Neue Gewalt überschattet Nahost-Gipfel in Ägypte
Scharm el Scheich (vwd/AFP) - Unter dem Eindruck neuer Gewalt haben sich
die Konfliktparteien im Nahen Osten und internationale Vermittler beim
Krisen-Gipfel in Scharm el Scheich um einen Waffenstillstand bemüht. Am
Montagnachmittag äußerten sich Israeli und Palästinenser jedoch pessimistisch
über die Erfolgsaussichten. US-Präsident Bill Clinton appellierte zu Beginn des
Treffens in dem ägyptischen Badeort, der Gipfel dürfe nicht scheitern, "denn der
Friedensprozess und die Zukunft der Region stehen auf dem Spiel".
Bei Demonstrationen gegen den Gipfel im Westjordanland und im Gazastreifen
wurden ein 13-jähriger Palästinenser und ein palästinensischer Polizist von
israelischen Soldaten getötet. Mehr als 60 Menschen wurden
Krankenhausangaben zufolge verletzt. Bislang sei kein Fortschritt zu erkennen,
sagte der palästinensische Kultur- und Informationsminister Jassir Abed Rabbo
am Nachmittag. Zur Diskussion stünden ein palästinensisch-ägyptisches
Dokument und ein Kompromissvorschlag der Vereinten Nationen (UN). Auch der
Sicherheitsberater des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak, Danny
Jatom, sagte, bei den Gesprächen mit den Palästinensern gebe es
"Schwierigkeiten und Streit".
Als Krise wollte er die Situation jedoch nicht bezeichnen, da es ein ernsthaftes
Bemühen um eine Lösung gebe. An dem Gipfel nahmen neben Barak und
Clinton Palästinenserpräsident Jassir Arafat, der ägyptische Präsident Husni
Mubarak, Jordaniens König Abdullah II., UN-Generalsekretär Kofi Annan sowie
der außenpolitische Beauftragte der Europäischen Union (EU), Javier Solana,
teil.
Zu den Zielen des Treffens gehörten laut Clinton ein Ende der Gewalt und die
Wiederherstellung der Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen, ein Abkommen zur
Untersuchung der anhaltenden Unruhen sowie die Wiederaufnahme der
Friedensgespräche. Der US-Präsident verschob seine Abreise von dem Gipfel
um mehrere Stunden und traf mit Barak und Arafat zu Einzelgesprächen
zusammen. Möglicherweise werde der US-Präsident sogar bis Dienstagmittag
bleiben, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses. Israelischen Angaben zufolge
war kein Dreiertreffen geplant. Unklar war zunächst, bis wann der Gipfel dauern
sollte.
Gegen das Gipfeltreffen demonstrierten mehrere tausend Palästinenser. Sie
forderten Arafat auf, "dem Druck der USA und Israels zu widerstehen". Zwölf
Palästinenserorganisationen hatten zu einem weiteren "Tag des Zorns"
aufgerufen. Im Gazastreifen erschossen israelische Soldaten einen
palästinensischen Polizisten. In Bethlehem im Westjordanland traf eine Kugel
von israelischen Soldaten einen 13-jährigen Jungen in den Kopf. In Hebron
demonstrierten rund 1000 Menschen gegen das Gipfeltreffen. Dort sowie in
Bethlehem, Ramallah, Nablus und im Gazastreifen wurden dutzende Menschen
verletzt. In Gaza-Stadt gingen 3000 Palästinenser auf die Straße. Zwei
israelische Soldaten wurden bei einem Schusswechsel an der Grenze zwischen
dem Gazastreifen und Ägypten verletzt.