ftd.de, Do, 9.5.2002, 2:00
Geldanlage: Dem wahren Aktienkurs auf der Spur
Von Markus Kempf
Wie viel ist eine Aktie tatsächlich wert? Zur Beantwortung dieser Frage bietet das DCF-Modell einen vergleichsweise fundierten Ansatz.
Analysten wie Investoren bereitet die Suche nach dem fairen Wert einer Firma und damit nach einem angemessenen Kurswert zunehmend Kopfzerbrechen. So haben sich Peer-Group-Vergleiche - also der Versuch, den "wahren" Aktienkurs durch Vergleich mit dem Durchschnittskurs der Aktien der gesamten Branche zu bestimmen - zuletzt oftmals als unsinnig erwiesen. Denn wenn alle Papiere eines Sektors zu hoch bewertet sind, kann der Mittelwert kein Maßstab sein.
Als vergleichsweise zuverlässig gilt die Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF). Diese Methode gründet den Wert eines Unternehmens auf die zukünftig zu erwartenden Überschüsse, die abgezinst (englisch: discounted) werden auf die Gegenwart. Das DCF-Modell hat sich wegen seiner relativ hohen Fundiertheit zur beliebtesten Berechnungsmethode gemausert.
Frage nach künftigen Überschüssen
Hauptproblem: die Höhe der künftigen Überschüsse. Die zu bestimmen, erfordert die Bereinigung der veröffentlichten Jahresüberschüsse um außerordentliche Komponenten (etwa die Einmalgewinne) sowie nicht zahlungswirksame "bilanzgestaltende" Positionen (etwa Abschreibungen) und deren Projektion in die Zukunft.
Hier kommt der allgemeine Trend zur internationalen Bilanzierung nach IAS beziehungsweise US GAAP gelegen, da diese Standards ein höheres Maß an Transparenz erfordern als herkömmliche Abschlüsse nach deutschem Recht und somit zuverlässigere Daten liefern. So gelangt man zu einer - zumindest im Modell - recht guten Berechnung von Unternehmenswerten mithilfe "unmanipulierter" Zahlungsüberschüsse, was den Begriff Cash Flow erklärt. Cash Flow heißt übersetzt Liquiditätszufluss. Der Cash Flow ist eine Kennzahl, die die Beurteilung der Ertragslage ermöglicht, und lässt sich auf der Grundlage der Gewinn- und Verlustrechnung ermitteln.
Erwartetes Wachstum
Bleibt noch die Bestimmung des erwarteten Unternehmenswachstums sowie des Abzinsungsfaktors. Hier liegen die Detailprobleme des Modells, denn der errechnete Unternehmenswert schwankt kräftig in Abhängigkeit der Parameter. Vor allem dann, wenn es keine Erfahrungs- und Vergleichswerte gibt, was vor allem in der New Economy häufig der Fall ist.
Auch kann sich eine starke Abweichung der berechneten Werte - je nachdem, welcher Zahlungsüberschuss aus welchem Jahr eingegeben wird - ergeben. Profis verwenden daher in der Regel Durchschnittswerte der vergangenen fünf Jahre.
Trotz der Unwägbarkeiten liefert die DCF-Methode einen Richtwert zur Beurteilung eines Aktienkurses. Und die zu erwartenden Zunahme der Transparenz (etwa durch Veröffentlichung von Planzahlen) wird es künftig einfacher machen, (Plan-) Überschüsse und damit fundiertere Unternehmenswerte zu ermitteln.
Als allgemeine Faustformel für die Bestimmung des Kurswertes einer Aktie gilt: Der Wert einer Aktie entspricht dem Eigenkapitalwert des Unternehmens, geteilt durch die Anzahl der ausgegebenen Aktien. Interessierten sei auch der Blick ins Internet empfohlen, wo es zahlreiche Webseiten mit interessanten weitergehenden Anwendungen und Beispielsrechnungen gibt. Zu den wichtigsten zählen: www.equitymodel. com , www.valuePro.net oder www.quicken.com/investments .
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Vom Jahresergebnis zum fairen Aktienwertper DCF-Methode
Rechenweg
Jahr 2001
Jahresergebnis
- 3,50
- außerordentliche Bestandteile
--
+ Abschreibungen
15,20
+ Steuern
0,80
+ Netto-Zinsaufwand
5,30
+ Sonstiges (1)
0,30
= Operativer Cash Flow, Ebitda (2)
18,10
- Investitionen
10,90
= Freier Cash Flow, FCF (3)
7,20
Weiter mit durchschnittlichem FCF (4):
7,18
durchschnittl. FCF : WACC (5)
0,08
= Unternehmenswert
89,80
- Nettoverschuldung (6)
63,40
= Eigenkapitalwert (EKW)
26,40
ausgegebene Aktien (AA), in Mrd. Stk.
4,20
Fairer Wert einer Aktie = EKW : AA
6,30
Euro
Aktueller Börsenkurs zum Vergleich
15,00
Euro
Beispiel Deutsche Telekom, Werte in Mrd. Euro
Fazit: Der per DCF-Modell ermittelte faire Wert der T-Aktie von 6,30 Euro zeigt an: Das Telekom-Papier, am Markt mit rund 15 Euro gehandelt, ist keineswegs unterbewertet.
www.ftd.de/bm/ga/1014399064215.html?nv=se