Hans Bernecker: Babylonische Sprachverwirrung

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jack303:

Hans Bernecker: Babylonische Sprachverwirrung

 
03.06.02 12:34
Babylonische Sprachverwirrung  


Mails/Nachrichten vom 03.06.2002, Bernecker & Cie.

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Guten Morgen, meine Damen und Herren,
wer in diesen Tagen die Wirtschaftsberichte und Kommentare liest und dazu ergänzend die Schlußfolgerungen für die Börse, glaubt an eine babylonische Sprachverwirrung. Vor 8 Tagen wurde allgemein darüber gerätselt, ob die amerikanische Konjunktur nicht doch noch deutlicher zurückfällt und ein sog. „Double Dipp“ schafft. Daraufhin wurde der Dollar erst einmal auf die Abschußliste gestellt und grundsätzliche Zweifel daran geäußert, ob die Börse überhaupt die Chance einer nachhaltigen Erholung hat. Sie werden sich sicherlich an die verschiedenen Berichte erinnern. Seit Freitag ist alles anders:

Die Aufträge stiegen im April im Industriesektor um 1,2 %. Das ist der stärkste Monatsanstieg seit Oktober letzten Jahres. Betroffen sind vor allem die größeren Güterkategorien Maschinen, elektrische Geräte und Computer. Also der Sektor Ausrüstungsinvestitionen im Gegensatz zu den Lagerinvestitionen. Die Arbeitsproduktivität stieg mit einer Jahresrate von 8,4 % nach 5,5 %. Das wäre der höchste Zuwachs seit 19 Jahren und die Lohnstückkosten ermäßigten sich um 5,2 %. Der Index des Verbrauchervertraues stieg von 93 auf 96,9 Punkte und der Einkäuferindex (Chicago) von 54,7 auf 60,8 %. Urteilen Sie selbst.

Die Börse ging mit folgenden technischen Daten ins Wochenende: Die A/D-Linien liegen in beiden Märkten (Nyse und Nasdaq) im positiven Bereich. Die Relation new highs/new lows sprang an der Nyse sofort auf 3:1 und an der Nasdaq auf 1,1:1. Das Upside-Volume an der Nyse stellt sich auf 2:1 und nur an der Nasdaq ist es umgekehrt bei 1:3. Womit wir wieder beim Thema sind:

Die Konjunkturtitel laufen weiter und zeigen nur eine kleine Schwankungsbreite für technische Korrekturen. So z. B. PHILIP MORRIS oder PROCTER & GAMBLE um 3 - 4 %, um anschließend sofort wieder einen neuen Topkurs zu erreichen. Deshalb ist MOT mit 57 $ ein neuer Kauf, nachdem soeben 5,6 Mrd $ in die Kasse fließen, weil der Verkauf der Brauerei-Tochter perfekt ist. Diese Entscheidung sollten Sie heute treffen. SEARS schaffte ebenfalls einen neuen Rekord mit 59 $, und ich bitte, die AB noch einmal nachzulesen. WASHINGTON MUTUAL erreichte ebenfalls 39,20 $ als Jahrestop, und ich hatte diese Aktie soeben zum Kauf empfohlen. In der nächsten AB steht die Ergänzung dazu. Die Liste läßt sich fortsetzen. Schwierig wird es bei COCA-COLA, weil eine Patentklage droht. Also bitte absichern oder Kasse machen und 5 % niedriger den Rückkauf planen. Solche Dinge sind nicht zu vermeiden.

Die Technologieszene bleibt ein Vabanquespiel. Ich sehe keinen Grund, meine bisherige Zurückhaltung aufzugeben. Einziger Lichtblick: Der NASDAQ 100 TRACKING STOCK hielt sich eisern über 30 $ und darf bekanntlich 28 $ nicht unterschreiten. Zeichnen Sie diesen Chart in der letzten AB täglich nach. Es lohnt sich. Andererseits: PALM war am Freitag mit minus 20 % der große Verlierer. Das klingt natürlich sehr aufregend. Das Umsatz- und Gewinnziel wurde nicht erreicht und darin zeigt sich das Problem der selbstgesetzten Erwartungen durch die Firmen, die anschließend drastisch korrigiert werden müssen. Ich glaube diesen Prognosen nicht. Gleichwohl: Zum Jahresende will PALM das Klassenziel erreicht haben, so daß ein Kurs um 1,60 $ eine spekulative Chance bleibt. Darauf komme ich demnächst noch zurück, denn bei Umsätzen von 55 Mio Stück am Tag sollten zwei, drei Tage abgewartet werden. Gleiches gilt auch für die Internettitel, auf die ich noch zurückkomme. Hier möchte ich aber erst die Zahlen für das 2.Quartal sehen, also in etwa 4 Wochen. Unternehmen Sie vorher nichts.

Mir fällt auf: Die Meinungen zu den Telekomtiteln beginnen sich international zu drehen. Das registriere ich aus mehreren Analysen in den USA, England und sogar Frankreich. Damit läuft die Negativstimmung langsam aus. Ich sehe zwar keinen Grund, jetzt schon unbedingt aktiv zu werden, weise aber darauf hin: Die ersten Titel dieser Art mit sauberer Bewertung und ebenso sauberen Bilanzen beginnen anzuziehen. Achten Sie in diesem Zusammenhang vor allem auf SPRINT (FON), die dafür ein interessanter Indikator sein dürften. KGV übrigens nur 12. Dies ist noch keine direkte Empfehlung, aber eine Anregung.

Läuft die Pharmabaisse langsam aus? Noch nicht ganz. Die Fusionsgespräche GLAXO/BRISTOL MYER’S bestätigen, was ich frühzeitig gesehen habe: Die Pipelines laufen leer und die Genehmigungspraxis für neue Produkte ist erschwert. Der Ausweg sind Fusionen, womit das Problem nicht gelöst ist. Natürlich wird jede Fusion/Übernahme mit einem Agio belegt sein. Darauf zu spekulieren, ist aber reine Glücksache.

Die deutsche Woche beginne ich mit freundlichem Grundton, wie bisher. Meine Indexspekulation (DAX-Aussage) lief in der letzten Woche in die falsche Richtung. Das gilt aber nicht für die wichtigsten Aktien im DAX selbst. Die Schwachstelle bleiben die Technologietitel und weiterhin die zwei Versicherer. Ich registriere insgesamt 5 Abstufungen für ALLIANZ und MÜNCHENER RÜCK, was mich sehr besorgt macht. Darauf bin ich am Freitag schon eingegangen. Alles weitere in der nächsten AB. Hart an der Kante notiert FRESENIUS MEDICAL CARE. Bei 55 E. liegt die Reißleine. Wird der Kurs unterschritten, ist ein weiterer Rückfall zu befürchten. Dafür gibt es fundamental keinen Grund, aber: Steht im Hintergrund eine weitere Prozeßfrage? In Branchenkreisen werden darüber Mutmaßungen angestellt. Plazieren Sie einen Stopkurs. Sollte eine solche Nachricht herauskommen, läßt sich nicht mehr reagieren. Dagegen ist die Negativeinschätzung von PREUSSAG durch einige Analystenteams überzogen. Am Freitag stabilisierte sich der Kurs, aber überzeugend ist das Ganze noch nicht.

Vorsicht vor falschen Dollarprognosen. Plötzlich soll der Dollar kollabieren, wie Sie heute einigen Überschriften in den Zeitungen entnehmen. Ich hatte Ihnen die Dollartendenz schon im März erläutert. Sie hat insgesamt drei Grenzwerte, aber zur Zeit ist der Euro übergekauft oder der Dollar überverkauft. Knöpfen Sie daran auch keine Inflationssorgen der Amerikaner, wie ebenfalls aus einigen Kommentaren abgeleitet wird. Wer jetzt im Euro „long“ geht, lebt gefährlich. Das Gegenteil ist richtig, aber rein markttechnisch sind in einer solchen Phase auch 95 oder sogar 96 Cents für ganz kurze Zeit denkbar. Dafür spricht allein die Art und Weise der Tagesspekulation.

Mein Wochenausblick heißt also: Ich bleibe auf der absolut zuversichtlichen Seite, aber die Differenzierung von Aktie zu Aktie nimmt weiter zu. Das aber ist wiederum eines der besten und sichersten Zeichen dafür, daß der Rückenwind der Konjunktur die jeweiligen Kurse erfaßt. Natürlich unterschiedlich. Denn: Die Markttechnik im DAX (sowohl daily wie weekly) hat sich nur ganz geringfügig verschlechtert, was zu einer zeitlichen Verzögerung der Erholung führt. Darüber morgen mehr.

Herzlichst Ihr

Hans A. Bernecker
 




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