Gedanken über das KGV

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mothy:

Gedanken über das KGV

 
02.07.01 14:26
Rechtfertigen Aktienrückkäufe höhere KGV?
Aus der FTD vom 2.7.2001

Das KGV erscheint uns in den meisten Fällen zu hoch. Doch es gibt
Argumente, dass es heute tatsächlich höher sein darf als früher. Die Rede
ist
diesmal nicht von niedriger Inflation oder vielleicht besserem
Trendwachstum.
Es geht um den Unterschied zwischen Dividenden und
Aktienrückkaufprogrammen. Wenn ein - schon gereiftes - Unternehmen
jährlich um durchschnittlich
fünf Prozent wächst und 50 Prozent seiner Gewinne als Dividenden
ausschüttet, ist es bei einem Diskontsatz von acht Prozent theoretisch
(fair) mit
einem KGV von 16,67 zu bewerten. Der Diskontsatz ist die erwartete
Aktienrendite und setzt sich zusammen aus einem risikolosen Zins und einer
Risikoprämie für Aktien. Als risikolosen Zins kann man zum Beispiel die
Rendite
auf zehnjährige Bundesanleihen nehmen, die im Moment bei rund fünf
Prozent steht. Wenn man bei Aktien mit einem Diskontsatz von acht Prozent
rechnet, bedeutet das dann, dass man von ihnen im Vergleich zu
Bundesanleihen
eine um drei Prozent höhere Rendite erwartet. Die Aktienrisikoprämie
beträgt also drei Prozent.

Wenn eine mit dem 16,67fachen des Gewinns bewertete Firma 50 Prozent
ausschüttet, liegt die Dividendenrendite bei genau drei Prozent. Bei einer
persönlichen Steuerquote von einem Drittel ist die Nachsteuer-Rendite des
Anlegers
zwei Prozent. Dazu kommen Kursgewinne, die bei konstantem KGV so hoch
ausfallen wie das Gewinnwachstum, im Beispiel also fünf Prozent. Wer die
Aktie
lang genug hält und insofern keine Steuern auf Kursgewinne bezahlen muss,
kann also insgesamt mit einer Nachsteuer-Rendite von sieben Prozent
rechnen.

Schüttet das Unternehmen die Hälfte des Gewinns statt als Dividenden
durch Aktienrückkäufe aus, steigt der Kurs der Aktie dadurch für sich
genommen jährlich um drei Prozent. Dazu kommen wieder fünf Prozent durch
Gewinnsteigerungen. Eine genügend lange Haltefrist vorausgesetzt, und die
Nachsteuerrendite liegt um ein Prozent höher als bei der
Dividendenausschüttung.

Dem privaten Anleger sind Rückkäufe daher prinzipiell lieber. Wenn es
dabei bleibt, dass das Dividenden zahlende Unternehmen mit dem 16,67fachen
des Gewinns bewertet wird, wird er für die Kapital rückkaufende Firma
entsprechend mehr zahlen. Rechnet er bei letzterer mit einem Diskontsatz
von
sieben statt acht Prozent, wird er bereit sein, genau das 25fache des
Gewinns zu bezahlen. Das ähnelt auffällig dem Unterschied zwischen der
früheren Aktienbewertung und der heutigen. Tatsächlich haben
Aktienrückkaufprogramme in den USA seit 1997 einen höheren Wert als
Dividenden.
Allerdings ist das alles sehr theoretisch. Viele Unternehmen zahlen
noch Dividenden. Nicht alle Anleger bezahlen Steuern. Rückkäufe wurden in
den USA oft über neue Schulden finanziert. Konterkariert wird der Effekt
von Aktienrückkäufen zudem durch die vielen Mitarbeiter-Optionsprogramme.
Alles in allem liegt die Ausschüttung nicht bei drei, sondern bei zwei
Prozent. Schließlich wird oft nur versucht, mit Rückkäufen negative
Meldungen
zu kaschieren.
Daher rechtfertigen Rückkäufe nur dann ein höheres KGV als
Dividenden, wenn alle diese Einschränkungen im Einzelfall nicht zutreffen.
Doch die Politiker müssen sich fragen, ob ihr Steuerrecht stimmt.
Es gibt keine neuen Beiträge.


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