Können Märkte lügen? Die Theorie
Von Bernd Niquet
Nahezu alle Markttheoretiker und Finanzmarktspezialisten glauben an die "Efficient Market Theory". Das bedeutet, dass man den Markt als effizientes Instrument betrachtet, alle wirtschaftlich relevanten Informationen über einen Sachverhalt in bestmöglicher Weise ans Tageslicht zu bringen - und gleichsam in einem Preissignal zu bündeln. Der Markt ist damit immer klüger als jeder einzelne Marktteilnehmer, weil er stets das Wissen aller Marktteilnehmer widerspiegelt, und somit niemand dauerhaft besser in der Zukunftseinschätzung liegen kann als der Markt. Mit Ausnahme von Ralph Acampora und Bernd Förtsch natürlich.
An diesem Faktum kommt folglich - bis auf die beiden genannten Ausnahmen - niemand vorbei. Eine völlig andere Frage ist es jedoch, was diese "Informationen", die der Markt widerspiegelt, eigentlich über die wirtschaftlichen Realitäten aussagen.
Können Märkte lügen?
Der Markt hat immer Recht
Machen wir hierzu einmal ein Beispiel: In der letzten Zeit sind die Renditen am Bondmarkt steil in die Höhe geschnellt. Viele Marktbeobachter sehen dies als wichtiges Zeichen für einen nahenden Konjunkturaufschwung. Und ihre Begründung lautet: Der Markt zeigt es uns an! Eine bessere Konjunktur bedeutet eine Steigerung der Kreditnachfrage und möglicherweise auch einen Anstieg der Inflation, was beides gleichzeitig zu steigenden Zinsen führt.
Der Markt mit seinen steigenden Zinsen zeigt uns also etwas an, so diese Marktbeobachter, was wir selbst noch nicht wissen, nämlich ein Anziehen der Konjunktur. Der Markt spiegelt uns also die wirtschaftliche Realität der Zukunft bereits jetzt wider. Ganz generell kann man daher, glaubt man dieser These, aus der Beobachtung des Marktgeschehens etwas lernen, was man vorher noch nicht wusste. Man kann aus den Marktpreisen Informationen beziehen, über die man anderweitig nicht verfügen würde.
Glauben oder Wissen? So weit - so logisch. Oder etwa doch nicht? Nähme man nun diese Zeichen aus dem Bondmarkt als Grund für ein Engagement am Aktienmarkt, dann würden wir uns in einer völlig selbstreferentiellen Situation befinden: Der eine Markt steigt deswegen, weil der andere auch gestiegen ist. Doch warum ist eigentlich der andere Markt, nämlich der für Bonds, überhaupt gestiegen? Weil die Bondanleger glauben, dass das eben geschilderte Konjunkturszenario eintreten wird. Sie glauben es, doch sie wissen es nicht! Und das ist ein ganz entscheidender Unterschied!
Der Renditeanstieg am Bondmarkt zeigt also nur, dass die Marktteilnehmer in der Mehrzahl glauben, dass die Konjunktur anzieht. Doch hierfür den Begriff "Information" oder "Wissen" zu benutzen, wie die Vertreter der Effizienzmarkt-Theorie dies in der Regel tun, ist folglich natürlich gänzlich falsch. Der Markt hat zwar immer Recht in der Widerspiegelung unserer gegenwärtigen Einschätzung der Zukunft. Doch die Fakten und die wirtschaftliche Realität muss er damit bei weitem nicht treffen. Ich erinnere nur an das Jahr 1994, als wir aufgrund von Inflationssorgen die größte Bondbaisse der Nachkriegszeit hatten, die sich jedoch zu 100 Prozent als Fehleinschätzung entpuppt hat.
Das große Paradox
Wir kommen damit also zu folgendem Paradox: DER MARKT HAT ZWAR IMMER RECHT, LIEGT DAMIT JEDOCH NICHT IMMER RICHTIG.
Noch schwieriger wird es schließlich, wenn man auch strategische Operationen der Marktteilnehmer mit einbezieht. Denn dann können wir nicht nur zu Marktphasen kommen, in denen der Markt sich irrt, sondern, wie Ralf Flierl das neulich ganz meisterlich im "Going Public Magazin" vorgeführt hat, in denen der Markt die Anleger sogar anlügt.
Lassen wir dabei einmal die grundsätzliche Problematik außen vor, dass Lügen ein bewusster Akt ist, weshalb wir dem Markt in diesem Fall auch eine eigene Persönlichkeit und eine eigene Intelligenz zubilligen müssten, dann ergibt sich ein derartiges Lügenphänomen folgendermaßen:
Von Bernd Niquet
Nahezu alle Markttheoretiker und Finanzmarktspezialisten glauben an die "Efficient Market Theory". Das bedeutet, dass man den Markt als effizientes Instrument betrachtet, alle wirtschaftlich relevanten Informationen über einen Sachverhalt in bestmöglicher Weise ans Tageslicht zu bringen - und gleichsam in einem Preissignal zu bündeln. Der Markt ist damit immer klüger als jeder einzelne Marktteilnehmer, weil er stets das Wissen aller Marktteilnehmer widerspiegelt, und somit niemand dauerhaft besser in der Zukunftseinschätzung liegen kann als der Markt. Mit Ausnahme von Ralph Acampora und Bernd Förtsch natürlich.
An diesem Faktum kommt folglich - bis auf die beiden genannten Ausnahmen - niemand vorbei. Eine völlig andere Frage ist es jedoch, was diese "Informationen", die der Markt widerspiegelt, eigentlich über die wirtschaftlichen Realitäten aussagen.
Können Märkte lügen?
Der Markt hat immer Recht
Machen wir hierzu einmal ein Beispiel: In der letzten Zeit sind die Renditen am Bondmarkt steil in die Höhe geschnellt. Viele Marktbeobachter sehen dies als wichtiges Zeichen für einen nahenden Konjunkturaufschwung. Und ihre Begründung lautet: Der Markt zeigt es uns an! Eine bessere Konjunktur bedeutet eine Steigerung der Kreditnachfrage und möglicherweise auch einen Anstieg der Inflation, was beides gleichzeitig zu steigenden Zinsen führt.
Der Markt mit seinen steigenden Zinsen zeigt uns also etwas an, so diese Marktbeobachter, was wir selbst noch nicht wissen, nämlich ein Anziehen der Konjunktur. Der Markt spiegelt uns also die wirtschaftliche Realität der Zukunft bereits jetzt wider. Ganz generell kann man daher, glaubt man dieser These, aus der Beobachtung des Marktgeschehens etwas lernen, was man vorher noch nicht wusste. Man kann aus den Marktpreisen Informationen beziehen, über die man anderweitig nicht verfügen würde.
Glauben oder Wissen? So weit - so logisch. Oder etwa doch nicht? Nähme man nun diese Zeichen aus dem Bondmarkt als Grund für ein Engagement am Aktienmarkt, dann würden wir uns in einer völlig selbstreferentiellen Situation befinden: Der eine Markt steigt deswegen, weil der andere auch gestiegen ist. Doch warum ist eigentlich der andere Markt, nämlich der für Bonds, überhaupt gestiegen? Weil die Bondanleger glauben, dass das eben geschilderte Konjunkturszenario eintreten wird. Sie glauben es, doch sie wissen es nicht! Und das ist ein ganz entscheidender Unterschied!
Der Renditeanstieg am Bondmarkt zeigt also nur, dass die Marktteilnehmer in der Mehrzahl glauben, dass die Konjunktur anzieht. Doch hierfür den Begriff "Information" oder "Wissen" zu benutzen, wie die Vertreter der Effizienzmarkt-Theorie dies in der Regel tun, ist folglich natürlich gänzlich falsch. Der Markt hat zwar immer Recht in der Widerspiegelung unserer gegenwärtigen Einschätzung der Zukunft. Doch die Fakten und die wirtschaftliche Realität muss er damit bei weitem nicht treffen. Ich erinnere nur an das Jahr 1994, als wir aufgrund von Inflationssorgen die größte Bondbaisse der Nachkriegszeit hatten, die sich jedoch zu 100 Prozent als Fehleinschätzung entpuppt hat.
Das große Paradox
Wir kommen damit also zu folgendem Paradox: DER MARKT HAT ZWAR IMMER RECHT, LIEGT DAMIT JEDOCH NICHT IMMER RICHTIG.
Noch schwieriger wird es schließlich, wenn man auch strategische Operationen der Marktteilnehmer mit einbezieht. Denn dann können wir nicht nur zu Marktphasen kommen, in denen der Markt sich irrt, sondern, wie Ralf Flierl das neulich ganz meisterlich im "Going Public Magazin" vorgeführt hat, in denen der Markt die Anleger sogar anlügt.
Lassen wir dabei einmal die grundsätzliche Problematik außen vor, dass Lügen ein bewusster Akt ist, weshalb wir dem Markt in diesem Fall auch eine eigene Persönlichkeit und eine eigene Intelligenz zubilligen müssten, dann ergibt sich ein derartiges Lügenphänomen folgendermaßen: