Was kann der neue Boss?
04.11.2001 Ausgabe 44/01
Unternehmen
WKN
Ford Motor Company 502391
Mit Bill Ford ist wieder ein Mitglied des Familienclans an die Spitze des Autokonzerns gerückt. Der 44-Jährige gilt als Visionär. Die Chancen, seine Öko-Ideen umzusetzen, sind aber eher gering
von Thorsten Duin
Porträt Ein Visionär als Krisenmanager - Bill Ford, der neue Chef des Autokonzerns
Wenn die Familie ruft
Wer nicht Ford heißt, hat's schwer
bei Ford. Nach zwei Jahrzehnten rückt mit Bill Ford wieder ein Mitglied der Familie an die Spitze des zweitgrößten Automobil-Konzerns der Welt
Wenn ein Ford sagt, was du tun sollst, dann diskutier' nicht, sondern mach's einfach." Diesen Ratschlag seines Vorgängers, der amerikanischen Manager-Ikone Lee Iacocca, hätte der einstige Ford-Präsident Donald Peterson besser beherzigen sollen. Der Familienclan zitierte ihn eines Tages kurzerhand auf die Straße und zeigte ihm, wessen Name auf dem Dach der Firmenzentrale in Detroit prangt. Wenig später war Peterson Geschichte. Das war Ende der 80er-Jahre.
Jetzt fährt Konzernoberhaupt William "Bill" Clay Ford Jr. mit dieser Familientradition fort. Vergangene Woche setzte er den amtierenden Chief Executive Officer (CEO) Jacques Nasser vor die Tür und übernahm selbst dessen Posten. Der Spitzenmanager habe das Vertrauen der Familie verloren, berichten Insider. Der 44-jährige Bill Ford, Urenkel des Firmengründers Henry und Chef des Verwaltungsrats, hüllt sich vorerst in Schweigen: "Ich möchte darüber wirklich nicht sprechen. Alles, was ich sage, wird am Ende immer zu einer Riesengeschichte gemacht."
Der Rauswurf kam nicht unerwartet. Der zweitgrößte Automobilhersteller der Welt - 5888221 verkaufte Autos im vergangenen Jahr, 345991 Beschäftigte - kämpft mit Qualitätsmängeln, Umsatzeinbußen und einem ramponierten Image. Im dritten Quartal wies der Konzern einen Verlust von 500 Millionen Dollar aus und schrieb erstmals seit 1992 in zwei aufeinander folgenden Quartalen rote Zahlen. Der Ford-Kurs dümpelt vor sich hin. Anfang Oktober hatte Nasser bekannt gegeben, die Dividende zu halbieren. Natürlich sorgte das beim Familienclan für Unruhe. Schließlich hält er noch immer noch 40 Prozent der Anteilscheine.
Hinzu kam der Skandal um den Geländewagen Explorer. Die Firestone-Reifen des Fahrzeugs führten zu zahlreichen Unfällen mit über 150 Toten. Im August 2001 startete Ford die größte Rückrufaktion seiner Geschichte, die Hunderte Millionen kostete. Bill Ford machte Firestone für das Debakel verantwortlich - was ihm nicht leicht fiel, denn sein Urgroßvater war Harvey Firestone, der Gründer der Reifenfabrik. "Es tut weh, einen Familiennamen und ein Familienerbe so befleckt zu sehen", gestand Bill Ford ein.
Dabei hatte er sich eigentlich nur auf Druck des Clans im Konzern engagiert. So hatte ihm die Familie vorgeworfen, er kümmere sich statt um die Firma mehr um das familieneigene Football-Team Detroit Lions oder um seine Hobbys: Fliegen-Fischen, alte Autos, Hockey, Tennis oder Tae Kwon Do. In Letzterem hat er es sogar bis zum Schwarzen Gürtel gebracht. Derweil aber führte Nasser den Konzern quasi in Eigenregie.
Im Sommer 2001 meldete sich Bill Ford erstmals deutlich zu Wort: "Ich bin sehr unzufrieden, immer mehr von Entscheidungen ausgeschlossen zu sein", klagte er. Mit einer Umstrukturierung im Management sicherte er sich zunächst mehr Einfluss auf das Tagesgeschäft. Der Rauswurf Nassers war dann nur noch eine Frage der Zeit. Nach zwei Jahrzehnten hat jetzt wieder ein Ford allein das Sagen über das Traditionsunternnehmen.
In der Autobranche rechnete man kaum damit, dass der Ford-Erbe jemals das Familienimperium lenken würde. Während seines Studiums an der Elite-Universität Princeton hatte er nämlich noch verkündet, an der Wall Street arbeiten zu wollen. Mit 22 Jahren trat er aber doch in die Firma ein. Anfangs soll er mehr mit Gewerkschaftern als mit dem Vorstand gesehen worden sein. Im Konzern durchlief er 17 Stationen, vom Marketing bis zur Nutzfahrzeugsparte, bevor er 1999 Chef des Verwaltungsrates wurde - mit wenig Einfluss.
In seinem neuen Amt an der Konzernspitze sorgte der überzeugte Umweltaktivist bei Autobossen schnell für Stirnrunzeln. Auf einer Greenpeace-Konferenz erklärte er, dass der umweltschädliche Verbrennungsmotor nach 100 Jahren ausgedient habe. Zugleich gestand er ein, dass die spritfressenden Geländewagen des Unternehmens eine Mitschuld am Treibhaus-Effekt hätten. Erstaunliche Worte, denn immerhin bringen Geländewagen und Kleinlaster 90 Prozent des Profits. Aber Bill Ford ist beileibe kein Traumtänzer. Der Vater von vier Kindern pflegt das Image des Visionärs: Er will sparsame Autos bauen und setzt auf alternative Energien.
Vorerst bleibt ihm wenig Zeit für Visionen. Ford Jr. muss den Konzern wieder in Fahrt bringen. Kein leichter Job. "Wer immer Chef werden mag, muss bereit sein, die Firma zu heiraten", erklärte einst Bills Onkel, Henry Ford II, der das Unternehmen 35 Jahre lang mit eiserner Hand führte.
Neffe Bill ist sich der Familientradition bewusst: "Ich liebe Ford", erklärt er. "Ich werde bis zu dem Tag Teil der Firma sein, an dem sie mich mit den Füßen voran hier raustragen." So spricht ein Ford-Chef. Und schließlich steht sein Name auf dem Dach der Konzernzentrale. «
04.11.2001 Ausgabe 44/01
Unternehmen
WKN
Ford Motor Company 502391
Mit Bill Ford ist wieder ein Mitglied des Familienclans an die Spitze des Autokonzerns gerückt. Der 44-Jährige gilt als Visionär. Die Chancen, seine Öko-Ideen umzusetzen, sind aber eher gering
von Thorsten Duin
Porträt Ein Visionär als Krisenmanager - Bill Ford, der neue Chef des Autokonzerns
Wenn die Familie ruft
Wer nicht Ford heißt, hat's schwer
bei Ford. Nach zwei Jahrzehnten rückt mit Bill Ford wieder ein Mitglied der Familie an die Spitze des zweitgrößten Automobil-Konzerns der Welt
Wenn ein Ford sagt, was du tun sollst, dann diskutier' nicht, sondern mach's einfach." Diesen Ratschlag seines Vorgängers, der amerikanischen Manager-Ikone Lee Iacocca, hätte der einstige Ford-Präsident Donald Peterson besser beherzigen sollen. Der Familienclan zitierte ihn eines Tages kurzerhand auf die Straße und zeigte ihm, wessen Name auf dem Dach der Firmenzentrale in Detroit prangt. Wenig später war Peterson Geschichte. Das war Ende der 80er-Jahre.
Jetzt fährt Konzernoberhaupt William "Bill" Clay Ford Jr. mit dieser Familientradition fort. Vergangene Woche setzte er den amtierenden Chief Executive Officer (CEO) Jacques Nasser vor die Tür und übernahm selbst dessen Posten. Der Spitzenmanager habe das Vertrauen der Familie verloren, berichten Insider. Der 44-jährige Bill Ford, Urenkel des Firmengründers Henry und Chef des Verwaltungsrats, hüllt sich vorerst in Schweigen: "Ich möchte darüber wirklich nicht sprechen. Alles, was ich sage, wird am Ende immer zu einer Riesengeschichte gemacht."
Der Rauswurf kam nicht unerwartet. Der zweitgrößte Automobilhersteller der Welt - 5888221 verkaufte Autos im vergangenen Jahr, 345991 Beschäftigte - kämpft mit Qualitätsmängeln, Umsatzeinbußen und einem ramponierten Image. Im dritten Quartal wies der Konzern einen Verlust von 500 Millionen Dollar aus und schrieb erstmals seit 1992 in zwei aufeinander folgenden Quartalen rote Zahlen. Der Ford-Kurs dümpelt vor sich hin. Anfang Oktober hatte Nasser bekannt gegeben, die Dividende zu halbieren. Natürlich sorgte das beim Familienclan für Unruhe. Schließlich hält er noch immer noch 40 Prozent der Anteilscheine.
Hinzu kam der Skandal um den Geländewagen Explorer. Die Firestone-Reifen des Fahrzeugs führten zu zahlreichen Unfällen mit über 150 Toten. Im August 2001 startete Ford die größte Rückrufaktion seiner Geschichte, die Hunderte Millionen kostete. Bill Ford machte Firestone für das Debakel verantwortlich - was ihm nicht leicht fiel, denn sein Urgroßvater war Harvey Firestone, der Gründer der Reifenfabrik. "Es tut weh, einen Familiennamen und ein Familienerbe so befleckt zu sehen", gestand Bill Ford ein.
Dabei hatte er sich eigentlich nur auf Druck des Clans im Konzern engagiert. So hatte ihm die Familie vorgeworfen, er kümmere sich statt um die Firma mehr um das familieneigene Football-Team Detroit Lions oder um seine Hobbys: Fliegen-Fischen, alte Autos, Hockey, Tennis oder Tae Kwon Do. In Letzterem hat er es sogar bis zum Schwarzen Gürtel gebracht. Derweil aber führte Nasser den Konzern quasi in Eigenregie.
Im Sommer 2001 meldete sich Bill Ford erstmals deutlich zu Wort: "Ich bin sehr unzufrieden, immer mehr von Entscheidungen ausgeschlossen zu sein", klagte er. Mit einer Umstrukturierung im Management sicherte er sich zunächst mehr Einfluss auf das Tagesgeschäft. Der Rauswurf Nassers war dann nur noch eine Frage der Zeit. Nach zwei Jahrzehnten hat jetzt wieder ein Ford allein das Sagen über das Traditionsunternnehmen.
In der Autobranche rechnete man kaum damit, dass der Ford-Erbe jemals das Familienimperium lenken würde. Während seines Studiums an der Elite-Universität Princeton hatte er nämlich noch verkündet, an der Wall Street arbeiten zu wollen. Mit 22 Jahren trat er aber doch in die Firma ein. Anfangs soll er mehr mit Gewerkschaftern als mit dem Vorstand gesehen worden sein. Im Konzern durchlief er 17 Stationen, vom Marketing bis zur Nutzfahrzeugsparte, bevor er 1999 Chef des Verwaltungsrates wurde - mit wenig Einfluss.
In seinem neuen Amt an der Konzernspitze sorgte der überzeugte Umweltaktivist bei Autobossen schnell für Stirnrunzeln. Auf einer Greenpeace-Konferenz erklärte er, dass der umweltschädliche Verbrennungsmotor nach 100 Jahren ausgedient habe. Zugleich gestand er ein, dass die spritfressenden Geländewagen des Unternehmens eine Mitschuld am Treibhaus-Effekt hätten. Erstaunliche Worte, denn immerhin bringen Geländewagen und Kleinlaster 90 Prozent des Profits. Aber Bill Ford ist beileibe kein Traumtänzer. Der Vater von vier Kindern pflegt das Image des Visionärs: Er will sparsame Autos bauen und setzt auf alternative Energien.
Vorerst bleibt ihm wenig Zeit für Visionen. Ford Jr. muss den Konzern wieder in Fahrt bringen. Kein leichter Job. "Wer immer Chef werden mag, muss bereit sein, die Firma zu heiraten", erklärte einst Bills Onkel, Henry Ford II, der das Unternehmen 35 Jahre lang mit eiserner Hand führte.
Neffe Bill ist sich der Familientradition bewusst: "Ich liebe Ford", erklärt er. "Ich werde bis zu dem Tag Teil der Firma sein, an dem sie mich mit den Füßen voran hier raustragen." So spricht ein Ford-Chef. Und schließlich steht sein Name auf dem Dach der Konzernzentrale. «