividenden werden indes nicht mehr ausgeschüttet. Darüber klagen Kleinanleger und Fondsmanager.
Als sei dies noch nicht genug, hat die Firmenhochzeit den Konzern nicht größer, sondern kleiner gemacht: Um die mit 28 Mrd. $ teuerste Übernahme Asiens zu bezahlen, musste Cyberworks Teile der HKT- Wachstumsmotoren – die Mobilfunksparte und das Datenübertragungsgeschäft – verkaufen. Das Kerngeschäft mit Ortsgesprächen sichert PCCW solide Einnahmen, doch 25 % davon frisst der Schuldendienst.
„Es kann eigentlich nicht mehr schlimmer werden“, sagt Nigel Coe. Fair bewertet sieht er die Aktie bei 2,40 HK$. „Sie wird sich stabilisieren, das Verlustrisiko ist jetzt begrenzt“, meint er. Aber auf zwölf Monate gesteht Coe dem Titel kein Kurspotenzial zu. Kopfschmerzen macht ihm das 2 Mrd. $ schwere Cyberport-Projekt. Brächen Hongkongs Immobilienpreise ein, könne die Entwicklung des High-Tech-Gewerbeparks neue Verluste bringen.
Was Analysten am meisten beunruhigt ist, dass dem Unternehmen die Finanzkraft fehlt, in Wachstumsfelder zu investieren. PCCW will zwar zu einem der großen asiatischen Anbieter von Internet-Dienstleistungen aufrücken. Aber selbst im Idealfall werden die Einnahmen aus dem Nicht-Festnetz-Geschäft bis 2005 von derzeit 2 % nur auf 18 % steigen, schätzt Merrill Lynch Analystin Agnes Ho. „Bis das Unternehmen klarer zeigt, wie es Wachstum generieren will, ist es schwer, Kurspotenzial zu sehen“, meint sie. Ho hält die Aktie fundamental immer noch für überbewertet und stuft sie langfristig als „neutral“ ein.
Nun versuchte Cyberworks erneut, einen Superlativ zu brechen: Mit 2,5 Mrd. $ wollte das Management die größte Unternehmensanleihe Asiens platzieren. Doch das Unternehmen bekam den Vertrauensverlust der Anleger zu spüren: Angesichts der Skepsis gegenüber High-Tech-Unternehmen gelang es nicht einmal, die geplante Anleihe in abgespeckter Version in Höhe von 1,5 Mrd. $ mit einer Laufzeit von zehn Jahren an den Mann zu bringen. Die Tranche musste am Wochenende gestrichen werden.
OLIVER MÜLLER
HANDELSBLATT, 23.7.2001
HONGKONG. Vom Witwen- und Waisen-Wert zur Wackel-Aktie: Dafür hat Hongkongs Ex-Telekom-Monopolist nicht einmal ein Jahr gebraucht. Seit der Übernahme des Traditionskonzerns Hong Kong Telecom (HKT) durch das Internet- Start-up Pacific Century Cyberworks (PCCW) hat der Kurs rasant alle Böden durchbrochen, die Analysten ihm gezogen hatten. Dennoch gilt die Aktie nicht als Kauf.
Seit Ankündigung der Übernahme im März 2000 sind PCCW um 92 % auf 2,12 Hk$ eingebrochen. Denn auch nach der Fusion ist Cyberworks kaum mehr als die alte Hong Kong Telecom, ein lokaler Festnetzanbieter – nun aber belastet mit 4,7 Mrd. $ Schulden, negativem Eigenkapital und einem 2000-er Rekordverlust von 886 Mill. $. Nach US-Rechnungslegung betrüge das Loch sogar 1,87 Mrd. $.
Die von PCCW-Chef Richard Li versprochenen Synergien und boomenden neuen Geschäftsfelder haben sich als Luftschlösser erwiesen: Die Vision des 34-Jährigen – Sohn von Asiens reichstem Tycoon – einen weltumspannenden Internet- TV-Sender aufzubauen, floppte und wurde vor einem Monat eingemottet. Keiner wollte das Programm sehen. „Ein Disaster“, kommentiert Deutsche Bank Analyst Nigel Coe.
Li konzentriert sich jetzt kleinlaut auf den Aufbau eines lokalen Online-Geschäfts in Hongkong. In die Internet-Sparte, die den Börsenwert eigentlich verdoppeln sollte, investiert PCCW nur noch 390 Mill. $ über drei Jahre, statt geplanter 1,5 Mrd. $. 40 % der Mitarbeiter dort wurden entlassen. Dot-com Manieren leistet sich das Management aber immer noch: Seinem Vorstand zahlt PCCW 98 Mill. $ – zwanzig Mal so viel wie die alte HKT. Dividenden werden indes nicht mehr ausgeschüttet. Darüber klagen Kleinanleger und Fondsmanager.
Als sei dies noch nicht genug, hat die Firmenhochzeit den Konzern nicht größer, sondern kleiner gemacht: Um die mit 28 Mrd. $ teuerste Übernahme Asiens zu bezahlen, musste Cyberworks Teile der HKT- Wachstumsmotoren – die Mobilfunksparte und das Datenübertragungsgeschäft – verkaufen. Das Kerngeschäft mit Ortsgesprächen sichert PCCW solide Einnahmen, doch 25 % davon frisst der Schuldendienst.
„Es kann eigentlich nicht mehr schlimmer werden“, sagt Nigel Coe. Fair bewertet sieht er die Aktie bei 2,40 HK$. „Sie wird sich stabilisieren, das Verlustrisiko ist jetzt begrenzt“, meint er. Aber auf zwölf Monate gesteht Coe dem Titel kein Kurspotenzial zu. Kopfschmerzen macht ihm das 2 Mrd. $ schwere Cyberport-Projekt. Brächen Hongkongs Immobilienpreise ein, könne die Entwicklung des High-Tech-Gewerbeparks neue Verluste bringen.
Was Analysten am meisten beunruhigt ist, dass dem Unternehmen die Finanzkraft fehlt, in Wachstumsfelder zu investieren. PCCW will zwar zu einem der großen asiatischen Anbieter von Internet-Dienstleistungen aufrücken. Aber selbst im Idealfall werden die Einnahmen aus dem Nicht-Festnetz-Geschäft bis 2005 von derzeit 2 % nur auf 18 % steigen, schätzt Merrill Lynch Analystin Agnes Ho. „Bis das Unternehmen klarer zeigt, wie es Wachstum generieren will, ist es schwer, Kurspotenzial zu sehen“, meint sie. Ho hält die Aktie fundamental immer noch für überbewertet und stuft sie langfristig als „neutral“ ein.
Nun versuchte Cyberworks erneut, einen Superlativ zu brechen: Mit 2,5 Mrd. $ wollte das Management die größte Unternehmensanleihe Asiens platzieren. Doch das Unternehmen bekam den Vertrauensverlust der Anleger zu spüren: Angesichts der Skepsis gegenüber High-Tech-Unternehmen gelang es nicht einmal, die geplante Anleihe in abgespeckter Version in Höhe von 1,5 Mrd. $ mit einer Laufzeit von zehn Jahren an den Mann zu bringen. Die Tranche musste am Wochenende gestrichen werden.