Short Selling
Mit fallenden Kursen Geld verdienen
Short Selling, auch Leerverkauf von geliehenen Aktien genannt, ist eine Anlagestrategie, die - anders als in Deutschland - in den USA längst gängige Praxis ist. Auch bei Privatanlegern.
Ein Short Seller spekuliert auf fallende Kurse. Der Grund: Er vermutet, dass die Aktien eines bestimmten Unternehmens zu hoch bewertet sind und der Kurs deshalb in naher Zukunft fallen wird. Er verdient sein Geld also, wenn an der Börse Verluste gemacht werden.
Das "Shorten" ist ein Leihgeschäft zwischen Bank und Short Seller. Und das funktioniert so: Sie leihen sich bei Ihrer Bank/Broker Aktien, verkaufen Sie sofort und kaufen die Aktien zu einem späteren Zeitpunkt zurück. Dann nämlich, wenn der Kurs der Aktie wie erhofft gefallen ist. Dann geben Sie die Aktien Ihrer Bank/Broker zurück (Fachbegriff: Sie stellen die Position glatt). Die Bank erhebt dafür eine Leihgebühr. Die Differenz zwischen Verkaufs- und Rückkaufkurs ist der Gewinn des Short Sellers.
Beispiel: Sie leihen sich im November 2000 von Ihrer Bank 1.000 Stück Intershop-Aktien und verkaufen sofort zum damaligen Kurs von 40 Euro. Im April kaufen Sie die 1.000 Aktien zum aktuellen Kurs von 3 Euro zurück. Ihr Gewinn beträgt also 40.000 - 3.000 = 37.000 Euro; abzüglich der Leihgebühr.
Hohes Risiko
Das Short Selling ist allerdings auch eine besonders riskante Form des Aktienhandels. Der Grund: Mögliche Verluste können theoretisch unbegrenzt sein. Denn der Short Seller muss die geliehenen Aktien natürlich auch zurückkaufen und an die Bank zurückgeben, wenn der Kurs - entgegen seinen Erwartungen - gestiegen ist. Und diese Kurssteigerungen können unbegrenzt ausfallen.
Beispiel: Sie leihen sich 1.000 Stück der Aktie X zu einem Kurs von 5 Euro und verkaufen. Entgegen Ihrer Erwartung eines weiteren Kursverfalls bringt das Unternehmen plötzlich eine positive Meldung heraus. Der Kurs steigt daraufhin explosionsartig binnen weniger Tage auf 20 Euro. Trotzdem müssen Sie die Aktien zurückkaufen, um die Leihschuld bei Ihrer Bank zu begleichen. Ihr Verlust beträgt in diesem Fall 15.000 Euro, also das Dreifache von dem, was Sie ursprünglich eingesetzt haben. Diese "Short Seller-Falle" bei steigenden Kursen nennt man auch "Short Squeeze".
In den USA ist das Short Selling eine gleichberechtigte Alternative zum klassischen Aktienhandel. So veröffentlicht zum Beispiel die Nasdaq regelmäßig eine so genannte Short-Interest-Rate, die angibt, wieviele Aktien eines Titels in den Händen von Short Sellern sind. Es gilt: Je höher diese Rate, desto höher auch der Verkaufsdruck auf der Aktie. So kann zum Beispiel ein Short-Seller-Guru wie Manuel Asensio aus den USA den Kurs einer Aktie in den Keller treiben. Die Short-Interest-Rate wird von der Deutschen Börse nicht angeboten, kann aber für deutsche Titel, die auch in den USA gelistet sind (z.B. Intershop, QSC oder Evotec) über die Homepage der Nasdaq in Erfahrung gebracht werden.
In Deutschland gibt es mit der Sino AG aus Düsseldorf bisher nur einen Broker, der Short Selling auch für Privatanleger ermöglicht. Alle anderen Kreditinstitute bieten es nur für institutionelle Anleger an. Das Argument: Für Privatanleger sei das Short Selling einfach zu riskant, so die Banken auf unsere Anfrage. Und auch die Sino AG bietet das "Shorten" nur mit Einschränkungen an. So müssen die geliehenen Aktien bis Börsenschluss zurückgegeben werden. Das Short Selling ist also nur intraday möglich.