Interessanter Artikel aus der BZ:
Wer bei Börsengängen am Neuen Markt Aktien zeichnet, der denkt: Das Geld, das er hergibt, soll künftig nicht in Witwen- und Waisenpapieren angelegt sein, sondern als hochverzinsliches Risikokapital. Floppt die Geschäftsidee, dann sind die vielen Millionen Euro, die beim Going Public eingesammelt wurden, zwar schneller verpulvert, als der Finanzchef rechnen kann.
Geht die Firmenstrategie jedoch auf, dann vermehrt sich jeder eingesammelte Euro in der Hand des Unternehmens in Windeseile, und mit den Gewinnen ist es bald wie mit der Richterskala: Nach oben gibt es keine Grenze. Doch nicht jedes Unternehmen verwendet das eingesammelte Geld tatsächlich so, wie es dem Geist des Neuen Marktes entspricht.
Sparstrumpf-Performance
Es gibt Fälle, da werden die vielen Millionen Euro weder im operativen Geschäft verpulvert noch vermehrt, sondern in der Bilanz des selbst ernannten "Wachstumsunternehmens" unter der Position "Liquide Mittel" eingemottet - angelegt als Festgeld zu Zinssätzen, die nur die Performance von Omas Sparstrumpf schlagen können. Dabei ist das Ritual, das vor Börsengängen abgespult wird, im Prinzip immer das gleiche. Der Vorstand präsentiert den potenziellen Anlegern seinen Businessplan und seine Wachstumsstrategie, und der Tenor der Vorstellung ist: Wir brauchen jetzt ganz dringend Geld, damit wir schnell wachsen können. "Jetzt muss die Marke aufgebaut werden! Die Nische muss unverzüglich besetzt werden, sonst kommt ein anderer! Wenn wir ganz vorne mit dabei sein wollen, müssen wir investieren - viel und schnell", heißt es dann sinngemäß.
Unberührte Millionen
So etwa geschah es auch bei dem Software-Anbieter Trius. Vor dem Börsengang hatte es geheißen, das beim IPO eingenommene Geld solle in die Weiterentwicklung der eigenen Telefonsoftware und den Aufbau eines internationalen Vertriebs gesteckt werden. Doch ein knappes Jahr nach dem Going Public stehen die eingesammelten 66,5 Mill. DM noch in fast jungfräulicher Unberührtheit in der Bilanz: 63 Mill. DM, angelegt als Festgeld zu rund 5 % Zinsen. Damit machen die liquiden Mittel mehr als 90 % der Bilanzsumme aus. Und offensichtlich trauen die Anleger dem Unternehmen auch nicht zu, dass es für das Geld noch eine bessere Investitionsmöglichkeit findet: Der Börsenwert liegt nur noch bei rund 55 Mill. DM und ist damit sogar niedriger als der Cash-Bestand abzüglich Schulden.
Mehr Geld als nötig
Trius ist ein Extrembeispiel. Doch eine Reihe von Unternehmen hat offenbar mehr Mittel eingesammelt, als sie zunächst gebrauchen kann. Auch die Münchner Odeon Film AG präsentierte vor dem Börsengang eine lange Liste mit Investitionsideen, um dann knapp die Hälfte der 25,6 Mill. eingesammelten Euro "sehr konservativ" in geldmarktnahen Wertpapieren anzulegen.
Dass viele Millionen Euro auf Festgeldkonten versauern, statt investiert zu werden, ist noch der harmlosere Fall. Abenteuerlich wird es, wenn der Vorstand das untätig im Unternehmen liegende Geld mit Aktienspekulationen an der Börse verzockt.
Spekulieren statt investieren
Ein schillerndes Beispiel hierfür: die Endemann Internet AG (siehe auch Qualitätstest auf Seite 14). Eigentlich sind Internet-Firmen ja Wachstumsunternehmen par excellence, die - so sollte man denken - gar nicht genug frisches Kapital für ihre Expansion bekommen können. Doch Endemann - zum Zeitpunkt des Börsengangs bereits profitabel - wusste offenbar schon bald nicht mehr, wohin mit dem vielen Geld. Vor dem Börsengang (März 1999) hatte Vorstandschef Ingo Endemann zwar im Gespräch mit der Börsen-Zeitung noch gesagt, der Erlös aus dem IPO - 28,8 Mill. DM waren dem Unternehmen netto zugeflossen - solle für den Kauf weiterer Internet-Dienstleister verwendet werden. Doch am Ende des Jahres war ein großer Teil der Mittel noch unangetastet: 19 Mill. DM, so wird in der Bilanz ausgewiesen, fristeten auf einem Festgeldkonto bei der konsortialführenden Gontard & MetallBank ein Mauerblümchendasein - zu einem Zinssatz von "durchschnittlich 2,68 %", wie es im Anhang des Geschäftsberichts heißt. Doch 2,68 % Rendite waren auch Endemann offenbar zu wenig.
McDonald's statt Internet
Im März und April 2000 hat das Unternehmen schließlich gehandelt und rund 8 Mill. DM investiert - allerdings nicht ins eigene Internet-Geschäft, sondern in Aktien wie DaimlerChrysler und McDonald's. Doch da war das Geld alles andere als gut angelegt: Zum Jahresende mussten die Positionen mit bis zu 50 % wertberichtigt werden, wie Vorstandschef Ingo Endemann kürzlich in einem Interview einräumte.
Nachdem feststand, dass sich die erhofften Spekulationsgewinnen in Verluste gewandelt hatten (die übrigens, wie Ingo Endemann einräumte, nicht nur Buchverluste waren, sondern teilweise auch realisiert wurden), gab das Unternehmen eine Gewinnwarnung heraus und entschuldigte sich "in aller Form" bei den Anlegern - die sich wohl noch glücklich preisen können, dass Endemann seine Aktienspekulationen mit Substanzwerten wie DaimlerChrysler und McDonald's und nicht mit Papieren am Neuen Markt getrieben hatte.
2,7 Mill. Euro abgeschrieben
Eine blutige Nase holte sich auch die Microlog Logistics AG auf der Suche nach einer lukrativen Parkmöglichkeit für das eingesackte Geld. Von den im Juni 2000 brutto eingesammelten 42,60 Mill. Euro wanderten 90 % auf die hohe Kante - und zwar dem Vernehmen nach angelegt in einem Spezialfonds, der von der konsortialführenden Commerzbank verwaltet wurde. Doch die Jahresendrally blieb aus, und Microlog musste bereits wenige Monate später Wertberichtigungen von rund 2,7 Mill. Euro vornehmen.
Um den beim Börsengang eingesammelten Geldhaufen schnell abschmelzen zu lassen, muss man weder eine hohe Cash-burn-Rate noch Pech an der Börse haben: Auch vermeintlich sichere Parkmöglichkeiten für die Börsengangsmillionen können sich überraschend als Verlustquellen erweisen.
Ein Tipp vom Konsortialführer
Besonders übel erwischt hätte es um ein Haar den IT-Dienstleister IDS Scheer, der - wohlgemerkt auf ausdrückliche Empfehlung des eigenen Konsortialführers Deutsche Bank - im Jahr 1999 eine kurzfristige Inhaberschuldverschreibung des Baukonzerns Philipp Holzmann über 12 Mill. DM erworben hatte. Mit einem Zinssatz von 2,75 % erschien das Papier alles andere als hochspekulativ.
Doch bereits nachdem der Konkurs von Holzmann abgewendet wurde, hatte die Deutsche Bank, bei der IDS auch sein Geschäftskonto unterhielt, den von Holzmann zurückgezahlten Betrag flugs wieder storniert. Monatelang sah alles danach aus, dass IDS Scheer um die Totalabschreibung der vermeintlich sicher zwischengelagerten Börsengangsmillionen nicht herumkommen würde.
Doch die Geschichte fand noch ein versöhnliches Ende. Nach bangen Monaten des Wartens hat die Deutsche Bank das Geld schließlich wieder gutgeschrieben - einschließlich 2,75 % Zinsen.
Viele haben andere Sorgen
Der Mehrzahl der Unternehmen am Neuen Markt wird die Sorge, was sie nur mit dem Geld aus dem Börsengang machen sollen, angesichts hoher Cash-burn-Raten jedoch ziemlich fremd sein. Zum Beispiel dem Internet-Co-Shopper Letsbuyit.com, der keine sechs Monate nach dem Börsengang fast den gesamten zugeflossenen Betrag von brutto 62,3 Mill. Euro verpulvert hatte. An den Gedanken, mit dem Geld zwischenzeitlich ein bisschen zu zocken, hat das Management mit Sicherheit keine Minute verschwendet.
Wer bei Börsengängen am Neuen Markt Aktien zeichnet, der denkt: Das Geld, das er hergibt, soll künftig nicht in Witwen- und Waisenpapieren angelegt sein, sondern als hochverzinsliches Risikokapital. Floppt die Geschäftsidee, dann sind die vielen Millionen Euro, die beim Going Public eingesammelt wurden, zwar schneller verpulvert, als der Finanzchef rechnen kann.
Geht die Firmenstrategie jedoch auf, dann vermehrt sich jeder eingesammelte Euro in der Hand des Unternehmens in Windeseile, und mit den Gewinnen ist es bald wie mit der Richterskala: Nach oben gibt es keine Grenze. Doch nicht jedes Unternehmen verwendet das eingesammelte Geld tatsächlich so, wie es dem Geist des Neuen Marktes entspricht.
Sparstrumpf-Performance
Es gibt Fälle, da werden die vielen Millionen Euro weder im operativen Geschäft verpulvert noch vermehrt, sondern in der Bilanz des selbst ernannten "Wachstumsunternehmens" unter der Position "Liquide Mittel" eingemottet - angelegt als Festgeld zu Zinssätzen, die nur die Performance von Omas Sparstrumpf schlagen können. Dabei ist das Ritual, das vor Börsengängen abgespult wird, im Prinzip immer das gleiche. Der Vorstand präsentiert den potenziellen Anlegern seinen Businessplan und seine Wachstumsstrategie, und der Tenor der Vorstellung ist: Wir brauchen jetzt ganz dringend Geld, damit wir schnell wachsen können. "Jetzt muss die Marke aufgebaut werden! Die Nische muss unverzüglich besetzt werden, sonst kommt ein anderer! Wenn wir ganz vorne mit dabei sein wollen, müssen wir investieren - viel und schnell", heißt es dann sinngemäß.
Unberührte Millionen
So etwa geschah es auch bei dem Software-Anbieter Trius. Vor dem Börsengang hatte es geheißen, das beim IPO eingenommene Geld solle in die Weiterentwicklung der eigenen Telefonsoftware und den Aufbau eines internationalen Vertriebs gesteckt werden. Doch ein knappes Jahr nach dem Going Public stehen die eingesammelten 66,5 Mill. DM noch in fast jungfräulicher Unberührtheit in der Bilanz: 63 Mill. DM, angelegt als Festgeld zu rund 5 % Zinsen. Damit machen die liquiden Mittel mehr als 90 % der Bilanzsumme aus. Und offensichtlich trauen die Anleger dem Unternehmen auch nicht zu, dass es für das Geld noch eine bessere Investitionsmöglichkeit findet: Der Börsenwert liegt nur noch bei rund 55 Mill. DM und ist damit sogar niedriger als der Cash-Bestand abzüglich Schulden.
Mehr Geld als nötig
Trius ist ein Extrembeispiel. Doch eine Reihe von Unternehmen hat offenbar mehr Mittel eingesammelt, als sie zunächst gebrauchen kann. Auch die Münchner Odeon Film AG präsentierte vor dem Börsengang eine lange Liste mit Investitionsideen, um dann knapp die Hälfte der 25,6 Mill. eingesammelten Euro "sehr konservativ" in geldmarktnahen Wertpapieren anzulegen.
Dass viele Millionen Euro auf Festgeldkonten versauern, statt investiert zu werden, ist noch der harmlosere Fall. Abenteuerlich wird es, wenn der Vorstand das untätig im Unternehmen liegende Geld mit Aktienspekulationen an der Börse verzockt.
Spekulieren statt investieren
Ein schillerndes Beispiel hierfür: die Endemann Internet AG (siehe auch Qualitätstest auf Seite 14). Eigentlich sind Internet-Firmen ja Wachstumsunternehmen par excellence, die - so sollte man denken - gar nicht genug frisches Kapital für ihre Expansion bekommen können. Doch Endemann - zum Zeitpunkt des Börsengangs bereits profitabel - wusste offenbar schon bald nicht mehr, wohin mit dem vielen Geld. Vor dem Börsengang (März 1999) hatte Vorstandschef Ingo Endemann zwar im Gespräch mit der Börsen-Zeitung noch gesagt, der Erlös aus dem IPO - 28,8 Mill. DM waren dem Unternehmen netto zugeflossen - solle für den Kauf weiterer Internet-Dienstleister verwendet werden. Doch am Ende des Jahres war ein großer Teil der Mittel noch unangetastet: 19 Mill. DM, so wird in der Bilanz ausgewiesen, fristeten auf einem Festgeldkonto bei der konsortialführenden Gontard & MetallBank ein Mauerblümchendasein - zu einem Zinssatz von "durchschnittlich 2,68 %", wie es im Anhang des Geschäftsberichts heißt. Doch 2,68 % Rendite waren auch Endemann offenbar zu wenig.
McDonald's statt Internet
Im März und April 2000 hat das Unternehmen schließlich gehandelt und rund 8 Mill. DM investiert - allerdings nicht ins eigene Internet-Geschäft, sondern in Aktien wie DaimlerChrysler und McDonald's. Doch da war das Geld alles andere als gut angelegt: Zum Jahresende mussten die Positionen mit bis zu 50 % wertberichtigt werden, wie Vorstandschef Ingo Endemann kürzlich in einem Interview einräumte.
Nachdem feststand, dass sich die erhofften Spekulationsgewinnen in Verluste gewandelt hatten (die übrigens, wie Ingo Endemann einräumte, nicht nur Buchverluste waren, sondern teilweise auch realisiert wurden), gab das Unternehmen eine Gewinnwarnung heraus und entschuldigte sich "in aller Form" bei den Anlegern - die sich wohl noch glücklich preisen können, dass Endemann seine Aktienspekulationen mit Substanzwerten wie DaimlerChrysler und McDonald's und nicht mit Papieren am Neuen Markt getrieben hatte.
2,7 Mill. Euro abgeschrieben
Eine blutige Nase holte sich auch die Microlog Logistics AG auf der Suche nach einer lukrativen Parkmöglichkeit für das eingesackte Geld. Von den im Juni 2000 brutto eingesammelten 42,60 Mill. Euro wanderten 90 % auf die hohe Kante - und zwar dem Vernehmen nach angelegt in einem Spezialfonds, der von der konsortialführenden Commerzbank verwaltet wurde. Doch die Jahresendrally blieb aus, und Microlog musste bereits wenige Monate später Wertberichtigungen von rund 2,7 Mill. Euro vornehmen.
Um den beim Börsengang eingesammelten Geldhaufen schnell abschmelzen zu lassen, muss man weder eine hohe Cash-burn-Rate noch Pech an der Börse haben: Auch vermeintlich sichere Parkmöglichkeiten für die Börsengangsmillionen können sich überraschend als Verlustquellen erweisen.
Ein Tipp vom Konsortialführer
Besonders übel erwischt hätte es um ein Haar den IT-Dienstleister IDS Scheer, der - wohlgemerkt auf ausdrückliche Empfehlung des eigenen Konsortialführers Deutsche Bank - im Jahr 1999 eine kurzfristige Inhaberschuldverschreibung des Baukonzerns Philipp Holzmann über 12 Mill. DM erworben hatte. Mit einem Zinssatz von 2,75 % erschien das Papier alles andere als hochspekulativ.
Doch bereits nachdem der Konkurs von Holzmann abgewendet wurde, hatte die Deutsche Bank, bei der IDS auch sein Geschäftskonto unterhielt, den von Holzmann zurückgezahlten Betrag flugs wieder storniert. Monatelang sah alles danach aus, dass IDS Scheer um die Totalabschreibung der vermeintlich sicher zwischengelagerten Börsengangsmillionen nicht herumkommen würde.
Doch die Geschichte fand noch ein versöhnliches Ende. Nach bangen Monaten des Wartens hat die Deutsche Bank das Geld schließlich wieder gutgeschrieben - einschließlich 2,75 % Zinsen.
Viele haben andere Sorgen
Der Mehrzahl der Unternehmen am Neuen Markt wird die Sorge, was sie nur mit dem Geld aus dem Börsengang machen sollen, angesichts hoher Cash-burn-Raten jedoch ziemlich fremd sein. Zum Beispiel dem Internet-Co-Shopper Letsbuyit.com, der keine sechs Monate nach dem Börsengang fast den gesamten zugeflossenen Betrag von brutto 62,3 Mill. Euro verpulvert hatte. An den Gedanken, mit dem Geld zwischenzeitlich ein bisschen zu zocken, hat das Management mit Sicherheit keine Minute verschwendet.