Bahnkunden kritisieren das neue Preissystem
04. Jul 13:22
Das neue Preissystem der Bahn soll sich am Flugzeug orientieren. Der Fahrgastverband «Pro Bahn» hält das für die «grundsätzlich falsche Richtung».
BERLIN. Wer mit dem Zug fährt, soll sich fühlen wie im Flugzeug. Schaffner heißen «Bordpersonal», Fahrgäste «Passagiere», und jüngst wurde auch die Ansage «in wenigen Minuten erreichen wir Berlin Hauptbahnhof» aerodynamisch geändert. Jetzt heißt es: «Wir befinden uns in der Anfahrt auf Berlin».
Nun will die Bahn offenbar auch ihr Preissystem dem Flugverkehr angleichen. Am Mittwoch beschließen Vorstand und Aufsichtsrat die «Vereinfachung der Bahnpreise». Nach Medienberichten kann man die Neuerungen folgendermaßen zusammenfassen: Flexibilität wird verringert, wer lange Strecken fährt und rechtzeitig vorher bucht, wird mit Billigpreisen belohnt - wie beim Fliegen.
Pro Bahn: «Trugschluss»
Konkret soll die Bahncard zwar billiger werden, dafür aber nur noch 25 Prozent Preisnachlass bringen – allerdings auch auf Sonderangebote anwendbar sein. Es wird ein Staffelrabbatt für Frühbucher eingeführt – je früher gebucht wird, desto billiger das Ticket – und Sondertarife für Mini-Gruppen bis zu fünf Personen. Die Einführung sei für Herbst 2002 geplant, heißt es.
«Wir wollen nicht weniger Kunden auf der Schiene, sondern mehr», wirbt Christoph Franz, Vorsitzender des Bereichsvorstandes Personenverkehr der Bahn. «Und das wird dieses neue Preissystem leisten. Für den Fahrgastverband »Pro Bahn« ein fataler »Trugschluss«.
Entscheidung für Straße oder Luft
»Die Bahn verkalkuliert sich«, meint Pro-Bahn-Sprecher Hartmut Buyken. Wer auf kurzen Strecken gelegentlich pendelt, bezahlte bis zu 60 Prozent mehr. »Diese Leute werden verprellt«, sagt Buyken. »Außerdem wird jeder bestraft, der plötzlich verreisen muss. «Die Nachteile der Bahn werden mit den Nachteilen des Flugverkehrs kombiniert».
Die Gewinner seien auf der Seite des Fernverkehrs, erklärt Buyken, «und um die paar Verlierer schert sich die Bahn nicht». Ein schwerer Fehler, meint Buyken, denn diese Kunden steigen allmählich von der Bahn auf Auto und Flugzeug um. «Wenn dieser mittelfristige Trend nach einigen Jahren bemerkt wird, ist er unumkehrbar», warnt Buyken. «Man hat nur einen Schuss frei».
Verkehrsclub lobt Familientarife
Der Verkehrsclub Deutschland findet die Kritik von «Pro Bahn» übertrieben. Ein vereinfachtes Preissystem sieht er allemal als Verbesserung. «Das bisherige System war totaler Schrott», sagt Sprecher Burkard Reinartz. «Weder die Kunden haben da durch geblickt, noch die Leute am Schalter.»
Er weist auf die Vorteile des neuen Konzeptes hin: Für Familien wird reisen billiger, denn Kinder unter 14 Jahren reisen mit den Eltern kostenlos. Außerdem sollen sich die Preise an der Streckenauslastung orientieren. «Wer zu nachfrageschwachen Zeiten fährt, fährt billiger», lobt Reinartz. «Dadurch wird man besser einen Sitzplatz bekommen».
Knackpunkt Nahverkehr
Der «Knackpunkt» ist auch für Reinartz der Nahverkehr. Ob Pendler auf kurzen Strecken tatsächlich benachteiligt werden, könne man erst sagen, wenn Bahnchef Hartmut Mehdorn am Donnerstag das neue Preissystem offiziell vorstellt, meint Reinartz. Nicht umsonst habe Mehdorn zwei Stunden Rechenbeispiele angekündigt. Für den Fall, dass sich die Sorgen von «Pro Bahn» bestätigen, hat der «Deutsche Verkehrsclub» vorgesorgt: Er hat bereits Alternativmodelle in der Schublade. (mit dpa)
04. Jul 13:22
Das neue Preissystem der Bahn soll sich am Flugzeug orientieren. Der Fahrgastverband «Pro Bahn» hält das für die «grundsätzlich falsche Richtung».
BERLIN. Wer mit dem Zug fährt, soll sich fühlen wie im Flugzeug. Schaffner heißen «Bordpersonal», Fahrgäste «Passagiere», und jüngst wurde auch die Ansage «in wenigen Minuten erreichen wir Berlin Hauptbahnhof» aerodynamisch geändert. Jetzt heißt es: «Wir befinden uns in der Anfahrt auf Berlin».
Nun will die Bahn offenbar auch ihr Preissystem dem Flugverkehr angleichen. Am Mittwoch beschließen Vorstand und Aufsichtsrat die «Vereinfachung der Bahnpreise». Nach Medienberichten kann man die Neuerungen folgendermaßen zusammenfassen: Flexibilität wird verringert, wer lange Strecken fährt und rechtzeitig vorher bucht, wird mit Billigpreisen belohnt - wie beim Fliegen.
Pro Bahn: «Trugschluss»
Konkret soll die Bahncard zwar billiger werden, dafür aber nur noch 25 Prozent Preisnachlass bringen – allerdings auch auf Sonderangebote anwendbar sein. Es wird ein Staffelrabbatt für Frühbucher eingeführt – je früher gebucht wird, desto billiger das Ticket – und Sondertarife für Mini-Gruppen bis zu fünf Personen. Die Einführung sei für Herbst 2002 geplant, heißt es.
«Wir wollen nicht weniger Kunden auf der Schiene, sondern mehr», wirbt Christoph Franz, Vorsitzender des Bereichsvorstandes Personenverkehr der Bahn. «Und das wird dieses neue Preissystem leisten. Für den Fahrgastverband »Pro Bahn« ein fataler »Trugschluss«.
Entscheidung für Straße oder Luft
»Die Bahn verkalkuliert sich«, meint Pro-Bahn-Sprecher Hartmut Buyken. Wer auf kurzen Strecken gelegentlich pendelt, bezahlte bis zu 60 Prozent mehr. »Diese Leute werden verprellt«, sagt Buyken. »Außerdem wird jeder bestraft, der plötzlich verreisen muss. «Die Nachteile der Bahn werden mit den Nachteilen des Flugverkehrs kombiniert».
Die Gewinner seien auf der Seite des Fernverkehrs, erklärt Buyken, «und um die paar Verlierer schert sich die Bahn nicht». Ein schwerer Fehler, meint Buyken, denn diese Kunden steigen allmählich von der Bahn auf Auto und Flugzeug um. «Wenn dieser mittelfristige Trend nach einigen Jahren bemerkt wird, ist er unumkehrbar», warnt Buyken. «Man hat nur einen Schuss frei».
Verkehrsclub lobt Familientarife
Der Verkehrsclub Deutschland findet die Kritik von «Pro Bahn» übertrieben. Ein vereinfachtes Preissystem sieht er allemal als Verbesserung. «Das bisherige System war totaler Schrott», sagt Sprecher Burkard Reinartz. «Weder die Kunden haben da durch geblickt, noch die Leute am Schalter.»
Er weist auf die Vorteile des neuen Konzeptes hin: Für Familien wird reisen billiger, denn Kinder unter 14 Jahren reisen mit den Eltern kostenlos. Außerdem sollen sich die Preise an der Streckenauslastung orientieren. «Wer zu nachfrageschwachen Zeiten fährt, fährt billiger», lobt Reinartz. «Dadurch wird man besser einen Sitzplatz bekommen».
Knackpunkt Nahverkehr
Der «Knackpunkt» ist auch für Reinartz der Nahverkehr. Ob Pendler auf kurzen Strecken tatsächlich benachteiligt werden, könne man erst sagen, wenn Bahnchef Hartmut Mehdorn am Donnerstag das neue Preissystem offiziell vorstellt, meint Reinartz. Nicht umsonst habe Mehdorn zwei Stunden Rechenbeispiele angekündigt. Für den Fall, dass sich die Sorgen von «Pro Bahn» bestätigen, hat der «Deutsche Verkehrsclub» vorgesorgt: Er hat bereits Alternativmodelle in der Schublade. (mit dpa)