K A M P S / das Debakel

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proxicomi:

K A M P S / das Debakel

 
07.01.01 13:37
K A M P S  


Große Brötchen  


Der westfälische Bäckermeister Heiner Kamps hat Europas größtes Brot-Imperium zusammengekauft - und sich damit auch eine Menge Probleme eingebrockt. Hat Kamps zu viel gewagt?

Banker mag Heiner Kamps (45) nicht, Unternehmensberater kommen ihm nicht ins Haus. Und seit einiger Zeit ist Europas Back-Tycoon auch auf Aktienanalysten nicht gut zu sprechen.
Von Angehörigen dieser Zunft musste sich der Gründer der Kamps AG anlässlich des Börsengangs hänseln lassen. "Sie haben wohl zu lange am Ofen gestanden", bekam der Bäckermeister zu hören, als seine Prognosen den Wertpapierrezensenten allzu optimistisch erschienen.
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Inzwischen muss Kamps registrieren, dass immer mehr dieser "meist 25-jährigen Schnösel, die ihren Job dauernd wechseln", den Glauben an die Börsenstory des Back-Magnaten verloren haben.

Vielen Analysten dreht Kamps ein zu großes Rad. Binnen drei Jahren verzehnfachte er seinen Umsatz. In Deutschland kaufte er etliche mittelständische Filialbäckereien, erhöhte die Zahl seiner Geschäfte von rund 450 auf annähernd 1200. In Holland erwarb er vier Firmen. Durch Zukauf von vier Brot-Unternehmen wurde Kamps in diesem Sektor gleich viermal so groß wie der zweitplatzierte Wettbewerber.

Kamps selbst hält sein Back-Imperium für unverwundbar. An seiner Story sei nichts zu mäkeln: Darin stecke noch jede Menge Fantasie. Er sieht schon heute kein Unternehmen, das ihm gefährlich werden kann: "Da ist doch niemand."

Die gelbe Brezel, das Logo der Kamps AG, soll schon bald nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, Spanien, Italien, ja sogar in Russland zum Brötchenkauf animieren.

Helfen soll ihm die Marktbereinigung in vielen europäischen Ländern. Dort arbeiten derzeit noch viele kleine Bäcker. Die meisten Betriebe, da ist Kamps sich ganz sicher, gehen früher oder später in seine Hände über. Der Mann ist Optimist, durch und durch.

Dabei hat er sich in eine knifflige Lage manövriert ­ und das in mehrerlei Hinsicht. Kamps muss erfahren, dass er


nicht in jedem Ballungsraum, wie gewünscht, Filialnetze zukaufen kann;

im Industriegeschäft völlig neuen Problemen und Risiken begegnet;

sich durch die Zukäufe finanziell ziemlich verausgabt hat; zwar erzielt die Firma einen hohen Cashflow, doch die Eigenkapitalquote liegt bei mageren 13 Prozent.
Hat Heiner Kamps sich übernommen?

Eine Kapitalerhöhung, die Entlastung bringen würde, ist derzeit nicht zu machen. Zu schlecht steht die Kamps-Aktie da (siehe "Die Kamps-Aktie").

Bis zum Februar 2000 war die Notiz auf völlig unerwartete Höhen gestiegen, seit der Börseneinführung hatte sich der Preis auf 44 Euro gut verzehnfacht.

Die Euphorie der Finanzwelt war kaum zu bremsen. Mit zwei Kapitalerhöhungen konnte der Master Baker, wie er sich gern vor amerikanischen Anlegern nennt, seine Akquisitionen finanzieren. Zwölf Monate später ist alles anders, der Kurs rutschte zeitweilig bis unter zehn Euro ab. Entsetzlich ungerecht, findet Kamps: "Heute hätten wir den Kurs von damals verdient."

Doch Kamps steckt nicht auf. Er kämpft um Anerkennung. Er will seine Kritiker überzeugen. "Das ist unmöglich", bekam er bei vielen seiner Vorhaben zu hören. Doch er ging trotzdem seinen Weg.

Mit seiner angeborenen Hartnäckigkeit schaffte er es, seiner Heimatstadt, dem westfälischen Bocholt, zu entkommen. Das war nicht einfach, denn sein Weg schien vorgezeichnet. Er wurde als Sohn eines Bäckermeisters geboren; im väterlichen Betrieb fing er an; und dort stünde er wohl noch heute in der Backstube, wenn er nicht nach Höherem gestrebt hätte.

Sein Hobby, der Wasserball, verhalf ihm zum Ausbruch aus provinzieller Enge. Er verdingte sich als Bundesligaspieler in Duisburg, Berlin, Würzburg und Köln.

Nebenher beendete er seine Lehre, arbeitete als Geselle und bereitete sich auf die Meisterprüfung vor, die er 1979 ablegte. Drei Jahre später eröffnete er in Düsseldorf seinen ersten Backwarenladen. Auf insgesamt 20 Filialen dehnte Kamps das Geschäft aus. Anschließend verkaufte er seine Firma an die amerikanische Borden-Gruppe und wurde deren Deutschland-Geschäftsführer.

Als sich Borden 1996 wieder aus Europa zurückzog, kaufte Kamps das Filialgeschäft zurück. Von da an expandierte er ohne Pause. Beim Börsengang 1998 setzte er 325 Millionen Mark um, zwei Jahre später waren es über drei Milliarden Mark.

Kamps erwies sich als Marketinggenie. Mit flotten Sprüchen schaffte er es, als erster Bäcker in die Harald-Schmidt-Show zu kommen. Die Zunftpostille "Back Journal" ehrte Kamps für hervorragende Öffentlichkeitsarbeit zum Wohle der ganzen Innung mit dem "Marktkieker"-Preis.

Dabei ist seine Strategie relativ simpel. Allzu großer Fantasie bedurfte es nicht, den Weg zu gehen, den Günter Fielmann einst in der Optikerbranche beschritten hatte.

Die Situation in der Brötchenzunft ähnelte der bei den Optikern. Die Bäcker klagten über stagnierende Umsätze, bei vielen Betrieben war die Nachfolgefrage nicht gelöst. Eine ideale Grundlage für die Konsolidierung in einem Markt, den sich viele kleine Handwerker und regionale Filialisten teilten.

Wie Fielmann setzte Kamps sich über alle Usancen seiner Zunft hinweg. Klein und fein genügte ihm nicht. Mit Wendeln (Marken: Golden Toast, Lieken Urkorn) übernahm er den größten industriellen Bäcker Deutschlands (Marktanteil: 40 Prozent). An dem französischen Croissant- und Brioche-Hersteller Harry's (nicht zu verwechseln mit der deutschen Toastfabrik Harry) kaufte Kamps sich mit 49 Prozent ein - mit Option auf weitere 51 Prozent. Über Harry's erwarb er den italienischen Produzenten Morato Pane. Und in Holland hatte er kurz zuvor den Brothersteller Schothuis akquiriert.

Der geballte Einstieg ins Industriegeschäft ist teuer erkauft, vor allem die Harry's-Beteiligung. Für eine Mark Umsatz zahlte Kamps eine Mark Kaufpreis. Zudem musste er den Einstieg mit einer Anleihe über 250 Millionen Euro finanzieren; die muss er mit stattlichen 8 Prozent Zinsen bedienen.

Der strategische Sinn der Industriebeteiligungen ist für Branchenexperten nicht ganz nachvollziehbar. "Kamps muss sich entscheiden, ob er intelligenter Händler bleiben oder einen Konzern wie Nestlé aufbauen will", urteilt ein Branchenkenner.

In der Tat, beides passt nicht unbedingt zusammen. Zur Belieferung der eigenen Filialen braucht Kamps die Fabriken nicht; er verfügt bereits über ein Netz regionaler Betriebe.

Also muss er Industrieerzeugnisse wie Toast-, Misch-, Knäckebrot oder Christstollen an den Handel absetzen. Dort aber sind die Margen, im Gegensatz zu seinem Filialgeschäft, knapp. Das dürfte ihm die Durchschnittsrendite herunterziehen.

Es könnte noch schlimmer kommen. Wenn Kamps sich mit einer der großen Handelsketten überwirft, kann ihm schnell mal ein dreistelliger Millionenbetrag beim Umsatz abhandenkommen.

Konfliktpotenzial gibt es genug. Die Lebensmittelhändler haben kein Interesse daran, dass ihr Lieferant immer größer und mächtiger wird. Zumal der ihnen mit seinen Filialen zunehmend Umsatz wegnimmt.

In dieser Gemengelage trifft es sich ungünstig, dass einer seiner wichtigsten Mitarbeiter, der als profunder Handelskenner geltende Vorstand Klaus Ostendorf (54), das Haus verließ. Ein herber Verlust, zumal Kamps beim Tempo seiner Expansion ohnehin kaum nachkommt, sein Management aufzubauen.

Zwar hat er nach eigenen Angaben Leute von Kraft Foods, Unilever und Nestlé abgeworben; doch die hätten lange Kündigungsfristen und stünden deshalb später als geplant zur Verfügung.

Langsamer als gewünscht geht auch die Ausweitung des Filialnetzes im Inland voran. In den Ballungsräumen Frankfurt und München ist Kamps bisher noch nicht vertreten. Es mangelt an geeigneten Übernahmekandidaten.

Obendrein brodelte es im Filialnetz. In Hamburg beschwerten sich Pächter über mangelnde Selbstständigkeit, über Unregelmäßigkeiten bei der Belieferung, über rigide Kontrollen. Ehemalige Kamps-Leute gingen sogar an die Öffentlichkeit.

Prompt sackte Anfang Mai der Kurs um rund 10 Prozent; amerikanische Anleger sahen hohe Regressansprüche auf die Firma zukommen. Kamps behauptete zwar, selbst wenn alle 700 deutschen Pächter klagen würden, existiere ein maximales Risiko von drei bis fünf Millionen Mark pro Jahr. Doch das beruhigte die Investoren nicht.

Zumal es woanders ebenfalls nicht rund läuft. Probleme gibt es bei Kamps' Vorhaben, mit seiner holländischen Kette Bakerstreet ins deutsche Tankstellengeschäft zu kommen. In spätestens drei Jahren will er in mehr als 1000 Benzinstationen frische Backwaren verkaufen. Doch die Vertragsverhandlungen mit den Mineralölgesellschaften ziehen sich.

Derweil bemüht sich der Bäcker, die Analysten davon zu überzeugen, dass die Zahlen seines Unternehmens eigentlich nur besser werden können, und das schon bald. Harry's, so argumentiert er, werde im Jahr 2000 nur für zwei Monate konsolidiert, im folgenden Jahr aber erstmals voll. "Ein Umsatzanstieg von 800 Millionen Mark auf 4 Millarden Mark ist schon heute für 2001 sicher", rechnet Kamps vor und verspricht: "Hinzu kommen weitere Akquisitionen."

Mit derartigen Ankündigungen kann Kamps mittlerweile keinen Analysten mehr begeistern. Die schauen jetzt genauer hin als früher - und reagieren konsequenter.

Als der Kamps-Vorstand im Herbst beschloss, den Goodwill der zugekauften Firmen nicht mehr sofort gegen das Eigenkapital zu verrechnen, sondern sukzessive abzuschreiben, fiel der Kurs um rund 25 Prozent.

Es ist schon schwierig, das Verhältnis zwischen Kamps und den Analysten. Freilich, der Mann weiß, dass es besser ist, sich mit den Wertpapierprofis nicht anzulegen. Schließlich entscheiden sie, ob es mit dem Börsenwert der Firma wieder nach oben geht.

Möglicherweise bringt der Meisterbäcker deshalb neuerdings Verständnis für seine Gesprächspartner auf: "Klar, das ist alles noch neu, die müssen erst Vertrauen fassen."

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Vielleicht zeigte der plötzliche Anflug von Milde auch nur die Vorfreude auf den Urlaub, seinen ersten seit Jahren. Zehn Tage im Schnee gönnt er sich. Fernab von Bankern und Analysten kann das für einen wie Kamps ganz schön erholsam sein.

Petra Schlitt


gruß
proxi
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