Trotz Kursverlust herrschen bei Poet keine Molltöne
Hamburg - Manchmal denkt Dirk Bartels, er hätte das alles gar nicht wirklich erlebt. Die eigene Firma erfolgreich an den Neuen Markt gebracht. Der Kurs eine Fahnenstange. Er selbst, auf dem Papier, 160-facher Millionär. In Euro. Das war vor zwei Jahren. Und manchmal denkt Dirk Bartels, es wäre vielleicht besser gewesen, das alles tatsächlich nicht erlebt zu haben.
"Uns hat es doch nichts gebracht außer Prügel", sagt der Gründer und Vorstandsvorsitzende der Poet Holding, einer Firma, die Software für den elektronischen Handel zwischen Unternehmen (B-to-B) anbietet. Bartels hat seine Anteile nicht verkauft, als die Aktie bei 200 Euro stand. Damals durfte er nicht. Heute liegt der Kurs bei gut einem Euro. Vielleicht hätte er damals aber auch nicht verkauft, wenn er gedurft hätte. Denn Poet, das ist sein Werk, dafür kämpft er. Und es klingt fast trotzig, wenn der 41-Jährige sagt: "Ich habe in den vergangenen 20 Jahren schon schlimmere Zeiten erlebt."
Sicher ist: Die Tage im März 2000, die bei dem 150-Mann-Betrieb mit Firmensitzen in San Mateo und Hamburg noch heute keiner so recht begreift, gehören nicht dazu. "Der Kurs stieg damals binnen Tagen auf 70, 120, 150 Euro. Alle haben sich damals besoffen gerechnet", sagt Jochen Witte, seit den Anfängen in Berlin in den Achtzigern Bartels' Weggefährte und heutiger Poet-Finanzvorstand. Auch die Analysten der Deutschen Bank: Die trieben den Poet-Kurs, drei Monate zuvor bei zwölf Euro, mit einer Kaufstudie über die 200-Euro-Marke. Die Marktkapitalisierung gebe "nicht in ausreichendem Maß die exzellente Positionierung des Unternehmens im B-to-B-Markt" wieder, hieß es zur Begründung. Poet war zum Spielball einer vor Gier blinden Spekulantenhorde geworden.
Eine Nummer zu groß für Bartels & Co. "Ich habe überlegt, stellst du dich hin und sagst, wir sind hoffnungslos überbewertet", sagt Finanzmann Witte. "Aber das wollte doch damals niemand hören. Und wer zu 120 gekauft hat, der sagt doch, du vernichtest hier mein Vermögen."
Das geschah dann auch von allein. Der Weg nach unten war lang und schmerzhaft, und er ist es noch. Immer wenn die Zahlen kamen, rummste es richtig. 20 bis 40 Prozent an einem Tag - kein Einzelfall. Inzwischen ist der Kurs 99 Prozent von seinem Allzeithoch entfernt, liegt bei gut einem Euro. Schuldgefühle? "Nein", sagt Bartels entschieden. "Wir haben immer sehr konservativ berichtet, nie übermäßige Hoffnungen geschürt", sagt Bartels. Für Poets Software-Produkte gab es schlicht und einfach nicht die Nachfrage, die Marktforscher ermittelt haben wollten. Und vom ersten Kontakt bis zum Vertragsabschluss vergeht auch schon mal ein Jahr. "Großkunden wie Philips oder die Deutsche Telekom können so was nicht in einer Woche entscheiden", sagt Bartels.
Doch in seiner Firma, in Sachen Kursverfall von den bösen Buben am Neuen Markt kaum zu unterscheiden, läuft vieles anders, als es die reine Kurshistorie vermuten lässt. Das meiste besser. Eben weil die Chefs schon schlimmeres erlebt und daraus ihre Konsequenzen gezogen haben. "Wir mussten mit unseren Firmen, aus denen schließlich Poet hervorgegangen ist, immer jeden Cent umdrehen", sagt Bartels, der den "Kapitalmarkt" erstmals 1984 "anzapfte": 5000 Mark für die erste Firma, geliehen von seinem Vater. Der Beginn harter Lehrjahre, die vielleicht geholfen haben, mit der Euphorie einen Tick realistischer umzugehen als andere. Das gilt auch für Witte: "Wenn ich auf dem Weg in unser damaliges Büro in Berlin am Bahnhof Zoo vorbeikam, habe ich mich schon mal gefragt, ob ich da nächsten Monat auch sitzen werde."
Sicher: Auch Poet verbrennt Geld. So wie Intershop und andere. Nur viel langsamer. "Dieses Jahr wollen wir mit sechs Millionen Dollar Minus auskommen", sagt Witte. Auf dem Konto liegen 22 Millionen. Das Geld aus dem Börsengang, mit dem Poet hochgerechnet gute drei Jahre über die Runden käme. Witte: "Alle haben uns damals gesagt, ihr habt doch Kohle, ihr müsst doch shoppen gehen, andere Firmen kaufen, damit ihr die nötige Größe erreicht." So wie Brokat.
Bartels kaufte nicht. Und hat jetzt ein Polster, das er in diesen schweren Zeiten brauchen wird. "Uns ist klar, dass wir in den nächsten zwei, drei Jahren den Durchbruch schaffen müssen", sagt der vierfache Vater. Und macht sich selbst Mut: "SAP hat auch viele Jahre gebraucht, bis es Geld verdient hat."
Ob Poet das auf eigene Faust gelingen wird, steht in den Sternen. Die Firma notiert an der Börse deutlich unter Buchwert, der Wert aller Aktien ist also niedriger als die vorhandenen liquiden Mittel - das, wenn auch defizitäre, operative Geschäft gibt's gratis dazu. Ein verlockendes Angebot für interessierte Konzerne. "Es gibt da keine Verhandlungen", wiegelt Bartels ab, der 782 000 Anteile am Unternehmen hält. "Zu diesem Kurs ist das sowieso indiskutabel. Wir verschenken die Firma doch nicht." Die Aktie, da ist er sich mit Witte einig, wäre bei vier Euro fair bewertet.
Also arbeiten sie weiter wie besessen, um den Aktienkurs dorthin zu bringen. Bartels in San Mateo, Witte in Hamburg.
Hamburg - Manchmal denkt Dirk Bartels, er hätte das alles gar nicht wirklich erlebt. Die eigene Firma erfolgreich an den Neuen Markt gebracht. Der Kurs eine Fahnenstange. Er selbst, auf dem Papier, 160-facher Millionär. In Euro. Das war vor zwei Jahren. Und manchmal denkt Dirk Bartels, es wäre vielleicht besser gewesen, das alles tatsächlich nicht erlebt zu haben.
"Uns hat es doch nichts gebracht außer Prügel", sagt der Gründer und Vorstandsvorsitzende der Poet Holding, einer Firma, die Software für den elektronischen Handel zwischen Unternehmen (B-to-B) anbietet. Bartels hat seine Anteile nicht verkauft, als die Aktie bei 200 Euro stand. Damals durfte er nicht. Heute liegt der Kurs bei gut einem Euro. Vielleicht hätte er damals aber auch nicht verkauft, wenn er gedurft hätte. Denn Poet, das ist sein Werk, dafür kämpft er. Und es klingt fast trotzig, wenn der 41-Jährige sagt: "Ich habe in den vergangenen 20 Jahren schon schlimmere Zeiten erlebt."
Sicher ist: Die Tage im März 2000, die bei dem 150-Mann-Betrieb mit Firmensitzen in San Mateo und Hamburg noch heute keiner so recht begreift, gehören nicht dazu. "Der Kurs stieg damals binnen Tagen auf 70, 120, 150 Euro. Alle haben sich damals besoffen gerechnet", sagt Jochen Witte, seit den Anfängen in Berlin in den Achtzigern Bartels' Weggefährte und heutiger Poet-Finanzvorstand. Auch die Analysten der Deutschen Bank: Die trieben den Poet-Kurs, drei Monate zuvor bei zwölf Euro, mit einer Kaufstudie über die 200-Euro-Marke. Die Marktkapitalisierung gebe "nicht in ausreichendem Maß die exzellente Positionierung des Unternehmens im B-to-B-Markt" wieder, hieß es zur Begründung. Poet war zum Spielball einer vor Gier blinden Spekulantenhorde geworden.
Eine Nummer zu groß für Bartels & Co. "Ich habe überlegt, stellst du dich hin und sagst, wir sind hoffnungslos überbewertet", sagt Finanzmann Witte. "Aber das wollte doch damals niemand hören. Und wer zu 120 gekauft hat, der sagt doch, du vernichtest hier mein Vermögen."
Das geschah dann auch von allein. Der Weg nach unten war lang und schmerzhaft, und er ist es noch. Immer wenn die Zahlen kamen, rummste es richtig. 20 bis 40 Prozent an einem Tag - kein Einzelfall. Inzwischen ist der Kurs 99 Prozent von seinem Allzeithoch entfernt, liegt bei gut einem Euro. Schuldgefühle? "Nein", sagt Bartels entschieden. "Wir haben immer sehr konservativ berichtet, nie übermäßige Hoffnungen geschürt", sagt Bartels. Für Poets Software-Produkte gab es schlicht und einfach nicht die Nachfrage, die Marktforscher ermittelt haben wollten. Und vom ersten Kontakt bis zum Vertragsabschluss vergeht auch schon mal ein Jahr. "Großkunden wie Philips oder die Deutsche Telekom können so was nicht in einer Woche entscheiden", sagt Bartels.
Doch in seiner Firma, in Sachen Kursverfall von den bösen Buben am Neuen Markt kaum zu unterscheiden, läuft vieles anders, als es die reine Kurshistorie vermuten lässt. Das meiste besser. Eben weil die Chefs schon schlimmeres erlebt und daraus ihre Konsequenzen gezogen haben. "Wir mussten mit unseren Firmen, aus denen schließlich Poet hervorgegangen ist, immer jeden Cent umdrehen", sagt Bartels, der den "Kapitalmarkt" erstmals 1984 "anzapfte": 5000 Mark für die erste Firma, geliehen von seinem Vater. Der Beginn harter Lehrjahre, die vielleicht geholfen haben, mit der Euphorie einen Tick realistischer umzugehen als andere. Das gilt auch für Witte: "Wenn ich auf dem Weg in unser damaliges Büro in Berlin am Bahnhof Zoo vorbeikam, habe ich mich schon mal gefragt, ob ich da nächsten Monat auch sitzen werde."
Sicher: Auch Poet verbrennt Geld. So wie Intershop und andere. Nur viel langsamer. "Dieses Jahr wollen wir mit sechs Millionen Dollar Minus auskommen", sagt Witte. Auf dem Konto liegen 22 Millionen. Das Geld aus dem Börsengang, mit dem Poet hochgerechnet gute drei Jahre über die Runden käme. Witte: "Alle haben uns damals gesagt, ihr habt doch Kohle, ihr müsst doch shoppen gehen, andere Firmen kaufen, damit ihr die nötige Größe erreicht." So wie Brokat.
Bartels kaufte nicht. Und hat jetzt ein Polster, das er in diesen schweren Zeiten brauchen wird. "Uns ist klar, dass wir in den nächsten zwei, drei Jahren den Durchbruch schaffen müssen", sagt der vierfache Vater. Und macht sich selbst Mut: "SAP hat auch viele Jahre gebraucht, bis es Geld verdient hat."
Ob Poet das auf eigene Faust gelingen wird, steht in den Sternen. Die Firma notiert an der Börse deutlich unter Buchwert, der Wert aller Aktien ist also niedriger als die vorhandenen liquiden Mittel - das, wenn auch defizitäre, operative Geschäft gibt's gratis dazu. Ein verlockendes Angebot für interessierte Konzerne. "Es gibt da keine Verhandlungen", wiegelt Bartels ab, der 782 000 Anteile am Unternehmen hält. "Zu diesem Kurs ist das sowieso indiskutabel. Wir verschenken die Firma doch nicht." Die Aktie, da ist er sich mit Witte einig, wäre bei vier Euro fair bewertet.
Also arbeiten sie weiter wie besessen, um den Aktienkurs dorthin zu bringen. Bartels in San Mateo, Witte in Hamburg.