von Prof. Dr. Max Otte
Zum Jahresanfang kann ich Ihnen leider keine Entwarnung geben. Aber für den strategisch denkenden Investor ist Realismus besser als Zweckoptimismus. Mit der richtigen Strategie lassen sich zwar keine Luftsprünge machen, aber Sie können auch die Baisse einigermaßen unversehrt überstehen.
In der Nachkriegsgeschichte hat noch keine Baisse länger als drei Jahre gedauert. Aber daran sollte man sich nicht festklammern. Es gab auch noch keinen Börsenboom, der fast 18 Jahre mit nur geringen Unterbrechungen andauerte.
Doch meine Botschaft kommt an: IfVB setzt nicht auf schnelle Erfolge, sondern auf langfristige Strategien. Und "heiße Tipps" gibt es bei uns nicht. Das wird von vielen Privatanlegern, die sich mit Bankempfehlungen oder Fonds die Finger verbrannt haben, honoriert. Fakt ist, dass sich in den letzten Jahren nur die sehr hohen Bewertungen vieler Unternehmen korrigiert haben und die reinen Phantasieunternehmen zudem vom Markt verschwunden sind.
Mit vielen solcher Phantasieunternehmen haben die Anleger Totalverlust erlitten. Der Neue Markt entpuppte sich als Desaster und wurde aufgelöst. Auch wir haben am Neuen Markt investiert. Obwohl die Entwicklung unserer Portfolios auch keinen Grund zur besonderen Freude gibt, bin ich froh, keinen Totalverlust oder annähernden Totalverlust dabei zu haben.
Mit Qualitätsaktien verdient man immer
Im Revolutionärsportfolio liegen einige starke Flops (MLP, Qiagen, Aixtron und China Mobile), die alle mit 70 Prozent oder mehr im Minus sind. Allen diesen Unternehmen traue ich aber weiteres profitables Wachstum und damit eine Erholung des Aktienkurses zu. Aktien wie Broadvision, Cisco Systems oder Sun Microsystems haben wir verkauft, bevor der Totaleinbruch kam. Beim Verkauf haben wir uns getreu unserer Investitionsphilosophie Zeit gelassen - es ist fast unmöglich, den Höchst- oder Tiefstand zu timen.
Wenn Sie ein Portfolio aufbauen, werden Sie nur einen kleinen Anteil Revolutionäre dabei haben, denn diese sind bestenfalls das "Salz in der Suppe" - nicht jedoch das Fundament einer soliden Anlagestrategie. Mit den Kaufleute-, Königs- und Revolutionärsportfolios bin ich seit dem 3.11.99 voll
investiert. Die Kaufleute schlagen den DAX, die Könige schlagen den DAX sogar sehr deutlich um mehr als 13 Prozent. Mit meinen 100 Prozent- Portfolios will ich zeigen, dass Sie am Aktienmarkt IMMER zu 100 Prozent investiert sein können und langfristig Geld verdienen, wenn Sie Qualitätsaktien auswählen.
Cashanteil von 40 Prozent
Das im August aufgelegte Wachstumsportfolio liegt derzeit mit 6,35 Prozent im Minus. In diesem Portfolio berücksichtige ich die konjunkturelle Lage und halte derzeit einen Cashanteil von 40 Prozent. Wahrscheinlich werde ich den Cashanteil bald weiter erhöhen - keine Entwarnung!
Der "Preis" einer Aktie berechnet sich nach dem KGV - Aktienkurs, geteilt durch Gewinne pro Aktie. Wenn die Kurse fallen, gleichzeitig aber die Gewinne einbrechen, verändert sich der Preis überhaupt nicht. Diese Situation hatten wir in den letzten Jahren. Jetzt glauben viele Analysen, wieder wachsende Gewinne in den USA und Europa zu sehen. Ich halte dies für Zweckoptimismus. Während in den letzten Jahren lediglich psychologische Überbewertungen abgebaut wurden, hatten wir noch keine richtige Rezessionen, sondern nur einige "Rezessiönchen". Ich bin der Überzeugung, dass sich die reale Wirtschaft weiter verlangsamen wird.
Eine Rezession bedeutet nicht den Weltuntergang. Rezessionen gehören zur Wirtschaft wie die Grippe zum Menschen. Aber Sie können gewisse Vorsichtsmassnahmen treffen. Also rate ich Ihnen: behalten Sie Ihr Bar- oder Ihr Termingeld, oder Ihre Staatsanleihen, wenn Sie noch welches haben. (Eine Ausnahme: Aktiensparer mit einem Aktiensparplan sollten eisern weitermachen.)
Perspektiven für 2003
U.S.-Aktien Amerika hat den am besten entwickelten Aktienmarkt der Welt. Auch meine Portfolios sind amerikalastig. Schon oft wurde vorhergesagt, dass Europa Amerika überholen würde, und noch immer hatte in der Nachkriegszeit Amerika das dauerhaftere Wirtschaftswachstum. Ich bin aber davon überzeugt, dass nach 18 Jahren Hausse (1982 - 2000) auch die US-Wirtschaft etwas müde geworden ist und erwarte mir keine Wunder. George Bush jun. will "seinen" Krieg und wird ihn wohl auch bekommen. Die US- Konsumnachfrage ist für rund 20 Prozent des Welt-Bruttosozialoprodukts verantwortlich. In den letzten beiden Jahren, als die Unternehmen ihre Investitionen drastisch zurückschraubten, hat nur noch die Konsumnachfrage das Wachstum getragen. Ewig kann das aber aufgrund der hohen Verschuldung der U.S.-Haushalte nicht weitergehen.
Dollarkurs: Hinzu kommt, dass die Auslandsschulden der größten Wirtschaftsnation der Erde geradezu explodieren. Mittlerweile machen die Auslandsschulden Amerikas 40% des Bruttosozialprodukts aus - das ist mehr als bei einigen Entwicklungsländern. Die Gläubiger sind - Japan, Arabien und Europa. Irgendwann muss das Konsequenzen haben - der Dollar muss fallen. Im letzten Jahr ist der Euro schon um über 10% gestiegen - diese Entwicklung muss weitergehen. Es ist nur die Frage, ob die Notenbanken eine langsame Veränderung hinbekommen, oder ob der Dollar in einen freien Fall übergeht.
"Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht," sprach Heinrich Heine vor 150 Jahre aus. Mittlerweile sind wir zwar keine kriegerische Nation mehr, aber eine selbstgefällige, reformunfähige Wohlstandsinsel, die immer tiefer ins Meer sinkt. Manche DAX-Werte sind geradezu lächerlich billig (Bayer. Hypo- und Vereinsbank, Commerzbank, ThyssenKrupp) - aber zu recht. Die Zukunftsperspektiven deutscher Unternehmen sind sehr, sehr schlecht. Ich befürchte, dass es schlimmer
werden muss, bevor es besser wird.
Japan kommt aus der Krise nicht heraus. Im November konnte man kurz an eine Erholung glauben, mittlerweile kratzt der Nikkei wieder an seinen Tiefständen der letzten Jahre. In 10 Jahren 80 Prozent Verlust - das darf es bei einem großen Index nicht geben. Asien ist und bleibt für Langfristanleger problematisch. Und vom chinesischen Aufschwung werden vor allem die Chinesen selber profitieren.
Anleihen: auch 2003 gehören Top-Anleihen oder Termingelder in ein ausgewogenes Portfolio. Sie sollten aber wirklich nur erstklassige Staatsanleihen nehmen.
Schweizer Franken: Schweizer Staatsanleihen liefern eine Rendite, welche deutlich unter deutschen oder amerikanischen Anleihen liegt. Darin drückt sich aber die Solidität des Schweizer Franken aus. Nehmen Sie auch Schweizer Anleihen mit in Ihr Portfolio und Sie können sich wahrscheinlich über erfreuliche Währungsgewinn freuen.
Gold: Am Gold scheiden sich bekanntlich die Geister. Ich persönlich bin kein Gold-Freund (und schon gar kein Goldminen-Aktien-Freund), aber im letzten Jahr stieg der Goldpreis um über 20 Prozent. Das könnte sich fortsetzten. Aber: ein Großteil des Goldes wird heutzutage industriell verarbeitet. In einer Krise sinkt auch die Nachfrage nach industriellem Gold. Wenn Sie unternehmungslustig sind und Geld übrig haben, können sie in Gold investieren. Ansonsten halte ich Staatsanleihen, Termingelder oder Aktien von Ölkonzernen für die bessere Risikominimierung.
Aktien gehören in (fast) jedes Portfolio, auch jetzt. Beschränken Sie sich aber auf die absoluten Top- Werte und gestalten Sie einen individuellen Cashanteil.
Ebay - als einzigen Einzelwert möchte ich eBay herausstellen, die aus meiner Sicht weitaus beste Unternehmensneugründung der neunziger Jahre. Ja, das Unternehmen hat ein KGV von 70. Aber Top- Qualität ist sehr teuer. Vielleicht können Sie bei eBay die derzeitige leichte Schwächephase noch abwarten, aber warten Sie nicht zu lange.
Die IFVB GmbH, gegründet von Prof. Dr. Max Otte, ist Deutschlands erste Internet-Gemeinschaft für den privaten Vermögensaufbau. Mitglieder haben die Möglichkeit, das umfangreiche Angebot und den Börsenbrief zu nutzen. Kernstück ist die detallierte Analyse von Top-Unternehmen mit für Privatinvestoren nachvollziehbaren Prinzipien und Kriterien.