Das Kapital: Warum es der Neue Markt noch nicht schafft
Er hat es nicht geschafft. Trotz der Anfangseuphorie hat der Neue Markt die psychologisch wichtige 1000-Punkte-Marke nicht halten können.
Der vorsichtige Ausblick des US-Notenbankpräsidenten Alan Greenspan hat die Anleger auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Neben der unsicheren wirtschaftlichen Lage gibt es weitere Gründe, die eine echte Erholung des Neuen Marktes vorerst unwahrscheinlich machen. Der wichtigste ist die Bewertung. Obwohl der Nemax All Share seit der Spitze um fast 90 Prozent gefallen ist, sind viele der Werte nicht billig. Die Umsatzerwartungen haben sich oft ebenso drastisch verringert wie die Kurse. T-Online , der schwerste Wert, kostet immer noch 6,4-mal den für 2002 erwarteten Umsatz. Gewinne sind für eine ganze Zeit noch nicht in Sicht.
Der zweite Grund ist die Enge des Marktes. Als der Nemax All Share mit dem Stand von 1000 Punkten gebildet wurde, enthielt er nur 15 Unternehmen. Heute besteht er aus über 300 Unternehmen, die zusammen einen Börsenwert von 43 Mrd. Euro erreichen. Das ist weniger als der Dax-Wert Eon allein auf die Waage bringt. Im Neuen Markt wurden am Mittwoch Aktien im Wert von rund 190 Mio. Euro gehandelt, wenig mehr als bei Bayer .
Zudem ist der Anteil der frei handelbaren Aktien bei vielen Titeln des Neuen Marktes gering. Die absoluten Kurswerte sind niedrig, oft liegen sie nahe 1 Euro oder darunter. Zusammen führt das dazu, dass geringe Anlässe zu Verdopplungen oder Verdreifachungen der Kurse führen können, die eben so schnell wieder verpuffen. Das ist ein Paradies für Zocker, aber nichts für längerfristige Anleger. Die Deutsche Börse räumt mit den Pennystocks auf, aber es wird etwas dauern, bis die Spreu vom Weizen getrennt ist.
Zudem dürften viele Fonds, sowie Mitarbeiter und Vorstände der Unternehmen am Neuen Markt noch über Aktienpakete verfügen, die sie lieber heute als morgen los werden wollen. Damit besteht die Gefahr, das ein Kursanstieg auf breiter Front zur Bereinigung dieser Portfolios genutzt wird und er deshalb schnell wieder gedeckelt wird. Auch werden noch einige Unternehmen wegen Zahlungsunfähigkeit den Markt verlassen. Bis die Bereinigung abgeschlossen ist, bleibt der Einstieg in das Segment hoch spekulativ.
In den vergangenen 24 Monaten hat sich der Nemax schlechter entwickelt als der Gesamtmarkt. Das dürfte sich nicht so schnell ändern. Im Dax und MDax gibt es genug Werte, die im Gegensatz zu den Nemax-Titeln finanziell solide und vertretbar bewertet sind.
Euro
Seit gut zwei Monaten bewegt sich der Eurokurs zum Dollar überwiegend im Band von 90 bis 92 Cent. Für die junge und flatterhafte Einheitswährung ist das eine relativ lange Zeit der Stabilität. Zu Recht richten sich nur wenige Marktteilnehmer darauf ein, dass der Wechselkurs in diesem Bereich bleibt.
Long-Positionen überwiegen deutlich, das heißt, es wird an den Terminmärkten auf einen steigenden Eurokurs spekuliert. Allein diese einseitige Positionierung der Marktteilnehmer macht eine längere Fortsetzung der Seitwärtsbewegung unwahrscheinlich. Denn wenn sich die Aufwertung nicht tatsächlich einstellt, bringt die Schließung der Long-Positionen Abwärtsdruck für den Euro. Die wahrscheinlicheren Szenarien sind entweder eine schnelle und kräftige Abwertung oder eine langsame Aufwertung.
Die Asymmetrie der Szenarien resultiert daher, dass eine Abwertung die Spekulanten zur schnellen Schließung ihrer Positionen zwingt, was die Abwertungstendenz verstärkt. Diesen Verstärkungseffekt gibt es im Aufwertungsfall nicht.
Fundamental spricht so gut wie alles für einen stärkeren Euro und einen schwächeren Dollar. Gemessen an der Kaufkraft ist der Dollar überbewertet. Der Glaube an das Produktivitätswunder in Amerika hat sich weitgehend verflüchtigt. Das macht es noch schwerer als vorher sich vorzustellen, dass das hohe Leistungsbilanzdefizit der USA auf Dauer gehalten werden kann. Die extrem niedrige Sparquote der US-Haushalte schreit geradezu nach einer Korrektur. Tritt sie ein, was durch die Verunsicherung der Konsumenten, durch die Terroranschläge am 11. September und die zunehmende Milzbrand-Panik immer wahrscheinlicher wird, gibt es kaum Raum für eine deutliche konjunkturelle Erholung in den nächsten Jahren.
Was dem Devisenmarkt noch fehlt, sind Beweise. Begründete Vermutungen reichen nicht mehr, nachdem der Dollar den Abwertungspropheten so lange erfolgreich getrotzt hat. Was den Konsum angeht, sollten die harten Daten bald kommen und ihre Wirkung entfalten. Was die Kapitalzuflüsse zur Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits angeht, so hat die unerwartete Aktienrally der letzten beiden Wochen den Optimisten erst einmal Nahrung gegeben und den Dollar gestützt. Ob sich diese Rally unbeeindruckt von den absehbar schlechten Quartalsberichten der Unternehmen, die nun ins Haus stehen, fortsetzt, ist aber sehr zweifelhaft.
© 2001 Financial Times Deutschland
Er hat es nicht geschafft. Trotz der Anfangseuphorie hat der Neue Markt die psychologisch wichtige 1000-Punkte-Marke nicht halten können.
Der vorsichtige Ausblick des US-Notenbankpräsidenten Alan Greenspan hat die Anleger auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Neben der unsicheren wirtschaftlichen Lage gibt es weitere Gründe, die eine echte Erholung des Neuen Marktes vorerst unwahrscheinlich machen. Der wichtigste ist die Bewertung. Obwohl der Nemax All Share seit der Spitze um fast 90 Prozent gefallen ist, sind viele der Werte nicht billig. Die Umsatzerwartungen haben sich oft ebenso drastisch verringert wie die Kurse. T-Online , der schwerste Wert, kostet immer noch 6,4-mal den für 2002 erwarteten Umsatz. Gewinne sind für eine ganze Zeit noch nicht in Sicht.
Der zweite Grund ist die Enge des Marktes. Als der Nemax All Share mit dem Stand von 1000 Punkten gebildet wurde, enthielt er nur 15 Unternehmen. Heute besteht er aus über 300 Unternehmen, die zusammen einen Börsenwert von 43 Mrd. Euro erreichen. Das ist weniger als der Dax-Wert Eon allein auf die Waage bringt. Im Neuen Markt wurden am Mittwoch Aktien im Wert von rund 190 Mio. Euro gehandelt, wenig mehr als bei Bayer .
Zudem ist der Anteil der frei handelbaren Aktien bei vielen Titeln des Neuen Marktes gering. Die absoluten Kurswerte sind niedrig, oft liegen sie nahe 1 Euro oder darunter. Zusammen führt das dazu, dass geringe Anlässe zu Verdopplungen oder Verdreifachungen der Kurse führen können, die eben so schnell wieder verpuffen. Das ist ein Paradies für Zocker, aber nichts für längerfristige Anleger. Die Deutsche Börse räumt mit den Pennystocks auf, aber es wird etwas dauern, bis die Spreu vom Weizen getrennt ist.
Zudem dürften viele Fonds, sowie Mitarbeiter und Vorstände der Unternehmen am Neuen Markt noch über Aktienpakete verfügen, die sie lieber heute als morgen los werden wollen. Damit besteht die Gefahr, das ein Kursanstieg auf breiter Front zur Bereinigung dieser Portfolios genutzt wird und er deshalb schnell wieder gedeckelt wird. Auch werden noch einige Unternehmen wegen Zahlungsunfähigkeit den Markt verlassen. Bis die Bereinigung abgeschlossen ist, bleibt der Einstieg in das Segment hoch spekulativ.
In den vergangenen 24 Monaten hat sich der Nemax schlechter entwickelt als der Gesamtmarkt. Das dürfte sich nicht so schnell ändern. Im Dax und MDax gibt es genug Werte, die im Gegensatz zu den Nemax-Titeln finanziell solide und vertretbar bewertet sind.
Euro
Seit gut zwei Monaten bewegt sich der Eurokurs zum Dollar überwiegend im Band von 90 bis 92 Cent. Für die junge und flatterhafte Einheitswährung ist das eine relativ lange Zeit der Stabilität. Zu Recht richten sich nur wenige Marktteilnehmer darauf ein, dass der Wechselkurs in diesem Bereich bleibt.
Long-Positionen überwiegen deutlich, das heißt, es wird an den Terminmärkten auf einen steigenden Eurokurs spekuliert. Allein diese einseitige Positionierung der Marktteilnehmer macht eine längere Fortsetzung der Seitwärtsbewegung unwahrscheinlich. Denn wenn sich die Aufwertung nicht tatsächlich einstellt, bringt die Schließung der Long-Positionen Abwärtsdruck für den Euro. Die wahrscheinlicheren Szenarien sind entweder eine schnelle und kräftige Abwertung oder eine langsame Aufwertung.
Die Asymmetrie der Szenarien resultiert daher, dass eine Abwertung die Spekulanten zur schnellen Schließung ihrer Positionen zwingt, was die Abwertungstendenz verstärkt. Diesen Verstärkungseffekt gibt es im Aufwertungsfall nicht.
Fundamental spricht so gut wie alles für einen stärkeren Euro und einen schwächeren Dollar. Gemessen an der Kaufkraft ist der Dollar überbewertet. Der Glaube an das Produktivitätswunder in Amerika hat sich weitgehend verflüchtigt. Das macht es noch schwerer als vorher sich vorzustellen, dass das hohe Leistungsbilanzdefizit der USA auf Dauer gehalten werden kann. Die extrem niedrige Sparquote der US-Haushalte schreit geradezu nach einer Korrektur. Tritt sie ein, was durch die Verunsicherung der Konsumenten, durch die Terroranschläge am 11. September und die zunehmende Milzbrand-Panik immer wahrscheinlicher wird, gibt es kaum Raum für eine deutliche konjunkturelle Erholung in den nächsten Jahren.
Was dem Devisenmarkt noch fehlt, sind Beweise. Begründete Vermutungen reichen nicht mehr, nachdem der Dollar den Abwertungspropheten so lange erfolgreich getrotzt hat. Was den Konsum angeht, sollten die harten Daten bald kommen und ihre Wirkung entfalten. Was die Kapitalzuflüsse zur Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits angeht, so hat die unerwartete Aktienrally der letzten beiden Wochen den Optimisten erst einmal Nahrung gegeben und den Dollar gestützt. Ob sich diese Rally unbeeindruckt von den absehbar schlechten Quartalsberichten der Unternehmen, die nun ins Haus stehen, fortsetzt, ist aber sehr zweifelhaft.
© 2001 Financial Times Deutschland