Neue Bilanzierungsregeln = Wertverluste

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Neue Bilanzierungsregeln = Wertverluste

 
18.06.02 08:14
ftd.de, Di, 18.6.2002, 2:00  
Geldanlage: Angst vor hohen Abschreibungen belastet T-Aktie
Von Markus Kempf

Neue Bilanzierungsregeln nach US-Vorbild zwingen Unternehmen dazu, Wertverluste aus Firmenkäufen sofort abzuschreiben. Jetzt drohen Ergebniskorrekturen in Milliardenhöhe. Die FTD hat den Dax 30 einem Check unterzogen.

Vor zwei Jahren herrschte bei der Deutschen Telekom noch ein prima Klima. Der Aktienkurs lag bei 70 Euro, und es wurde in die Zukunft investiert. So blätterte der Bonner Konzern noch im Mai 2001 für die US-Firmen Voicestream und Powertel 39 Mrd. Euro hin in der Absicht, den US-Mobilfunkmarkt aufzurollen. 24 Mrd. Euro oder 62 Prozent davon waren Goodwill (auf Deutsch: Firmenwert), also der Teil des Kaufpreises, der über das Eigenkapital hinausgeht.

Mittlerweile ist zwar Ernüchterung eingekehrt in die Telekombranche. Dies zeigt sich an der Wertminderung der teuer erkauften Firmen (vor allem infolge verringerter Gewinnerwartungen). So schätzen Analysten, dass Voicestream und Powertel zusammen nur noch fünf bis zehn Mrd. Euro wert sind. Doch hat sich der Wertverlust der Töchter im Ergebnis der Telekom noch nicht niedergeschlagen: 2001 wurden für Voicestream und Powertel nur 900 Mio. Euro auf die Firmenwerte abgeschrieben.


Möglich ist dies auf Grund einer großzügigen Gestaltungsfreiheit, die eine planmäßige (gleichmäßige) Abschreibung der Firmenwerte über fünf bis 40 Jahre gestattet. Doch diese Gestaltungsfreiheit wird jetzt eingeschränkt, viele Dax-Firmen stehen vor einer kompletten Neubewertung.


Entscheidend ist hier die Einführung des "Impairment-Tests" nach US-Bilanzierungsstandard US-GAAP (Generally Accepted Accounting Principles), der künftig jedes Jahr durchgeführt wird und die Werthaltigkeit übernommener Firmen ermitteln soll. Impairment heißt auf Deutsch in etwa Neubewertung, genauer: implizite Wertminderung. 11 der 30 Dax-Firmen bilanzieren nach US-GAAP. Stellen die Wirtschaftsprüfer also fest, dass Firmenwerte nicht mehr werthaltig sind, so ist erstmalig für das Geschäftsjahr 2002 die Differenz zwischen dem alten und dem neuen Goodwill-Wert komplett abzuschreiben. Eine Verlagerung der Abschreibung in die Zukunft ist nicht mehr möglich.



Telekom: 24 Mrd. Euro futsch?


Für die Telekom etwa, die nach HGB und US-GAAP bilanziert, verheißt dies nichts Gutes. Nehmen wir an, Voicestream und Powertel sind tatsächlich nur noch zehn Mrd. Euro wert; und weiter, dass von diesem Wertverlust in erster Linie der Goodwill betroffen ist (was wahrscheinlich ist, da sich der Goodwill als Restgröße ergibt, sofern der Unternehmenswert über dem Wert aller einzeln bestimmbaren Vermögensgegenstände abzüglich Verbindlichkeiten liegt); so ergibt sich ein Goodwill nach Impairment-Test von 0 Euro. Macht 24 Mrd. Euro (Goodwill bei Kauf) minus 0 Euro (Goodwill nach Impairment-Test) gleich 24 Mrd. Euro Wertverlust. Dieser Wertverlust von 24 Mrd. Euro wäre dann in einem Jahr abzuschreiben, das Ergebnis würde dramatisch gedrückt.


Dieses Verfahren hat das Bundesjustizministerium nun als kompatibel erklärt mit den EU-Bilanzierungsrichtlinien und damit als verbindlich für deutsche Firmen. Und auch bei den Internationalen Accounting Standards (IAS) - danach bilanzieren 16 Dax-Firmen - ist bei einer nachhaltigen Wertminderung eigentlich ein außerplanmäßiger Wertabschlag angezeigt, was nicht zuletzt auch dem Grundsatz der deutschen HGB-Bilanzierung entspricht: dem Vorsichtsprinzip.


Zwar strebt man hier zu Lande entsprechend den bisherigen EU-Regeln noch das Idealbild einer planmäßigen Abschreibung über mehrere Perioden an. Doch dürfte sich dieses Prinzip durch die Angleichung der internationalen Bilanzierungsstandards nicht halten können. Vielmehr ist zu erwarten, dass spätestens ab 2005 - wenn, wie die EU jüngst beschloss, mindestens alle börsennotierten europäischen Unternehmen nach IAS bilanzieren müssen - Goodwill-Wertverluste auch in Europa nicht mehr planmäßig über viele Jahre abgeschrieben werden können.


Da erscheint es grotesk, dass die Telekom in ihrem Geschäftsbericht auf den Wegfall der Pflicht zur planmäßigen Goodwill-Abschreibung hinweist und so für den HGB-Abschluss einen neutralen und für den US-GAAP-Abschluss sogar einen positiven Effekt ermittelt. Dabei werden die zu erwartenden außerplanmäßigen Wertverluste - in unserem Beispiel rund 24 Mrd. Euro - nicht nur verschwiegen. Es hätte auch ein einheitlicher Bewertungsmaßstab dargestellt werden müssen.



Goodwill-Beträge kein Pappenstiel


Ebenfalls prekär ist die Situation bei Siemens. Die Münchener, die auch nach US-GAAP bilanzieren, weisen in der Bilanz einen Goodwill von sieben Mrd. Euro aus - gemessen am Eigenkapital von 24 Mrd. Euro und besonders in Relation zum Ergebnis von rund zwei Mrd. Euro kein Pappenstiel. Eine Wertminderung der erworbenen Firmenwerte um nur 15 Prozent würde das Jahresergebnis glatt halbieren, ein 30-prozentiger Wertverlust das Jahresergebnis eliminieren.


Auch in München wird wie bei der Telekom ein positiver Ergebniseffekt infolge des Wegfalls der planmäßigen Goodwill-Abschreibungen errechnet. Ein Blick in den Konzernabschluss verrät aber: Von den 1,5 Mrd. Euro an Goodwill-Abschreibungen des vergangenen Geschäftsjahres waren nur 562 Mio. Euro planmäßig. Es dürfte also bei einem außerplanmäßigen Anteil von rund eine Mrd. Euro nach den verschärften Impairment-Regeln für das laufende Jahr ein erheblicher Abschreibungsbedarf bestehen. Das Vertrauen in die Aktie wird dadurch nicht gerade gestärkt.



Wertkorrektur bei ThyssenKrupp


ThyssenKrupp ist da präziser und benennt bei rund 200 im Geschäftsbericht genannten Tochterfirmen die Problembereiche: Zerspanungstechnik, Materialhandel und Baudienstleistungen. Für diese Geschäftsfelder wird eine Wertkorrektur von maximal 500 Mio. Euro erwartet. Dies liegt nicht nur weit über den 200 Mio. Euro, die bisher jährlich an Firmenwerten abgeschrieben wurden. Auch würde der Stahlkonzern, sollte die maximal für möglich gehaltene Wertkorrektur von 500 Mio. Euro zu Buche schlagen, auf Basis seiner Ergebnisprognose vor Goodwill-Abschreibung von 400 Mio. Euro in die Verlustzone rutschen.


Die neuen Impairment-Regeln haben es also in sich. Daher hat die FTD alle 30 Dax-Firmen einem Impairment-Check unterzogen (siehe Tabelle). Für die Bestimmung des von uns erwarteten Impairment-Effekts auf das Ergebnis und damit auf die Aktienkurse waren maßgeblich:


- Das Verhältnis Firmenwerte zu Eigenkapital, das die Gefährdung des Eigenkapitals durch zu hohe Firmenwerte anzeigt.


- Das Verhältnis Firmenwerte zu Jahresergebnis, das den möglichen Effekt einer außerplanmäßigen Goodwill-Abschreibung auf das Jahresergebnis simuliert.


- Das Titelrisiko, also die Kursschwankungen der Aktie im Vergleich zum Dax während der vergangenen drei Jahre.


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