Experten schließen nicht aus, dass mit dem Rückgang der Erträge und Aufzehrung von Reserven Gesellschaften vor dem Aus stehen
von Torsten Schubert
Zumindest für die Analysten der HypoVereinsbank, so hat es den Anschein, ist mit Blick auf die Assekuranz ein Silberstreif am Horizont erkennbar. "Die Stärke des Rückversicherungsgeschäfts macht Gewinne greifbar", so die Überschrift einer Analyse zur aktuellen Situation bei der Münchener Rück.
Zwar lag das Nettoergebnis mit einem Verlust von 238 Millionen Euro deutlich unter den erwarteten minus 150 Millionen. Was vor allem auf die Abschreibungen auf Wertpapiere und Verkäufe von Beständen mit Verlust zurückzuführen ist. Doch in der Konsequenz "bleibt die Münchener Rück unser Top-Pick unter den Finanzwerten im Dax 30", so Christina Bülow, Analystin bei der Vereins- und Westbank. Fondsanleger werden von derlei Einschätzungen vermutlich erst zu einem fernen Zeitpunkt profitieren. Finanzwerte-Fonds verloren im Zeitraum der vergangenen drei Jahre nämlich rund ein Drittel ihres Werts.
Nach Ansicht der Kritiker sind Positivmeldungen in jedem Fall nur kurzfristige Strohfeuer. Sie verweisen erstens unverändert auf die Negativrekorde insbesondere der großen Anbieter in diesem Geschäft. Branchenprimus Allianz etwa musste für das Jahr 2002 zum ersten Mal in der Firmengeschichte einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro hinnehmen - nachdem das Unternehmen im Jahr zuvor noch einen Gewinn von 1,6 Milliarden Euro vermelden konnte.
Die Ergo Versicherungsgruppe auf der anderen Seite wies einen Jahresfehlbetrag von 1,1 Milliarden Euro aus. Und auch der Gerling-Konzern musste horrende Verluste hinnehmen.
Doch damit nicht genug der (möglichen) Hiobsbotschaften. "Was interessieren mich die Abschreibungen durch Aktienverluste - in den Beständen festverzinslicher Wertpapiere steckt eine weitaus größere Zeitbombe", warnt Manfred Poweleit, Chefredakteur des Branchendienstes "map-report" und einer der größten Kritiker der deutschen Versicherungswirtschaft.
Hintergrund: In der Boomphase der Börsen lag die Aktienquote im Durchschnitt bei 18 Prozent. Inzwischen ist sie auf deutlich unter zehn Prozent gesunken. 80 Prozent des Wertpapierbestands dagegen sind Festverzinsliche. Der Zeitzünder wird indes erst beim Blick auf die aktuelle Umlaufrendite erkennbar. Die nämlich schwankt derzeit irgendwo im Bereich zwischen drei und 3,5 Prozent. Tendenz: weiter stabil bis leicht nachgebend. Da aber gut ein Drittel des deutschen Lebensversicherungsbestands mit vier Prozent Rechnungszins kalkuliert ist, sind weitere Abschreibungen in unkalkulierbarer Größenordnung denkbar bis unvermeidbar.
Ebenso unübersehbar sind die Folgen auf die finanziellen Polster der Gesellschaften. Allein die Münchener Rück musste im vergangenen Jahr 5,7 Milliarden Euro auf Wertpapiere abschreiben. Das Eigenkapital schrumpfte um mehr als ein Viertel.
Leidtragende sind vor allem auch Privatpersonen. Kein Geheimnis ist, dass die Assekuranz Ende 2002 mit Senkung der Gewinnbeteiligung auf die Notbremse treten musste. Aktuell hat die Gothaer - erstmalig in der deutschen Versicherungsgeschichte - während eines laufenden Geschäftsjahres zum 1. Juli 2003 eine Senkung der Überschussbeteiligung angekündigt. Daneben hat das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine Absenkung der gesetzlich zu garantierenden Verzinsung bei Neuverträgen zum 1. Januar 2004 von zuletzt 3,25 auf 2,75 Prozent durchgesetzt. Und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) plädiert für eine Lockerung der strengen Deckungsverpflichtungen. Derzeit ist die tägliche Deckung der Zahlungsverpflichtungen durch das Anlageportfolio eines Versicherers zu Marktwerten notwendig.
Leidtragende sind die Kunden der Assekuranz nicht nur, weil sie selbst zum Teil bereits erhebliche Kursverluste hinnehmen mussten - vorausgesetzt natürlich, sie sind überhaupt Aktionäre eines Versicherungsunternehmens. "Hinzu kommt gegebenenfalls Handlungsbedarf mit Blick auf den Bereich Immobilienfinanzierung", ergänzt Ralf Berndt, Vorstand der Stuttgarter Versicherung (siehe Interview auf dieser Seite).
Seit Jahrzehnten werden nicht wenige Immobilien - bislang stets erfolgreich - über Kapital-Lebensversicherungen finanziert. Wobei Abschläge bei der Ablaufleistung infolge der abschmelzenden Überschussbeteiligungen Löcher ins Finanzierungskonstrukt reißen, weil sich die Darlehenshöhe bislang zumeist eng an der Ablaufleistung orientierte.
Dass sich schnell etwas ändert, glauben strenge Kritiker nicht. Zu lange haben vor allem die Marktführer mit zu hohen Ablaufleistungen geworben. Das heißt, die Lebensversicherung wurde eher als Renditeprodukt beworben denn als Instrument der Vorsorge und Absicherung.
In jedem Fall also geht es den Big Playern der Branche schlechter als den kleineren Gesellschaften. Deutlich wird das Ausmaß am Beispiel der Mannheimer Versicherung. Noch im Jahr 2002 vergrößerte die Mannheimer auf Initiative ihres Vorstandschefs Schreiber hin die Aktienquote ihres Anlageportfolios. Außerdem brachten Unternehmensentscheidungen wie die Neugründung des Internetversicherers Mamax die Mannheimer auf Schleuderkurs. Allein diese Entscheidung vergrößerte den ohnehin schon substanziellen Verlust erheblich. Der Betrag zur Rettung der Mannheimer wurde unlängst übrigens auf rund 370 Millionen Euro geschätzt.
Schlussfolgerung: Die hohe Zeit von Allianz & Co. ist abgelaufen. Was nicht heißen soll, dass Pleiten künftig an der Tagesordnung sein werden. Die Zukunft gehört aber kleineren Gesellschaften, die aufgrund ihrer Größe schneller auf Marktveränderungen reagieren können und sich ganz nebenbei stärker um die Interessen ihrer Klientel kümmern.
von Torsten Schubert
Zumindest für die Analysten der HypoVereinsbank, so hat es den Anschein, ist mit Blick auf die Assekuranz ein Silberstreif am Horizont erkennbar. "Die Stärke des Rückversicherungsgeschäfts macht Gewinne greifbar", so die Überschrift einer Analyse zur aktuellen Situation bei der Münchener Rück.
Zwar lag das Nettoergebnis mit einem Verlust von 238 Millionen Euro deutlich unter den erwarteten minus 150 Millionen. Was vor allem auf die Abschreibungen auf Wertpapiere und Verkäufe von Beständen mit Verlust zurückzuführen ist. Doch in der Konsequenz "bleibt die Münchener Rück unser Top-Pick unter den Finanzwerten im Dax 30", so Christina Bülow, Analystin bei der Vereins- und Westbank. Fondsanleger werden von derlei Einschätzungen vermutlich erst zu einem fernen Zeitpunkt profitieren. Finanzwerte-Fonds verloren im Zeitraum der vergangenen drei Jahre nämlich rund ein Drittel ihres Werts.
Nach Ansicht der Kritiker sind Positivmeldungen in jedem Fall nur kurzfristige Strohfeuer. Sie verweisen erstens unverändert auf die Negativrekorde insbesondere der großen Anbieter in diesem Geschäft. Branchenprimus Allianz etwa musste für das Jahr 2002 zum ersten Mal in der Firmengeschichte einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro hinnehmen - nachdem das Unternehmen im Jahr zuvor noch einen Gewinn von 1,6 Milliarden Euro vermelden konnte.
Die Ergo Versicherungsgruppe auf der anderen Seite wies einen Jahresfehlbetrag von 1,1 Milliarden Euro aus. Und auch der Gerling-Konzern musste horrende Verluste hinnehmen.
Doch damit nicht genug der (möglichen) Hiobsbotschaften. "Was interessieren mich die Abschreibungen durch Aktienverluste - in den Beständen festverzinslicher Wertpapiere steckt eine weitaus größere Zeitbombe", warnt Manfred Poweleit, Chefredakteur des Branchendienstes "map-report" und einer der größten Kritiker der deutschen Versicherungswirtschaft.
Hintergrund: In der Boomphase der Börsen lag die Aktienquote im Durchschnitt bei 18 Prozent. Inzwischen ist sie auf deutlich unter zehn Prozent gesunken. 80 Prozent des Wertpapierbestands dagegen sind Festverzinsliche. Der Zeitzünder wird indes erst beim Blick auf die aktuelle Umlaufrendite erkennbar. Die nämlich schwankt derzeit irgendwo im Bereich zwischen drei und 3,5 Prozent. Tendenz: weiter stabil bis leicht nachgebend. Da aber gut ein Drittel des deutschen Lebensversicherungsbestands mit vier Prozent Rechnungszins kalkuliert ist, sind weitere Abschreibungen in unkalkulierbarer Größenordnung denkbar bis unvermeidbar.
Ebenso unübersehbar sind die Folgen auf die finanziellen Polster der Gesellschaften. Allein die Münchener Rück musste im vergangenen Jahr 5,7 Milliarden Euro auf Wertpapiere abschreiben. Das Eigenkapital schrumpfte um mehr als ein Viertel.
Leidtragende sind vor allem auch Privatpersonen. Kein Geheimnis ist, dass die Assekuranz Ende 2002 mit Senkung der Gewinnbeteiligung auf die Notbremse treten musste. Aktuell hat die Gothaer - erstmalig in der deutschen Versicherungsgeschichte - während eines laufenden Geschäftsjahres zum 1. Juli 2003 eine Senkung der Überschussbeteiligung angekündigt. Daneben hat das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine Absenkung der gesetzlich zu garantierenden Verzinsung bei Neuverträgen zum 1. Januar 2004 von zuletzt 3,25 auf 2,75 Prozent durchgesetzt. Und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) plädiert für eine Lockerung der strengen Deckungsverpflichtungen. Derzeit ist die tägliche Deckung der Zahlungsverpflichtungen durch das Anlageportfolio eines Versicherers zu Marktwerten notwendig.
Leidtragende sind die Kunden der Assekuranz nicht nur, weil sie selbst zum Teil bereits erhebliche Kursverluste hinnehmen mussten - vorausgesetzt natürlich, sie sind überhaupt Aktionäre eines Versicherungsunternehmens. "Hinzu kommt gegebenenfalls Handlungsbedarf mit Blick auf den Bereich Immobilienfinanzierung", ergänzt Ralf Berndt, Vorstand der Stuttgarter Versicherung (siehe Interview auf dieser Seite).
Seit Jahrzehnten werden nicht wenige Immobilien - bislang stets erfolgreich - über Kapital-Lebensversicherungen finanziert. Wobei Abschläge bei der Ablaufleistung infolge der abschmelzenden Überschussbeteiligungen Löcher ins Finanzierungskonstrukt reißen, weil sich die Darlehenshöhe bislang zumeist eng an der Ablaufleistung orientierte.
Dass sich schnell etwas ändert, glauben strenge Kritiker nicht. Zu lange haben vor allem die Marktführer mit zu hohen Ablaufleistungen geworben. Das heißt, die Lebensversicherung wurde eher als Renditeprodukt beworben denn als Instrument der Vorsorge und Absicherung.
In jedem Fall also geht es den Big Playern der Branche schlechter als den kleineren Gesellschaften. Deutlich wird das Ausmaß am Beispiel der Mannheimer Versicherung. Noch im Jahr 2002 vergrößerte die Mannheimer auf Initiative ihres Vorstandschefs Schreiber hin die Aktienquote ihres Anlageportfolios. Außerdem brachten Unternehmensentscheidungen wie die Neugründung des Internetversicherers Mamax die Mannheimer auf Schleuderkurs. Allein diese Entscheidung vergrößerte den ohnehin schon substanziellen Verlust erheblich. Der Betrag zur Rettung der Mannheimer wurde unlängst übrigens auf rund 370 Millionen Euro geschätzt.
Schlussfolgerung: Die hohe Zeit von Allianz & Co. ist abgelaufen. Was nicht heißen soll, dass Pleiten künftig an der Tagesordnung sein werden. Die Zukunft gehört aber kleineren Gesellschaften, die aufgrund ihrer Größe schneller auf Marktveränderungen reagieren können und sich ganz nebenbei stärker um die Interessen ihrer Klientel kümmern.