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Die Chronik einer Kapitalvernichtung
Fünfeinhalb Jahre nach dem Start am 10. März 1987 ist der Neue Markt endgültig gescheitert. Die Deutsche Börse beschließt die Abschaffung des einst hochgelobte Wachstums-Segments. Eine Übersicht.
10. März 1997: Der Neue Markt startet mit dem Börsenneuling Mobilcom und dem Ingenieurdienstleister Bertrandt, der vom Geregelten Markt in das Segment wechselt.
25. September 1997: Als erste ausländische Gesellschaft wird das niederländische Biotech-Unternehmen Qiagen am Neuen Markt notiert. Zum Jahresende sind 17 Firmen gelistet. Seit März hat der Neue-Markt-Index um 97,4 Prozent zugelegt.
1998: Zum Jahresende sind 64 Werte mit einem Marktwert von rund 26 Milliarden Euro notiert. Der Neue-Markt-Index legte in Jahresfrist um 174,4 Prozent auf 2.738,64 Punkte zu.
6. April 1999: Die Lösch Umweltschutz AG und die Sero Entsorgung AG ziehen als erste Unternehmen ihre Aktien aus dem Neuen Markt wieder zurück und wechseln in den Geregelten Markt.
1. Juli 1999: Die Deutsche Börse führt für die größten 50 Unternehmen am Neuen Markt den Blue-Chip-Index Nemax 50 ein. Basis ist der 30. Dezember 1997 mit einem Wert von 1000 Punkten. Zwei Jahre später wird dieser Anfangswert im Handelsverlauf des 30. August 2001 erstmals wieder unterschritten.
Eine weitere Neuerung: Der bisherige Neue-Markt-Index wird als Nemax All Share bezeichnet. Im All Share sind zu diesem Zeitpunkt 124 Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von 56 Milliarden Euro vertreten.
1999: Die Zahl der Neuemissionen steigt erstmals um über 100 auf 132 Gesellschaften. Am Jahresende sind 201 Titel mit einer Marktkapitalisierung von 111,276 Milliarden Euro am Neuen Markt notiert. Der All-Share legt in diesem Jahr 66,2 Prozent auf 4.552 Zähler zu.
10. März 2000: Der Nemax All Share schließt am dritten Geburtstag des Neuen Marktes auf einem neuen Allzeithoch von 8546,19 Punkten.
Der Nemax 50 erreicht auf Schlusskurs-Basis sein bisheriges Allzeithoch bei 9665,81 Zählern. Die Marktkapitalisierung der 229 Unternehmen im Nemax All Share beläuft sich auf 234,25 Milliarden Euro.
März 2000: Nur einen Tag nach seinem Geburtstag beginnt die Talfahrt des Neuen Marktes - eng am Verlauf der US-Technologiebörse Nasdaq orientiert - mit zwischenzeitlichen Kurserholungen. Immer mehr Unternehmen verfehlen ihre Prognosen aus der Zeit vor dem Börsengang.
17. April 2000: Die Emission von T-Online ist mit einem Volumen von 2,489 Milliarden Euro das größte IPO am Neuen Markt.
Juli 2000: In Börsenbriefen und Anlegermagazinen kursieren die ersten "Todeslisten" mit Unternehmen, die von Zahlungsunfähigkeit bedroht sein sollen. Zahlreiche Vorstände von Nemax-Firmen regieren mit heftigen Dementis und bezeichnen alle Negativ-Prognosen als "völlig überzogen". Später zeigt sich, dass viele dieser Listen noch viel zu optimistisch waren.
21. Juli 2000: Mit dem Biotech-Unternehmen Genescan Europe wird das 300. Unternehmen am Neuen Markt gelistet. Seit Jahresbeginn verzeichnet der Markt für Wachstumswerte 99 Börsengänge.
15. September 2000: Mit dem Telekom-Unternehmen Gigabell beantragt die erste Nemax-Firma ein Insolvenzverfahren.
2000: Die Zahl der Neuemissionen liegt im Gesamtjahr bei 132. Ende des Jahres sind 339 Firmen mit einem Börsenwert von 120,992 Milliarden Euro am Neuen Markt gelistet.
3. Januar 2001: Die Aktienkurse am Neuen Markt sinken weiter kräftig. Der Nemax50 fällt auf ein neues Rekordtief von 2.175 Punkten.
23. Februar 2001: Mit Gigabell wird zum ersten Mal eine Firma wegen Verstoßes gegen das Regelwerk ausgeschlossen.
1. März 2001: Das neue Regelwerk, wonach Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder Käufe und Verkäufe von Aktien des eigenen Unternehmens anzeigen müssen, tritt in Kraft.
3. April 2001: Ausverkauf am Neuen Markt: Der Nemax50 stürzt im freien Fall unter die Marke von 1.300 Punkten.
6. Juli 2001: Die insolvente Sunburst Merchandising eröffnet einen Reigen von Unternehmen, die 2001 den Wechsel von dem Neuen in den Geregelten Markt beantragten.
19. Juli 2001: Die Deutsche Börse kündigt erstmals offiziell an, künftig so genannte Penny-Stocks sowie die Aktien insolventer Firmen vom Kurszettel des Neuen Marktes streichen zu wollen.
20. Juli 2001: Die Börse nennt Details zu den Delisting-Regeln. Nach dem ab 1. Oktober geltenden Regelwerk sind Firmen vom Ausschluss bedroht, deren Aktienkurs dauerhaft unter einem Euro und deren Marktkapitalisierung dauerhaft unter 20 Millionen Euro liegt.
30. August 2001: Der Nemax 50, der Index der wichtigsten Werte des Neuen Markts, fällt im Handelsverlauf erstmals unter die Marke von 1000 Punkten.
11. September 2001: Nach den Anschlägen in den USA brechen die Kurse weltweit ein. Der Nemax 50 fällt an dem Tag auf 837 Punkte, der All-Share auf 867 Stellen. Bis zum 21. September setzen die Indizes ihre Talfahrt fort. Der Nemax 50 markiert mit 662 Punkten ein Allzeittief.
1. Oktober 2001: Die Delisting-Regeln der Deutschen Börse AG für Penny-Stocks und insolvente Firmen treten in Kraft. In den folgenden Monaten erwirken über 20 Firmen eine Einstweilige Verfügung gegen ihren Ausschluss.
2. November 2001: Kabel New Media ist die erste insolvente Firma, die auf Grund der Delisting-Regeln ausgeschlossen wird.
20. November 2001: Mit dem IT-Sicherheitsspezialisten Biodata Information Technology beantragt erstmals ein Wert des Nemax 50 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.
Ende des Jahres sind 327 Firmen mit einer Marktkapitalisierung von 49,93 Milliarden am Neuen Markt gelistet. Lediglich elf Unternehmen wagen in diesem Jahr den Gang an den Neuen Markt, als letztes am 24. Juli der Telematikanbieter Init.
22. November 2001: Die Deutsche Börse teilt mit, dass sie ihr Finanzportal Neuermarkt.com zum Jahresende vom Netz nehmen will. Die Trägergesellschaft, eine 100-prozentige Tochter der Deutschen Börse, war erst im Juni 2000 gegründet worden.
Das Unternehmen war dadurch bekannt geworden, dass das Bankhaus Metzler ein Kursziel von 0 Euro für die Aktie ausgegeben hatte.
19. Dezember 2001: Premiere am Neuen Markt: Erstmals wird jetzt auch gegen einen Analysten wegen Insider-Verdachts ermittelt. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob der Bank-Mitarbeiter in Zusammenarbeit mit dem Vorstandschef der Aktiengesellschaft an Kursmanipulationen beim Unternehmen CPU beteiligt war.
4. Februar 2002: Der an der Nasdaq gelistete Erotikkonzern Private Media sagt sein geplantes Zweitlisting am Neuen Markt wenige Stunden vor der Erstnotiz ab.
20. Februar 2002: Die Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft KPMG kündigt nach wochenlangen Gerüchten über nicht existierende Geschäftsbeziehungen des im Nemax50 gelisteten Telematikanbieter Comroad ihr Mandat. Anfang April wird Firmengründer Bodo Schnabel verhaftet. In einer Sonderprüfung Mitte April kann nur ein Bruchteil der in der Comroad-Bilanz ausgewiesenen Umsatzerlöse nachgewiesen werden. Mitte August wird gegen Schnabel Anklage erhoben. Das Verfahren soll im Oktober beginnen.
27. Februar 2002: Die Börse teilt den Ausschluss von Biodata und Lobster vom Neuen Markt wegen Insolvenz zum 27. März mit.
7. März 2002: Der Hamburger Windenergiespezialist Repower Systems AG kündigt seinen Gang an den Neuen Markt für den 26. März an. Dieses Listing wäre die erste Neuemission im Jahr 2002.
10. März 2002: Der 5. Geburtstag des Neuen Marktes fällt auf einen Sonntag, aber die Stimmung ist verhalten. Der Nemax All Share beendete die Woche mit 1053 Punkte, der Auswahlindex Nemax 50 mit 1078 Punkten. Die Feier der Deutschen Börse AG findet in einem sehr kleinen Rahmen und mit handverlesenen Gästen statt.
Börsen-Chef Werner G. Seifert geht in seiner Festrede zwar auf die hohen Verluste des Segments ein, verweist jedoch gleichzeitig auf die problematischen Anfangsjahre der amerikanischen Technologie-Börse Nasdaq und kommt zu dem Fazit: "Die Schwankungen und hohen Verluste an den Neuen Märkten, die derzeit der 'Internet-Spekulationsblase' angelastet werden, sind also keineswegs ungewöhnlich oder gar ohne Beispiel. Investoren und ihre Berater, die sich mit den Charakteristika der Nasdaq vertraut gemacht hatten, dürften vom Auf und Ab des Neuen Marktes nicht überrascht sein."
Am Ende allerdings kommt auch Seifert nicht umhin, einige Worte der Kritik zu äußern. "Die neue moralische Dimension", so heißt es im letzten Teil seiner Rede, "liegt darin, daß Investoren und Arbeitnehmer dazu verführt wurden, Risiken zu akzeptieren, die sie nicht verstanden haben und die sie teilweise nicht wissentlich akzeptieren mußten. Gierige Manager und Geldgeber haben Risiko auf andere Leute abgewälzt, ohne deren informierte Zustimmung einzuholen, und sie haben damit deren bekannt erscheinende Risikoposition unterminiert."
Seifert weiter: "Venture Capitalists haben 'high risk-start-ups' an die Märkte gebracht, ohne die Investoren über die damit verbundenen Risiken zu informieren. Dadurch ist ein moralisches Vakuum entstanden, das keine klare Linie zieht zwischen akzeptablem und unakzeptablem Risiko."
26. März 2002: Der Hamburger Windenergiespezialist Repower Systems geht an den Neuen Markt. Es war die erste Neuemission im Jahr 2002 und auch die vorerst letzte.
19. April 2002: Die Deutsche Börse verbannt Comroad nach einem Bilanzskandal mit sofortiger Wirkung vom Neuen Markt. Comroad ist der bisher größte Bilanzskandal am Neuen Markt. Das Unternehmen hatte nahezu seine gesamten Umsätze fingiert und verstärkt damit die Vertrauenskrise der Anleger.
23. April 2002: Die Deutsche Börse setzt nach einer Niederlage vor Gericht die Anfang Oktober 2001 in Kraft getretenen Delisting-Regeln wieder aus.
13. September 2002: Nach dem Rückzug des Großaktionärs France Telecom kommt mit Mobilcom einer der beiden Segmentgründer in finanzielle Schwierigkeiten. Ein Insolvenzantrag wird nach Intervention der Bundesregierung vorerst abgewendet werden. Der Aktienkurs des einstigen Marktschwergewichts gerät zum Spielball der Spekulanten.
24. September 2002: Der Nemax 50 fällt mit 325,45 Punkten auf ein neues Allzeittief. Der All Share markiert mit 375,13 Zählern ebenfalls seinen bisher tiefsten Stand.
26. September 2002: Die Deutsche Börse kündigte das Ende des Neuen Marktes bis Dezember 2003 an. Derzeit notieren 264 Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von 29,36 Milliarden Euro am Neuen Markt.
"Die Marke ist verbrannt"
Der skandalbehaftete Neue Markt wird aufgelöst, doch Vertreter von Kleinaktionären bemängeln schlechtes Timing. Die betroffenen Firmen begrüßen mehrheitlich das Ende des Imagekillers.
Frankfurt - Es war genau neun Minuten vor Zwölf, als am Donnerstagmittag die Todesanzeige über die Nachrichtenagenturen tickerte: "Deutsche Börse will Neuen Markt und Smax schließen". Die Deutsche Börse plane einen radikalen Umbau ihrer Aktienmarktsegmente. Nachdem die Nachricht auf dem Börsenparkett angekommen war, stieg der Nemax50 unaufhörlich bis 18 Uhr um 2,42 Prozent auf 363,68 Punkte.
Der Neue Markt und der Nebenwerte-Index Smax werden bis Ende 2003 aufgelöst. An ihre Stelle soll eine Zwei-Klassen-Börse treten: Das Segment "Prime Standard" fordert von den notierten Unternehmen hohe Transparenzanforderungen. Das Einstiegssegment soll den Namen "Domestic Standard" tragen.
Experten, Händler und Anleger scheinen völlig überrascht. Schließlich ist es fünf Jahre her, dass die Deutsche Börse den Neuen Markt als Handelssegment für hoffnungsvolle Wachstumsunternehmen gründete - ganz nach dem US-Vorbild Nasdaq. Im Frühjahr 2000 erreichte der Index seinen Höchststand im Frühjahr 2000.
Doch in den letzten beiden Jahren machte der so hoffnungsvoll gestartete Index nicht mehr durch glänzendes Wachstum, sondern vor allem durch Skandale um verfehlte Prognosen, Bilanzfälschungen und Firmenpleiten von sich reden. Rund 95 Prozent verlor der Index seit seinem Höchststand im Frühjahr 2000 an Wert. Da dürften sich viele Kleinanleger über den Tod des Nemax freuen, haben sie doch viel Geld mit nicht eingelösten Versprechungen von Firmen wie EM.TV oder Comroad verloren.
"Das Kind ist hirntot"
Gar nicht begeistert zeigt sich jedoch der Chef der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK), Klaus Schneider. Die Aktion käme schlicht zu spät. "Das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen und hirntot", sagte Schneider. "Der Neue Markt war ein Zeichen für junge wachsende Unternehmen", sagte Schneider. Die geplante Unterteilung des Aktienmarktes in ein Premiumsegment, das hohe Voraussetzungen an die Transparenz und die Berichterstattung der Unternehmen setzt, und in ein Einstiegssegment hält der Aktionärsschützer für Augenwischerei. "Es sieht so aus, als ob da nur Kosmetik betrieben würde und ein neuer Name benutzt wird, sich sonst aber nichts ändert", sagte Schneider. Ein wesentlicher Fortschritt wäre es gewesen, wenn sich die Premiumsegment-Kandidaten hohen Finanzmarktregeln hätten verpflichten müssen. Dies sei aber ausgeblieben.
Schlechtes Timing, findet auch die Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW). "Das Schlimme ist, dass die Deutsche Börse damit noch mehr Unruhe in die Märkte bringt", sagt Marc Tüngler, Rechtsanwalt bei der DSW. Vom Zeitpunkt abgesehen sei der Neue Markt als Marke tatsächlich verbrannt, sagt DSW-Geschäftsführer Carsten Heise. Für die Aktionäre sei nun die Frage, was das neue Konzept der Deutschen Börse im Einzelnen bedeute. So müssten Lösungen für Indexfonds gefunden werden, die den Nemax als Orientierungsfonds verwendet haben. Die Deutsche Börse habe offenbar bewusst einen langen Übergangszeitraum bis Ende 2003 gewählt.
Positiv sieht Aktionärsschützer Heise die Pläne der Deutschen Börse, künftig den Aktienmarkt in einen "Domestic Standard" sowie in einen "Prime Standard" mit höheren, international üblichen Anforderungen an Transparenz zu teilen. Dies erleichtere die Vereinheitlichung der Märkte in Europa.
Auch der Erlanger Wirtschaftsprofessor und Börsenexperte Wolfgang Gerke begrüßt die Schließung. Die sei zwar "keine große Überraschung", aber ein "relativ konsequenter und notwendiger Schritt", sagte Gerke. "Der Neue Markt wurde von Banken und Analysten zu sehr als Segment mit niedrigen Risiken verkauft", sagte Gehrke. Der Imageverlust sei schließlich so groß gewesen, "dass man sich etwas Neues einfallen lassen musste, um die Funktionalität zu erhalten."
Das schlechte Image sei eben entscheidend gewesen, sagen auch Analysten und Banker. Privatanleger hätten sich nach den Skandalgeschichten um EM.TV und Comroad immer weniger mit dem Neuen Markt identifiziert, sagt Marius Hoerner, Analyst beim Bankhaus Lang & Schwarz. Sein Kollege Wolfgang Kuhl von der SEB Bank stimmte ihm zu. "Die Auflösung ist das Beste, was dem deutschen Kapitalmarkt passieren kann." Und der Bundesverband Deutscher Investment-Gesellschaften begrüßt es, dass die Deutsche Börse "wieder Vertrauen in die Märkte erzielen möchte". Das Ende des Nemax sei gut, finden die Banken, dennoch wird auch Kritik laut. "Die Börse hat es nicht geschafft, das Vertrauen in das Segment wieder herzustellen", sagte Analyst Peter Thilo Hasler von der HypoVereinsbank
Auch die Nemax-Unternehmen sind überrascht
Viele der betroffenen 264 Unternehmen aus dem Nemax zeigten sich von der angekündigten Auflösung völlig überrascht. Man habe ja schon länger geahnt und gehofft, dass die Deutsche Börse endlich handeln würde, sagten Firmensprecher. Einige Unternehmen wie den österreichischen Notebook-Herstellers Gericom reagierten auf die Nachricht mit Unverständnis. Bei wiederholten Treffen zwischen Nemax50-Vorständen und der Börse sei ein solch drastischer Schritt nie besprochen worden, sagte Gericom-Sprecher Gerhard Leimer. Das jüngste Treffen habe erst vor zwei bis drei Wochen statt gefunden.
Trotz der Überraschung reagieren die Unternehmen in der Mehrheit positiv auf die Nachricht vom angekündigten Tod des ungeliebten Nemax. Das Ansehen des Neuen Marktes sei deutlich beschädigt worden, sagte der Finanzchef des DVD-Anlagenherstellers Singulus, Christian Holtmann. Das neugeplante "Premium"-Segment sei eine gute Sache. Je klarer die Auswahl der Unternehmen stattfinde, desto besser sei dies für den Anleger, der sich dann auf einzelne Branchen fokussieren könne.
"Alles was dazu dient, das Vertrauen in den Markt wieder herzustellen, ist positiv", sagte auch der Finanzchef des CD-und DVD-Anlagenbauers Steag Hamatech, Joachim Eppinger. "Ob das Ganze nun unter dem Namen Neuer Markt oder Prime Standard weiterläuft, spielt dabei keine Rolle."
Fragen über Fragen
Das angekündigte Aus für den Neuen Markt wirft bei Anlegern viele Fragen auf. Was zum Beispiel wird dann aus Fondsanteilen oder Index-Zertifikaten? Noch wissen die Banken nicht, wie sie darauf reagieren werden.
Berlin - Die angekündigte Neuorganisation an der Deutschen Börse und das Aus für den Neuen Markt haben bei Anlegern und Finanzwelt am Donnerstag zahlreiche Fragen aufgeworfen: Was passiert eigentlich, wenn ein ganzes Aktiensegment verschwindet? Was wird zum Beispiel aus Fondsanteilen, wenn der Fonds den Neue-Markt-Index Nemax 50 abbildet? Oder aus Index-Zertifikaten, deren Laufzeit erst nach dem geplanten Wegfall des Neuen Marktes am 31. Dezember 2003 endet? Die meisten Banken und Fondsgesellschaften wussten am Donnerstag noch nicht recht zu sagen, was den Besitzern solcher Papiere nun bevorsteht.
Mehrere Szenarien denkbar
Nach den Verkaufsprospekten und Geschäftsbedingungen der Banken sind für den Fall, dass ein Index durch einen neuen ersetzt wird oder sogar ganz verschwindet, mehrere Szenarien denkbar. So kann die Bank, die die Fonds oder die Zertfikate ausgegeben hat, einen Ersatzindex bestimmen und den Berechnungsmodus des Wertpapiers dem neuen Index anpassen. Dafür wird im Zweifelsfall ein unabhängiger Sachverständiger hinzugezogen, heißt es etwa bei der Deutschen Bank und der Commerzbank. Möglicherweise würde die Bank einen solchen Index sogar selbst weiter berechnen, "was aber sehr schwierig ist", sagte ein Commerzbank-Sprecher.
Kündigung des Wertpapiers ist möglich
Wenn weder ein Ersatzindex noch eigene Berechnungen in Frage kommen, behalten sich die Emittenten eine außerordentliche Kündigung des Wertpapiers vor. Der Wert des Papiers würde dann anhand des Index-Stands an einem vereinbarten Stichtag berechnet. "Das wäre aus unserer Sicht auch für den Neuen Markt die fairste Lösung", sagte ein Sprecher der HypoVereinsbank. "Unser Vorschlag wäre, Index-Zertifikate mit open end oder mit Laufzeit bis 2004 am 31. Dezember 2003 abzurechnen und die Kunden auszubezahlen."
Die meisten Banken wussten am Donnerstag jedoch noch nicht zu sagen, wie sie im Fall des Neuen Marktes vorgehen werden. "Wir müssen zunächst abwarten, was die Deutsche Börse im Detail beschließt", hieß es bei der Commerzbank und bei der Deutschen Bank. Jens Walter, Sprecher des Bundesverbands der Deutschen Banken, zeigte sich sogar zuversichtlich, dass sich durch die Umstrukturierung der Börse für die Anleger gar nicht viel ändern werde: "Einen Index für Technologiewerte soll es ja schließich weiterhin geben". Auch wenn der vielleicht dann nicht mehr Nemax 50 heißt.
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...der Letzte macht bitte das Licht aus:
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