Monopoly in höheren Sphären
Unternehmenskäufe mit Aktien / Von Jürgen Dunsch bei faz.de
Der Reiz des bekannten Monopoly-Spiels besteht darin, daß den Spielern zur Verwirklichung ihrer Pläne reichlich Papiergeld zur Verfügung steht. Sie können daher von Anfang an groß auftrumpfen. Den Unternehmenskäufen über Aktientausch, die sich in den vergangenen Jahren wie ein Buschfeuer ausgebreitet haben, wohnt nach Meinung vieler Beobachter ebenfalls eine starke Monopoly-Komponente inne. Wenn das Wort von Christian Morgenstern in den "Galgenliedern" zutrifft: "Oh Mensch! Das Geld ist nur Chimäre!", dann gilt das besonders für diese Art des Unternehmenserwerbs.
Aktien statt Bargeld, dies war der Donnerruf der hungrigen Unternehmensakquisiteure aus den Vereinigten Staaten und Europa. Natürlich gibt es auch noch die Barzahler in den Vorständen. Dies schließt milliardenschwere Projekte mit ein, etwa den Erwerb von Boehringer Mannheim durch den Schweizer Pharmakonzern Roche oder den Kauf der amerikanischen Investmentbank Bankers Trust durch die Deutsche Bank, die mangels Börsennotierung in New York nicht die Aktienvariante wählen konnte. Viele der größten Transaktionen in den vergangenen Jahren waren jedoch Tauschgeschäfte: Daimler-Benz und Chrysler, Vodafone und Mannesmann, Deutsche Telekom und Voicestream und viele andere mehr.
Vor allem der Fall Deutsche Telekom hat in jüngster Zeit den Unternehmenskauf über Aktientausch neuerlich in Verruf gebracht. Die Veräußerung von 44 Millionen Papieren des Großaktionärs Hutchison Whampoa, der zuvor Voicestream-Aktien besessen hatte, durch die Deutsche Bank löste in vier Tagen einen Kursrutsch von rund 20 Prozent aus. Obwohl das Geschäft außerbörslich ablief, drückten nachfolgende Verkäufe über die Börse sowie die psychologischen Wirkungen des Paketverkaufs das Papier in die Tiefe. Und weitere Verkäufe drohen.
Am Anfang der nun verteufelten Mode stand eine scheinbar glänzende Idee. Warum, so war die Überlegung, sollte ein Unternehmen seine Kasse leeren und zum Zweck der Expansion die Aktionäre der ins Auge gefaßten Gesellschaft ausbezahlen? Warum nicht den guten Ruf, die hohe Aktienbewertung und die glänzende Geschäftsidee liquiditätsschonend einsetzen und alle Anteilseigner des neuen Konzerns im Boot halten? Der Vorteil: Nach dem Zusammengehen stünden für die daraus entstehenden Chancen noch genügend Finanzmittel zur Verfügung. Der erste Plan der Fusion von Thyssen und Krupp 1998 bestand im Kauf durch Krupp und war nicht zuletzt wegen der damit verbundenen finanziellen Auszehrung höchst umstritten. Es kam zu einer grundlegenden Änderung: Thyssen und Krupp fusionierten zu einem neuen Unternehmen mit den bisherigen Aktionären.
Kann heute falsch sein, was damals richtig war? Wer den Unternehmenskauf mit der Akquisitionswährung Aktie verdammt, unterschlägt die offensichtlichen Vorteile. Der Ausbau der Unternehmen kann beschleunigt werden, da nicht zuerst geeignete Finanzierungslinien geschaffen werden müssen. Die Bildung von Allianzen wird erleichtert; ihren sichtbarsten Ausdruck hat sie in den sogenannten Mergers of Equals gefunden, die unter anderem dem Betriebsfrieden innerhalb der Fusionskandidaten zugute kommen konnten. Eon und Aventis sind in diesem Zusammenhang Beispiele, die ins Auge springen. Ebenso konnten Tochtergesellschaften nach dem Gang an die Börse mit ihren neugeschaffenen Akquisitionswährungen voranschreiten, ohne die Konzernzentrale zu belasten.
Der Fehler des Unternehmenskaufs mit Aktien liegt nicht im Konzept, sondern in der Übertreibung. Man wird an das ungehemmte Anwerfen der Notenpresse in hochverschuldeten Ländern erinnert: Maß und Ziel gehen verloren, die scheinbar leichte Lösung der Probleme macht sinnlich. Es ist bezeichnend, daß die Aktien als "Zahlungsmittel" erst mit der Börsenhausse richtig in Mode kamen. Die Telekom finanzierte den 38 Milliarden Dollar teuren Erwerb von Voicestream mit gerade 4,2 Milliarden Dollar in bar, den weitaus größeren Teil hingegen mit gut einer Milliarde eigener Aktien. Wer jedoch bei hochschießenden Kursen mit dem Federstrich einer Kapitalerhöhung die wundersame Vermehrung seiner Aktien betreiben kann, wird bei den Kaufpreisen nicht mehr auf jeden Euro oder Dollar schauen. Eher erliegt er der Versuchung, den eigenen Aktienkurs hochzujubeln. Das Feuer an den Börsen ist auf diese Weise zusätzlich angefacht worden.
Dieses Verhalten hat eine Folge, die erst heute so richtig drückt. Die leichtsinnigen Unternehmenskäufe mit ihren Preistiraden wurden zwar abgehakt unter dem Motto: "Was soll's, wir zahlen ja in Aktien." Aber sie trieben die Abschreibungen auf die erworbenen Firmenwerte, die sich in vielen Fällen als Scheinwerte erwiesen, in schwindelerregende Höhen. Auch hier gilt: Die Kasse der Käufer läßt dies vorderhand unberührt. Aber die unabwendbaren Abschreibungen nach den Übertreibungen schmälern heute die Gewinne und senken den Unternehmenswert. Die Folge: Die Aktienkurse fallen. JDS Uniphase, weltgrößter Hersteller von Glasfaser-Komponenten, hat ein Abschreibungsvolumen von 45 Milliarden Dollar aufgetürmt. Für das Unternehmen ist dies zunächst eine Bilanzfrage, die Zeche der Akquisitionsverluste zahlt der Aktionär.
Unternehmenskäufe mit Aktien / Von Jürgen Dunsch bei faz.de
Der Reiz des bekannten Monopoly-Spiels besteht darin, daß den Spielern zur Verwirklichung ihrer Pläne reichlich Papiergeld zur Verfügung steht. Sie können daher von Anfang an groß auftrumpfen. Den Unternehmenskäufen über Aktientausch, die sich in den vergangenen Jahren wie ein Buschfeuer ausgebreitet haben, wohnt nach Meinung vieler Beobachter ebenfalls eine starke Monopoly-Komponente inne. Wenn das Wort von Christian Morgenstern in den "Galgenliedern" zutrifft: "Oh Mensch! Das Geld ist nur Chimäre!", dann gilt das besonders für diese Art des Unternehmenserwerbs.
Aktien statt Bargeld, dies war der Donnerruf der hungrigen Unternehmensakquisiteure aus den Vereinigten Staaten und Europa. Natürlich gibt es auch noch die Barzahler in den Vorständen. Dies schließt milliardenschwere Projekte mit ein, etwa den Erwerb von Boehringer Mannheim durch den Schweizer Pharmakonzern Roche oder den Kauf der amerikanischen Investmentbank Bankers Trust durch die Deutsche Bank, die mangels Börsennotierung in New York nicht die Aktienvariante wählen konnte. Viele der größten Transaktionen in den vergangenen Jahren waren jedoch Tauschgeschäfte: Daimler-Benz und Chrysler, Vodafone und Mannesmann, Deutsche Telekom und Voicestream und viele andere mehr.
Vor allem der Fall Deutsche Telekom hat in jüngster Zeit den Unternehmenskauf über Aktientausch neuerlich in Verruf gebracht. Die Veräußerung von 44 Millionen Papieren des Großaktionärs Hutchison Whampoa, der zuvor Voicestream-Aktien besessen hatte, durch die Deutsche Bank löste in vier Tagen einen Kursrutsch von rund 20 Prozent aus. Obwohl das Geschäft außerbörslich ablief, drückten nachfolgende Verkäufe über die Börse sowie die psychologischen Wirkungen des Paketverkaufs das Papier in die Tiefe. Und weitere Verkäufe drohen.
Am Anfang der nun verteufelten Mode stand eine scheinbar glänzende Idee. Warum, so war die Überlegung, sollte ein Unternehmen seine Kasse leeren und zum Zweck der Expansion die Aktionäre der ins Auge gefaßten Gesellschaft ausbezahlen? Warum nicht den guten Ruf, die hohe Aktienbewertung und die glänzende Geschäftsidee liquiditätsschonend einsetzen und alle Anteilseigner des neuen Konzerns im Boot halten? Der Vorteil: Nach dem Zusammengehen stünden für die daraus entstehenden Chancen noch genügend Finanzmittel zur Verfügung. Der erste Plan der Fusion von Thyssen und Krupp 1998 bestand im Kauf durch Krupp und war nicht zuletzt wegen der damit verbundenen finanziellen Auszehrung höchst umstritten. Es kam zu einer grundlegenden Änderung: Thyssen und Krupp fusionierten zu einem neuen Unternehmen mit den bisherigen Aktionären.
Kann heute falsch sein, was damals richtig war? Wer den Unternehmenskauf mit der Akquisitionswährung Aktie verdammt, unterschlägt die offensichtlichen Vorteile. Der Ausbau der Unternehmen kann beschleunigt werden, da nicht zuerst geeignete Finanzierungslinien geschaffen werden müssen. Die Bildung von Allianzen wird erleichtert; ihren sichtbarsten Ausdruck hat sie in den sogenannten Mergers of Equals gefunden, die unter anderem dem Betriebsfrieden innerhalb der Fusionskandidaten zugute kommen konnten. Eon und Aventis sind in diesem Zusammenhang Beispiele, die ins Auge springen. Ebenso konnten Tochtergesellschaften nach dem Gang an die Börse mit ihren neugeschaffenen Akquisitionswährungen voranschreiten, ohne die Konzernzentrale zu belasten.
Der Fehler des Unternehmenskaufs mit Aktien liegt nicht im Konzept, sondern in der Übertreibung. Man wird an das ungehemmte Anwerfen der Notenpresse in hochverschuldeten Ländern erinnert: Maß und Ziel gehen verloren, die scheinbar leichte Lösung der Probleme macht sinnlich. Es ist bezeichnend, daß die Aktien als "Zahlungsmittel" erst mit der Börsenhausse richtig in Mode kamen. Die Telekom finanzierte den 38 Milliarden Dollar teuren Erwerb von Voicestream mit gerade 4,2 Milliarden Dollar in bar, den weitaus größeren Teil hingegen mit gut einer Milliarde eigener Aktien. Wer jedoch bei hochschießenden Kursen mit dem Federstrich einer Kapitalerhöhung die wundersame Vermehrung seiner Aktien betreiben kann, wird bei den Kaufpreisen nicht mehr auf jeden Euro oder Dollar schauen. Eher erliegt er der Versuchung, den eigenen Aktienkurs hochzujubeln. Das Feuer an den Börsen ist auf diese Weise zusätzlich angefacht worden.
Dieses Verhalten hat eine Folge, die erst heute so richtig drückt. Die leichtsinnigen Unternehmenskäufe mit ihren Preistiraden wurden zwar abgehakt unter dem Motto: "Was soll's, wir zahlen ja in Aktien." Aber sie trieben die Abschreibungen auf die erworbenen Firmenwerte, die sich in vielen Fällen als Scheinwerte erwiesen, in schwindelerregende Höhen. Auch hier gilt: Die Kasse der Käufer läßt dies vorderhand unberührt. Aber die unabwendbaren Abschreibungen nach den Übertreibungen schmälern heute die Gewinne und senken den Unternehmenswert. Die Folge: Die Aktienkurse fallen. JDS Uniphase, weltgrößter Hersteller von Glasfaser-Komponenten, hat ein Abschreibungsvolumen von 45 Milliarden Dollar aufgetürmt. Für das Unternehmen ist dies zunächst eine Bilanzfrage, die Zeche der Akquisitionsverluste zahlt der Aktionär.