Kündigungen wegen 11. September

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vega2000:

Kündigungen wegen 11. September

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23.10.01 12:50
Vorwand 11. September
Viele Firmen nutzen die Stunde für unangenehme Nachrichten.


American Airlines feuert 20.000 Beschäftigte, Siemens trennt sich wahrscheinlich von 10.000 Mitarbeitern, Infineon hat 5.000 zu viel an Bord, MAN kündigt den Rausschmiss von 4.000 an. In England beschließt der Triebwerkkonzern Rolls Royce die Trennung von 5.000 Mitarbeitern an. Selbst der freundliche Club Mediterranée sieht schwarz und kündigt viele seiner Gute-Laune-Arbeiter: Beispiele von Nachrichten der zurückliegenden Tage.

Beispiellose Entlassungswelle

In der westlichen Welt geht eine beispiellose Entlassungswelle um. Die Wirtschaftsteile der Zeitungen lesen sich in den Wochen nach den Terroranschlägen wie Berichte über die letzten Tage der Menschheit. Eine pessimistische Prognose wird von der nächsten übertroffen.

Die Lage mag ernst sein. Dennoch gibt es Anlass zu der Annahme, dass viele der Schreckensankündigungen der vergangenen Tage ihre Ursache nicht in den Anschlägen auf Amerika haben. Wir hätten sie auch ohne die Attacken eines Tages zur Kenntnis nehmen müssen – nur etwas später. Offenbar nutzen viele Unternehmen die Terroranschläge, um unangenehme Entscheidungen zu verkünden, die sie ohnehin hätten fällen müssen.

„Der 11. September wirkte als Katalysator“, meint Martin Hüfner, der Chefvolkswirt der Hypovereinsbank. „Viele Maßnahmen, die die Unternehmen schon lange vorhatten, werden jetzt umgesetzt“. Das amerikanische Wirtschaftsmagazin Business Week zitiert einen Analysten, der noch weiter geht: „Es gibt eine Tendenz, die ökonomische Wirkung der Anschläge überzubewerten, weil das dem Management die Möglichkeit gibt, die Verantwortung für eigene Fehler auf Osama bin Laden zu schieben“.

Ungelöste Probleme bei den Geldhäusern


Nicht einmal eine Woche nach dem Anschlag auf Amerika gab der Flugzeugbauer Boeing die Entlassung von 30.000 Mitarbeitern bekannt. Die Notwendigkeit war dem Management sicher schon vorher klar. Doch nach einem solchen Ereignis lassen sich unangenehme Nachrichten leichter verkaufen. Die kürzlich bekannt gegebenen Massenkündigungen bei Commerzbank und HypoVereinsbank gehen auf ungelöste Probleme der beiden Geldhäuser und der Branche zurück – nicht auf den Terror. Bei Siemens wäre es auch ohne die Attentate zu Entlassungen gekommen. Der Telefonmarkt steckt schon lange in Schwierigkeiten.

Wir scheinen vergessen zu haben: Auch vor dem 11. September war die Stimmung schon schlecht, und die Konjunkturforscher haben in fast täglichem Rhythmus ihre Prognosen nach unten korrigiert. Schon vor diesem Datum sah die New Economy alt aus. Der Aktienindex des Neuen Marktes war bereits unter die Marke von 1000 Punkten gefallen, als die Welt von den Gewaltanschlägen noch nichts ahnte. Die Autobranche klagt seit mehr als einem Jahr über schleppenden Absatz und Opel hätte das Sanierungsprogramm „Olympia“ mit seinen 2400 gestrichenen Arbeitsplätzen auch ohne den Terror beschließen müssen.

Vielleicht hat der Terror die Probleme der Wirtschaft oder einzelner Branchen vergrößert und die Erholung ein wenig verschoben. Verursacht hat er sie nicht. Konjunkturen und Krisen gehören zur Marktwirtschaft, seit es sie gibt.

Es wird wieder aufwärts gehen. Viele Experten sehen einen neuen Aufschwung voraus. Die Menschen können nicht ohne Konsum leben. Auch nach dem Golfkrieg der neunziger Jahren waren Flugzeuge und Hotels eine Zeit lang leer, erschien eine Weltrezession wahrscheinlich. Kurz danach ging Amerika in den längsten Boom seiner jüngeren Geschichte. Dafür ist der Blick jetzt verstellt. Die Menschen – leider auch Ökonomen – neigen dazu, Aufschwungphasen für ewigwährend zu halten. Im Abschwung machen sie den gleichen Fehler.

Quelle: Süddeutsche Zeitung
MJJK:

Wirklich guter Artikel! o.T.

 
23.10.01 12:59
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