Retourkutsche?
Mittwoch, 22. Mai 2002
Verhör in Jerusalem
Verdacht gegen Naumann-Mitarbeiter
Von n-tv Korrespondent Ulrich Sahm, Jerusalem
Der Leiter der FDP nahen Naumann-Stiftung in Jerusalem, Dr. Burkhardt Blanke, ist von der Polizei verhört worden. Nach Angaben der Zeitung Haaretz steht Burkhardt im Verdacht, antisemitische Äußerungen gemacht zu haben. Er habe "rassistische Akte angestiftet", heißt es wörtlich. Blanke sei auch im Besitz von "Militärkarten", die er gesammelt habe, um sie "Terrororganisationen" für die Planung von Anschlägen zu übergeben, schreibt Haaretz. Die Polizei bestätigte, dass Blanke verhört worden sei.
Die Büroräume der Naumannstiftung in einer Villa in Ostjerusalem wurden aber nicht durchsucht, sondern nur die Wohnung Blankes. Beim Verhör wurde Blanke zwar befragt, ihm wurden jedoch nach eigener Auskunft keine Beweise vorgelegt, die den Verdacht oder gar seine Schuld bestätigen könnten.
Bundesaußenminister Fischer hat in der Nacht zum Mittwoch mit seinem israelischen Amtskollegen Schimon Peres telefoniert und gegen das Vorgehen der Polizei im Zusammenhang mit Blanke protestiert. Die deutsche Botschaft in Tel Aviv sei über das Verhör Blankes durch die Polizei nicht informiert worden. Es lägen ihr auch keine Hinweise über Vergehen Blankes vor.
In Israel kann die Polizei jeden Bürger bis zu 48 Stunden lang verhaften, ohne Zustimmung eines Richters. Beweismaterial wird nicht unbedingt vorgelegt – nämlich dann nicht, wenn es vom Geheimdienst angeliefert wurde und die Quellen verdeckt bleiben sollen. Selbst bei Gerichtsverfahren passiert es immer wieder, dass nur die Richter belastendes Material zu sehen bekommen, nicht aber der Angeklagte.
Burkhard Blanke erzählte n-tv, dass er über seinen Anwalt sofort die deutsche Botschaft informiert habe, als am Montag früh vier Polizisten mit einem Hausdurchsuchungsbefehl vor seiner Haustür gestanden hätten. Die Polizisten hätten seinen Schreibtisch und seine Akten "nicht sehr ernsthaft" durchsucht. "Sie wussten offenbar gar nicht, was sie suchen sollten. Absurd scheint, was sie mitgenommen haben: private Briefe von Freunden aus Deutschland und Zeitungsausschnitte aus Haaretz."
Nach Angaben von Blanke sei Außenminister Peres informiert worden. Das Außenministerium habe dafür gesorgt, dass der Fall "erledigt" und die Akte geschlossen worden sei.
Entschuldigung erwartet
Blanke wurde zwei Stunden lang im Hauptquartier der Polizei befragt. Sein Anwalt habe vor der Tür warten müssen. Blanke sagt, keinerlei Hinweis zu haben, wer ihn denunziert haben könnte oder ob die Israelis bei ihrer "Operation Schutzschild" auf Dokumente mit seinem Namen gestoßen seien. "Die Naumann Stiftung ist seit 1983 in den palästinensischen Gebieten an vielen Projekten beteiligt und hat auch viele solide israelische Partner", sagt Blanke. Er betrachtet das Vorgehen als einen Einschüchterungsversuch" der Israelis, "bei denen offenbar inzwischen alles möglich ist". Gleichwohl gesteht er, dass die Ermittler offenbar keine Ahnung hatten, wer er sei und dass er eine ehrenwerte deutsche Stiftung vertrete. Blanke sagte, dass er von den Israelis eine förmliche Entschuldigung erwarte.