Konsequenzen

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24.06.02 18:11
www.uni-konstanz.de/FuF/wiwi/laufer/Asien-Krise.html
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24.06.02 18:13
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shikataganai


 
"Wird aus der Finanzkrise in Asien eine Finanzkrise Europas?"



von Prof. Dr. Nikolaus K.A. Läufer

Universität Konstanz, Juni 1998





1. Gängige Erklärungen der asiatischen Finanzkrise

Für die Finanzkrise in Asien gibt es inzwischen vielerlei Erklärungen. Sie reflektieren allerdings mehr die Perspektive, um nicht zu sagen das Weltbild (eine Traumwelt?) des Erklärenden, als das Ergebnis einer rationalen Analyse. Was ich mit Prespektive meine, ist anekdotisch leicht zu beschreiben. Wie sagte doch ein Anlageberater neulich: "Ich bin nicht in der Lage über etwas nachzudenken, ausser in Begriffen der Aktien-Börse." In solcher Perspektive wird ein bewölkter Sonnenuntergang leicht zu einem nachbörslichen Anstieg der Aktienkurse des Energiesektors. Schliesslich schalten die Leute wegen der Bewölkung die Heizung eventuell früher ein als vorbörslich noch angenommen.

In der Sicht der Banker wird Asien zu einer Ansammlung schlechter Bankschulden, die zur Bewältigung der Krise verschwinden müssen. In dieser Sicht war man bei der Vergabe von Krediten zu unvorsichtig und zu euphorisch. Hier werden Symptome mit Ursachen verwechselt und es wird nicht zur Kenntnis genommen, dass die Qualität von Bankkrediten keine vorgebene, exogene Grösse ist, die es im Kreditvergabeprozess lediglich zu erkennen gilt und die über die Zeit konstant bleibt, sondern eine endogene Variable, deren Wert vom allgemeinen Wirtschaftsablauf (Konjunktur und Wachstum) und von der nationalen und internationalen Wirtschaftspolitik bestimmt wird.

Dann gibt es die professionellen Ökonomen, die sich darüber streiten, ob die Finanzkrise Asiens nicht dadurch verursacht wurde, dass man die Freiheit der Kapitalbewegungen in den Krisenländern zu früh eingeführt hat. Hier tummeln sich auch die Kritiker einer Wirtschaftspolitik, die sich mit der Freigabe der Kapitalbewegungen angeblich den Interessen der Finanzwelt, einer Minderheit von 5%, verschrieben hat, während sie die Interessen einer gewaltigen Mehrheit der Bevölkerung (95%) hintenanstellt.

Schliesslich gibt es die Real-Politiker, welche hinter der Finanzkrise Asiens das Walten der amerikanischen Gelüste auf Weltherrschaft sehen. In deren Augen hat sich der Internationale Währungsfonds, in der festen Hand hartgesottener amerikanischer Ökonomen (M. Mussa (University of Chicago), S. Fischer (MIT)), dazu verleiten lassen, für Asien die falsche Medizin zu verschreiben. Statt den Run der Auslandsgläubiger auf asiatische Banken durch vertrauensbildende Massnahmen zu stoppen, habe der IMF die übliche austerity-Politik für überschuldete und inflationsfördernde Staatshaushalte verordnet, und zwar auch dort, wo die Inflationsrate bescheiden und der Staatshaushalt in Ordnung war. Zweck der Übung: durch Verschärfung der Krise soll der Zugang der amerikanischen Wirtschaft zu den Märkten Asiens beschleunigt werden.

Es ist in der Tat nur schwer vorstellbar, dass sich die Ökonomen des IMF bei der Wahl der Empfehlungen einfach geirrt haben, indem sie ins falsche Fach mit den vorbereiteten Broschüren griffen. Dass eine Medizin, die für Südamerika oder Russland sinnvoll sein mag, nicht auch für die Länder Asiens passen muss, dürfte einem Heer von hochbezahlten Spezialisten eigentlich ohne weiteres klar sein.

In die realpolitische Erklärungssparte gehört auch die vor allem in Italien gepflegte, und daher vielleicht machiavellistisch zu nennende Vorstellung, die USA würden durch die Stärkung Chinas ihren Gegner Japan schwächen wollen, so wie England im vergangenen Jahrhundert nach den napoleonischen Kriegen die Entwicklung Deutschlands gegen Frankreich förderte, ein Kalkül, das zwar 1870 aufging, sich aber spätestens 1914 als Rechenfehler erwies.

In diesen Gedanken-Spielen ist die Finanzkrise Asiens ein Mechanismus, um Japan zu Fall zu bringen.



2. Die wahren Gründe der asiatischen Finanzkrise

Zu der professionellen Deformation des Autors dieses Beitrages gehört es, vorhandene Systeme von Gedanken oder Institutionen auf logische Konsistenz (logische Vereinbarkeit) zu untersuchen. Unter Anwendung dieser Perspektive zeigt sich, dass die Finanzkrise Asiens der Auswuchs einer Fehlorganisation der Internationalen Währungsbeziehungen der betroffenen Länder ist. Die Fehlorganisation ist Folge einer logischen und erfahrungsmäßigen Inkonsistenz (Unverträglichkeit) von drei wichtigen Elementen einer internationalen Währungsordnung: freie Kapitalbewegungen, feste Wechselkurse und autonome, nationale Geldpolitiken. Unter der Voraussetzung hoher internationaler Kapitalmobilität sind diese drei Elemente einer internationalen Währungsordnung nicht miteinander vereinbar. Zu den wichtigen Erfahrungen, welche diese Aussage stützen, gehören die Zusammenbrüche des Bretton-Woods-Systems, 1972, und des Europäischen Währungssystems, 1993.

Hier gibt es auch einen Berührungspunkt mit der obigen Behauptung der zu frühen Liberalisierung der Kapitalbewegungen. Man sollte die Freizügigkeit des Kapitals überhaupt erst einführen nachdem man flexible Wechselkurse eingeführt hat. Mit der Einführung der flexiblen Wechselkurse sollten ausserdem Märkte zur Sicherung von Wechselkursrisiken organisiert werden. Schliesslich sind freie Kapitalbewegungen auch eine Ursache für Wechselkursrisiken, deren Management (Bewältigung) institutionell ermöglicht sein sollte, ehe man der Nichtbankenwirtschaft die Freizügigkeit des Kapitals zumutet.

Die asiatischen Länder müssen sich von der Illusion befreien, dass sie eine Konsistenz unvereinbarer Elemente einer internationalen Währungsordnung herstellen können. Diese Inkonsistenz ist nicht erst eine Folge der neueren Globalisierung der Weltwirtschaft. (Auch die Einrichtung von Currency Boards ist keine Lösung der Krisenproblematik Asiens, wenn die Einführung solcher Institutuionen bedeutet, dass man weiterhin an logisch und erfahrungsgemäß unvereinbaren Systemlementen festhält.)

Spätestens jetzt wird auch deutlich, dass man im Falle Asiens nicht von einer einheitlichen Finanzkrise sprechen kann. Schliesslich floatet Japan seinen Yen und unterliegt deshalb nicht einer internationalen Währungskrise (Konsistenzkrise) wie die anderen Länder, sondern leidet unter einer internen Bankenkrise als Folge einer Blasenentwicklung der japanischen Vermögensmärkte in den 80iger Jahren. Andere Länder wie Thailand, Süd-Korea, Malaysia und Indonesien hatten effektiv gebundene, also nichtflexible Wechselkurse und erlebten in erster Linie eine Währungskrise (Konsistenzkrise), die dann anschließend in eine Bankenkrise mündete. In China sind die Kapitalbewegungen nicht frei, sondern unterliegen staatlich bürokratischer Kontrolle. China leidet also nicht unter dem Problem der Inkonsistenz seiner Ordnung internationaler Währungsbeziehungen. Die asiatische Finanz-Krise wird sich deshalb nicht als Währungskrise auf China übertragen.



3. Die Konsequenzen für Euroland

Man kann diese Gelegenheit schließlich benutzen, um auf die Vorzüge der Europäischen Währungsunion hinzuweisen. Eine internationale Währungskrise der in Asien zu beobachtenden Art wird es trotz hoher Kapitalmobilität und Freiheit der Kapitalbewegungen im Euroland nicht geben, solange gegenüber Drittländern flexible Wechselkurse aufrecht erhalten werden. Schliesslich gibt es innerhalb Europas keine konfligierenden Geldpolitiken verschiedener Länder mehr, die zu Kapitalflucht und Abwertungskrisen führen könnten, denn die national unabhängigen Geldpolitiken werden innerhalb der Mitgliedsländer der EWU abgeschafft. Die EZB wird eine einheitliche Geldpolitik für alle Länder praktizieren, bei der sich internationale Währungskrisen zwischen den Mitgliedsländern nicht mehr einstellen können.

Bankenkrisen, nach japanischem Vorbild, sind allerdings auch im Euroland zumindest logisch nicht ausgeschlossen. Finanz- und Banken-Krisen können sich ferner, trotz flexibler Wechselkurse, durch psychologische Ansteckung von außereuropäischen Ländern ins Euroland übertragen und dort zu Banken-Runs und Liquiditätskrisen führen. Denkbar ist, daß sich solche Übertragungen gerade dann einstellen, wenn der Übergang zur gemeinsamen Geldpolitik in Europa auf einen Zentralbankrat trifft, der mit der neuen gemeinsamen Geldpolitik noch keine Erfahrungen sammeln konnte. Der gegenwärtige Übergang zur neuen Geldordnung in Europa findet leider zu einem Zeitpunkt statt, zu dem man sich bessere Begleitumstände in der Welt gewünscht hätte als sie durch die Finanzkrise Asiens gegeben sind.

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